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                         <<< Verhandlungen in der Versammlung der Landstände des Königreichs Württemberg im Jahr 1815 und 1816.  (2)

Was nun die näheren Seiten der Stellung betrifft, welche sich die Stände gaben, so waren sie, indem sie die königliche Konstitution verwarfen, auf deren Grund sie sich zusammenbefanden, in Ungewißheit, ob sie überhaupt existierten oder nicht. Konsequenterweise hätten sie sich, nach der vom Könige geschehenen Eröffnung, sogleich auflösen und auseinandergehen oder vielmehr, da schon die Wählart nicht der alten Verfassung angemessen war, sich gar nicht wählen lassen und die Wähler gar nicht wählen müssen.
- Da es jetzt eine Grundmaxime ihrer Tätigkeit wurde, nichts zu tun, woraus eine Konsequenz auf ihre faktische Anerkennung der königlichen Konstitution gezogen werden könnte, so gingen sie auch in den äußerlichsten Förmlichkeiten wie auf Eiern.
Gleich in der ersten Adresse vom 15. März enthielten sie sich wohlweise der Unterschrift "Ständeversammlung" und unterzeichneten sich "Zur Ständeversammlung Einberufene".
Als ihnen in der königlichen Resolution vom 17. desselben Monats hierauf bemerklich gemacht wurde, daß der König nicht von solchen, sondern nur von der von Ihm konstituierten Landesversammlung in der vorschriftsmäßigen Form Eingaben und Anträge zu erwarten habe, indem nur der Landesversammlung die in der Konstitutionsurkunde bestimmten Rechte zustehen,
daß er übrigens sich durch Formalitäten nicht aufhalten lassen und über den Mangel an Form vorerst hinwegsehen wolle
- wie sich diese Resolution wirklich auf den Inhalt der ständischen Eingabe einließ -, so fand die Majorität in der Unterschrift "Ständeversammlung" ein Präjudiz und Inkonsequenz, bis der Repräsentant von Marbach, Herr Bolley, dieser Skrupulosität durch das saubere Expediens abhalf, in ihrer nächsten Eingabe (vom 22. März) zwar so zu unterzeichnen, aber darin zugleich eine Verwahrung niederzulegen! In dieser Eingabe heißt es auch, daß eine Bedenklichkeit in Rücksicht auf Formalitäten ein Vergehen gegen den einzigen Zweck, das Wohl des Monarchen und der Untertanen, gewesen wäre,
- nämlich in Beziehung auf ihre Wählart und ihre Erscheinung nach der Einberufung.
Warum bleiben sie denn aber fürs übrige wegen der Formalitäten so bedenklich?
haben sie sich nicht dadurch an jenem einzigen Zwecke, wie sie sagen, vergangen?
- Jenes Conclusi und der angebrachten Verwahrung ungeachtet hatte der Sekretär doch in der Sitzung vom 28. anzuzeigen,
daß ihm erst nach gemachter Ausfertigung der Eingabe - welche ausgefertigte Eingabe übrigens in der nächsten Sitzung vom 23. März noch einmal in der Versammlung öffentlich verlesen und vom Präsidenten, Vizepräsidenten, einem Virilstimmführer und einem gewählten Deputierten und den beiden Sekretärs unterzeichnet worden war - eingefallen sei, daß darin doch noch das Schlußwort "Ständeversammlung" abgehe. Dieser Mangel wurde denn durch eine nachträgliche Eingabe beseitigt.
In der nächsten königlichen Resolution wurde die Versammlung angewiesen, durch einen geordneten Geschäftsgang die Fehler selbst der äußeren Form, die in ihren bisherigen Eingaben aufgefallen, zu beseitigen, zu dem Ende sich an den in der Konstitutionsurkunde vorgezeichneten Geschäftsgang zu halten und insbesondere einen Vizepräsidenten, ingleichen Sekretärs und die landständischen Offizialen zu wählen.

Es würde zu weitläufig und zu langweilig sein, den pedantischen Gang dieser Vorsichtigkeiten weiter zu verfolgen.
Obgleich der durchlauchtige Herr Präsident die Versammlung wiederholt zu den Wahlen jener Beamten, denen der König freilich auch die Ablegung von Diensteiden vorgeschrieben hatte, aufforderte und sie (Abt. III, S. 151) von ihren beständigen,
"um nichts weiter führenden Wiederholungen einmal geäußerter Sätze", "von ihrem prozessualischen" Advokatengange abzubringen suchte, sie, da ohnehin eine solche Wahl ohne Präjudiz geschehen könne, erinnerte,
 "über dem Hängen an Formen und an dem leeren Schall des Worts das Gute selbst nicht aufs Spiel zu setzen",
so waren sie in ihrer Bedenklichkeit und Klugheit viel zu beharrlich, um sich zu solchen für ihre Ansprüche unbedeutenden Handlungen bewegen zu lassen, - wenn nur aber ihre übrigen Handlungen mehr Inhalt und Bedeutung gehabt hätten!

Die bestimmtere Behauptung der Landständeversammlung war, daß dem Rechte nach die alte Verfassung nicht untergegangen und aufgehoben sei, daß sie und das Volk den königlichen Entschluß, nach dem Aufhören der bisherigen Hindernisse eine Verfassung zu geben, nur in dem Sinne habe nehmen können, daß die alte wieder in Wirklichkeit treten sollte.
Zugleich verlangte sie, daß der König zu Verordnungen, welche er während des Beisammenseins der Versammlung ergehen ließ, ihre Beratung und Bewilligung einholen lassen sollte; somit verlangte sie, als wirkliche alte Landstände Rechte auszuüben.
So ernannte sie sich auch keinen Vizepräsidenten aus dem Grunde, weil diese Stelle kein Institut der altwürttembergischen Landständeversammlung sei, ließ sich aber die Präsidenz des Herrn Fürsten von Hohenlohe-Öhringen, das Mitstimmen der Standesherren, gleichfalls keine Institute der alten Verfassung, gefallen.
- Für ihre einzige und simpliziter gemachte Forderung der Wiederherstellung der alten Verfassung stützte sie sich auf den bei den Wahlen und in einer Menge eingereichter Adressen ausdrücklich ausgesprochenen Willen des Volkes.
- Dies ist ein großes Wort; am meisten haben sich die Repräsentanten des Volks zu hüten, dies Wort zu entweihen oder leichtsinnig zu gebrauchen. Welche Bewandtnis es mit dem Willen des neuwürttembergischen Volkes hatte, ist schon erwähnt.
Auch ist angeführt, was ein Mann des Volks, der Schultheiß Reinhard, sagte, daß so viele, ja die meisten vom Volke ein zu stumpfes Gefühl für Vaterlandsliebe und Verteidigung haben. Aber abgesehen hiervon, so gehört es zum Schwersten und darum zum Größten, was man von einem Menschen sagen kann, daß er weiß, was er will.
Zu Volksrepräsentanten werden nur deswegen nicht die ersten besten aus dem Volke aufgegriffen, sondern es sollen die Weisesten genommen werden, weil nicht jenes es weiß, aber sie es wissen sollen, was sein wahrhafter und wirklicher Wille,
d. h. was ihm gut ist. Wie sehr verkennen sie ihre Würde und Bestimmung, wenn sie sich darüber an das laute Geschrei,
vollends an ein so dürres Geschrei wie "alte Verfassung" halten, ja gar sich auf die diesfallsigen Petitionen und Adressen stützen wollen.

Wenn sie aber in solchen Grund die Natur ihrer ganzen Bevollmächtigung setzten und sich weigerten, die königliche Bevollmächtigung anzuerkennen, so gaben sie sich eine aus dem Staatsorganismus tretende, der Regierung als selbständige Macht gegenüberstehende Stellung, deren Basis, wenn nicht schon das Gift eines revolutionären Prinzips darin ist, wenigstens nahe daran streift. Nach dieser Stellung nannte die Ständeversammlung ihre Verhandlungen mit der Regierung Unterhandlungen,
- es waren Noten, welche sie mit derselben wechselte; sie nannte ihr Eingeben von Adressen an das Ministerium einen diplomatischen Weg (Abt. VIII, S. 81) - einen Weg, den nur souveräne Staaten gegeneinander betreten.
Die Lage, in welcher sich die Regierung durch die Not des Augenblicks und selbst durch die Spannung befand, die durch das Beisammensein einer solchen Ständeversammlung unter solchen Umständen verursacht wurde,
- außerdem der Umstand, daß der König sein selbständig angefangenes Werk wohl nicht sobald wieder abbrechen mochte,
mögen das Ihrige beigetragen haben; aber immer ist auch die Mäßigung des Königs anzuerkennen, das Unförmliche und Anmaßende eines solchen Verhältnisses zu übersehen, sich auf diese Weise mit der Versammlung einzulassen und, obgleich sie es verschmähte, die Landstände seines Reichs zu sein, doch sie fortwährend als solche zu behandeln.

Soviel über die Förmlichkeit des Verhältnisses, in welches sich die Landstände setzten.
Um aber das Wesentliche desselben näher zu betrachten, so läßt sich bemerken, daß sie, nachdem ihnen der König seine Konstitution bekanntgemacht, dreierlei tun konnten:
entweder sich weigern, sie ungeprüft als verbindlich gelten zu lassen,
daher in eine Untersuchung über sie eingehen und erst nach dem Ergebnis derselben sich erklären;
zweitens sie annehmen, aber sich vorbehalten, das noch Vermißte und Unentwickelte zu bearbeiten und demgemäße Gesetzesvorschläge zu veranlassen;
oder drittens die königliche Verfassung unbesehen verwerfen,
ihrerseits eine hervorbringen und vom Könige die Annahme derselben fordern.
- Die Forderung kann nicht bloß billig, sondern absolut gerecht scheinen, daß ein Volk die Verfassung, welche ihm gegeben wird, selbst prüfen müsse und ihr gar nicht anders Gültigkeit gegeben werden könne, als indem das Volk mit seinem Willen und Einsicht sie annehme; wenn dem nicht so wäre, kann man hinzusetzen, so könnte der Despotismus, die Tyrannei, die Infamie das Volk in beliebige Fesseln schlagen.
- Und doch, um die Sache von keiner anderen Seite zu betrachten als der Erfahrung, so kann man sich auf diese berufen,
teils daß Völker selbst, und zwar von den freisinnigsten, ihre Ungeschicklichkeit anerkannt haben, sich eine Verfassung zu geben, und einen Solon, Lykurg damit beauftragten, welche Männer ferner eine List gebrauchten, um den sogenannten Willen des Volks und die Erklärung dieses Willens über ihre Verfassung zu beseitigen,
 - teils daß Moses wie Ludwig XVIII. von sich aus die Verfassung gaben und nicht den Volkswillen,
sondern die göttliche oder königliche Autorität zum Grunde der Gültigkeit derselben machten.
- In Rücksicht auf Württemberg hätte aber der oben angeführte Schultheiß Reinhard von Obereßlingen in seinem Diktum alles erschöpft: Wenn die Schwaben freien Willen haben, so geschieht gar nichts.
- Was aber die Besorglichkeit wegen despotischer Verfassungen, die, ohne den Volkswillen zu Rate zu ziehen, herauskommen könnten, betrifft, möchte aus einem begründeten Mißtrauen oder aus seichter Wohlweisheit und mutloser Mißkenntnis der wahrhaften Macht des Volks- und Zeitgeistes herrühren; hier ist nicht von einer Hypothese, sondern von einem bestimmten Falle die Rede.
- Wie es die Erfahrung ergibt, so ist ebenso leicht auch nach der Natur der Sache einzusehen, daß niemand weniger Geschick haben kann, eine Verfassung zu machen, als das, was man das Volk nennen mag, oder als eine Versammlung seiner Stände;
wenn man auch nicht betrachten will, daß die Existenz eines Volks und einer Ständeversammlung bereits eine Verfassung, einen organischen Zustand, ein geordnetes Volksleben voraussetzt.

Die dritte Partie, welche die württembergischen Landstände ergriffen, geradezu die königliche Verfassung zu verwerfen
- ohne sie zu prüfen und ohne das auszuscheiden, was sie anerkennen könnten und was nicht, und was sie noch vermißten -, ist wohl die ungeschickteste, unschicklichste, unverzeihlichste gewesen.
Sie gaben sich damit zugleich umgekehrt gegen den König die Stellung, ihrerseits von ihm zu verlangen, daß er unbesehen und unbedingt die Verfassung, welche sie und das Volk zu wollen meinten, annehmen solle, sogar daß ihm ein Akt des Annehmens gar nicht mehr zustehe, sondern daß er schon an und für sich zu derselben verbindlich sei.
Es tut wenig zur Sache, daß sie von der Anmaßung frei zu sein schienen, die ihrige selbst machen zu wollen oder gemacht zu haben, da es die altwürttembergische Verfassung war, welche sie der königlichen entgegensetzten;
sie ergaben sich damit nur unter die Autorität von etwas, das an und für sich nicht mehr stehen noch gehen konnte und von dem sie nachher naiv genug erklärten (XI, S. 282), daß es in seinem vollen Umfang anzugeben ihnen dermalen ganz unmöglich sei, - und warum dies? weil ihnen das alte Landschaftsarchiv noch vorenthalten werde!
- Daß der Büchergelehrte etwa auf dem Sande ist, wenn er den Schlüssel zu seiner Bibliothek verloren hat, ist in der Ordnung;
aber wenn die Landstände ihre Verfassung anzugeben für unmöglich finden, weil sie das Archiv nicht zur Benutzung haben,
welchen Moderbegriff von Verfassung setzt dies voraus?
Aber es ist ebendaselbst noch näher angegeben, welches die Quellen seien, aus denen "der Inhalt der Grundgesetze der Verfassung aufgezählt und entwickelt werden müsse"; es ist dies charakteristisch genug, um es auszuheben,
nämlich nicht bloß "aus den württembergischen Haus- und Regierungsordnungen, den Landtags- und Ausschußrezessen, den Testamenten der Regenten", "sondern auch aus den verschiedenen einzelnen Gesetzbüchern,
z. B. dem Landrechte, der Landesordnung, den sogenannten Allerhandordnungen, der Kirchen- und Kastenordnung, der Ehe- und Ehegerichtsordnung, der Kanzelordnung, der Forstordnung, der Kommunordnung" usw.

"Aus unzähligen (!!) einzelnen Reskripten und hauptsächlich aus den vielen Resolutionen, welche auf ständische Beschwerden, Bitten und Wünsche erteilt wurden."

"Manche wichtige Sätze lassen sich nur durch Kombination verschiedener Quellen des württembergischen Staatsrechts, manche nur durch Induktion, manche nur durch die in den Gesetzen bestätigte Kraft des Herkommens erweisen."

In derselben Adresse ist weiter vorne die Besorgnis geäußert, daß man ohne Voraussetzung der fortdauernden verbindenden Kraft dieser positiven Verfassung in die Labyrinthe des natürlichen Staatsrechts geführt würde.
Kann es aber ein ärgeres Labyrinth geben als jene angegebene Quellenmasse? Einem Advokaten mag fröhlich zu Mute sein, eine solche Rüstkammer zu haben, um Konsequenzen, Kombinationen, Induktionen, Analogien für seine Deduktionen in Hülle und Fülle zu schöpfen; aber wie mag eine Ständeversammlung sich vor der Vernunft, der Quelle des sogenannten natürlichen Staatsrechts fürchten und gegen eine solche Furcht Hilfe und Sicherheit in dem Vertiefen in solches Papierlabyrinth suchen!
Wenn die Stände einerseits dem Könige zumuteten, ihre in Jahr und Tag ans Licht zu bringenden Konsequenzen, Kombinationen, Induktionen usf. (es heißt ebendaselbst, es würde ein Unternehmen mehrerer Jahre sein) aus solchen Quellen als Rechte der württembergischen Untertanen zum voraus anzuerkennen, wollten sie andererseits behaupten, daß dies der Volkswille sei,
der ein solches Gebäude von Verfassung nicht kennen konnte, das die Stände ihnen selbst für unmöglich erklärten anzugeben!

Man hätte übrigens noch die Ansicht fassen können, daß es den Ständen mit ihrer Forderung der vergangenen Verfassung nicht eigentlich so Ernst gewesen wäre, und sie hätten nur die verständige Absicht gehabt, die Abänderung einiger Punkte der königlichen Konstitution, vornehmlich eine umfassendere Entwicklung der Grundsätze zu erlangen, zugleich aber ein wirksames Mittel zur Erreichung dieses Zwecks gesucht. Man kann zugeben, daß sie zu keinem Mittel greifen konnten, das wenigstens von mehr äußerlicher Gewalt gewesen wäre als die Erweckung der Zauberformel, wie der Name der altwürttembergischen Verfassung auch von ihnen genannt wird. Die sogenannte Einmütigkeit der Versammlung hierüber haben wir gesehen.
Derjenige hohe und niedere Adel, welcher noch Rechte ansprach, die mit dem Interesse und Rechte des Volks und des Staats in Widerspruche standen, ja, der es überhaupt als problematisch stellte, ob er bereits zu Württemberg gehörte, und von Bedingungen sprach, unter welchen erst er in ein Subjektionsverhältnis zu treten geneigt zu sein belieben würde, - mußte für seine Ansprüche die Zauberformel "gutes altes Recht" ganz passend finden. Die sogenannten Neuwürttemberger, welche zunächst die Abhilfe des mannigfaltigen Druckes, unter dem sie seufzten, nicht unmittelbar in der königlichen Verfassung erblicken konnten, schlossen in der ersten Unklarheit über die Sache ihre Opposition gegen den gegenwärtigen Zustand an jenen Titel an.

Von allen Seiten liefen Adressen und Petitionen der Städte und Ämter ein, Deputationen erschienen, welche das Verlangen der Wiederherstellung der erbländischen Verfassung ausdrückten, und ein großer Teil der Sitzungen der Versammlung wurde mit dem Verlesen der Adressen verbracht. So verbraucht und außer Kredit gekommen das Mittel der Volksadressen ist, so wurde es hier nicht verschmäht; es war um so leichter anzuwenden, je größer der Einfluß der Schreiberklasse bei dem Volke ist, wovon nachher die Rede sein wird; aber um so weniger Gehalt und Autorität konnte jenes Mittel in den Augen des Einsichtsvolleren haben;
es war eher geeignet, einen Schatten auf die Versammlung zu werfen.

- Ohnehin ist es an sich der Platz einer Ständeversammlung, das vermittelnde Organ zwischen Fürst und Volk zu sein;
und unter den vorwaltenden äußeren Umständen der neuen Unruhen in Frankreich, bei dem mit allem guten Willen gewöhnlichen Unverstande des sogenannten Volkes, wenn es über allgemeine Angelegenheiten zu sprechen kommt, noch mehr bei der Neuheit der Lage, dem Mangel der Begriffe im Volke über eine Staatsverfassung, da es die Sache noch nie gehabt hatte, bei dem Übergange aus seiner politischen Nullität in einen bisher unbekannten Anteil und Einfluß auf das Ganze eines Staates
- war es um so mehr die Stellung der Landständeversammlung, das Volk mit seinen bisherigen Meinungen aus dem Spiele zu lassen. - In der fünften Sitzung fand es Herr Graf von Waldek für nötig, da nach sicheren Nachrichten das Volk durch Publikation der königlichen Konstitutionsurkunde beunruhigt sei, dasselbe zu beruhigen, und trug als das Mittel, dies ohne Aufsehen zu tun, vor, daß die Repräsentanten dem Volke berichten sollten, daß sie sich an die Spitze seiner Vorurteile gestellt haben.
Wer möchte das Beruhigung des Volkes nennen, wenn ihm die Ständeversammlung erklärt, daß es in ihr - im Gegensatze gegen den König - die Stütze seiner Unruhe zu sehen habe!
Übrigens so viele Petitionen verlesen wurden und soviel die Ständeversammlung sich auf sie zugute tat, so sieht man auch wieder, daß sie sehr vernachlässigt worden sind, und erkennt eben nicht aus den Protokollen, wodurch die Auswahl bestimmt worden, einen Teil zu verlesen, andere, wie es scheint, nicht einmal zu erwähnen und im Protokoll zu bemerken.
Nur einige Beispiele: In einer Sitzung vom 20. Dez. 1815 (Abt. XVII, S. 49), kommt ein Antrag vor, eine Anzahl eingekommener Adressen wenigstens im Protokoll zu bemerken, sie für verlesen anzunehmen und zu den Akten zu legen.
Am 21. Febr. 1816 kommt eine Petition der Stadt Riedlingen vom 12. April 1815 zum Verlesen. Am 5. April 1816 bittet ein Repräsentant, eine schon am 11. Juni vorigen Jahres übergebene Petition einer Sektion der Versammlung übergeben zu dürfen; aber unter diesem Datum, wo keine Sitzung war, aber auch am 12. Juni, wo eine Sitzung gehalten wurde, geschieht jener Petition gar keine Erwähnung. - Viele andere dergleichen Data zeigen eben nicht, daß die Ständeversammlung für die Petitionen des Volks eine objektive Achtung, d. h. insofern sie nicht bloß zweckdienlich für die Absichten der Versammlung waren, gehabt habe.

Was übrigens den Ernst um die alte Verfassung betrifft, so ergibt sich aus dem Verfolge so viel, daß es der Versammlung nicht bloß um die Stütze zu tun war, welche sie durch jene Zauberformel an der öffentlichen Meinung fand;
der Majorität nach behauptete sie bleibend ihren Ernst um jene Verfassung und machte insbesondere die Forderung zur Hauptsache, daß das formelle Rechtsprinzip anerkannt werde.
Der Geist des Formalismus und der Partikularität hat bekanntlich von jeher den Charakter und das Unglück Deutschlands in der Geschichte gemacht; dieser Geist hat sich hier in seiner ganzen Stärke gezeigt.
Will man ihn Deutschheit nennen, so hätte nichts deutscher sein können als die Gesinnung der altwürttembergischen Deputierten, den Adel mit eingeschlossen.
Verstände man aber unter Deutschheit etwas seinem Begriffe nach Allgemeines und Vernünftiges - bei aller Verschiedenheit der Territorialherrschaft -, so wird es schwer sein, etwas Undeutscheres zu finden als jene Gesinnung.

Die nächste Folge der Stellung aber, welche sich die Ständeversammlung gab, indem sie die königliche Verfassung verwarf, beiseite setzte, ignorierte, war, daß sie sich einer organischen Lebenstätigkeit unfähig machte.
Sie stellte sich der Regierung gerade gegenüber, formierte nicht eine Opposition innerhalb eines gemeinschaftlichen Bodens und setzte sich selbst aus dem Verhältnisse, wirksame Arbeiten über Staatsinstitutionen vorzunehmen und zustande bringen zu können. Als einem neuwürttembergischen Repräsentanten, Herrn Gleich aus Aalen, nach Verlauf von drei Monaten und vergeblichem Harren, daß etwas Gedeihliches zum Vorschein käme, endlich die Geduld riß und er der Versammlung (Abt. VIII, S. 20 f.) unter anderem den Vorwurf machte, daß sie sich fast immer nur mit Nebensachen beschäftige und die Hauptsache außer Augen lasse,
so wurde ihm dies für ganz falsch erklärt, denn die Versammlung habe in einer Sitzung den Beschluß gefaßt, daß jedes Mitglied aufgefordert werde, sich auf einen Entwurf der Konstitutionsurkunde vorzubereiten!
- Als ob nicht jeder Deputierte seine ganze Vorbereitung schon hätte mitbringen sollen und als ob ein solcher Beschluß der Versammlung, daß jedes Mitglied sich vorbereiten solle, eine Arbeit gewesen wäre und eine Antwort, wenn nach der dreimonatigen Arbeit einer Versammlung gefragt wird. - Ohnehin aber hat man vorhin gesehen, daß am darauf folgenden 26. Oktober der Versammlung einfiel, daß ihr die Angabe der Grundgesetze ihrer Konstitution unmöglich sei, weil sie das Landschaftsarchiv noch nicht habe benutzen können.

Untätig sind darum freilich die Landstände nicht gewesen, sondern auf ihrem diplomatischen Wege haben sie ihres formellen Geschäfts genug getrieben. Da dasselbe aber ganz in die bedingten Grenzen eines bloß positiven Standpunkts, und der selbst als positiver keine Wirklichkeit mehr hat, eingeengt ist, so bietet sich, je lebhafter das Interesse in der Behauptung des formellen Rechts wird, desto weniger ein unabhängiger vernünftiger Inhalt dar, und in dieser Darstellung, welche die wichtigsten Gesichtspunkte schon berührt hat, kann der überdies im Publikum bekannte geschichtliche Gang nur nach seinen Hauptmomenten weiter angeführt werden.

Auf die oben erwähnte erste Eingabe der Stände, worin sie auf eine delikate, eigentlich aber auf eine nicht offene und freimütige, sondern versteckt sein sollende und geschrobene Weise die Verwerfung der königlichen Verfassung erklärt hatten, wurden sie vom Könige schon zwei Tage nachher einfach auf die ihnen vermöge dieser Verfassung zustehenden Rechte verwiesen und daran erinnert, daß ihnen darin, wofern sie einzelne Wünsche in dieser Rücksicht vorzutragen haben, der Weg dazu geöffnet sei;
es wurde die Versicherung hinzugefügt, daß solche Wünsche und Bitten geneigtes Gehör finden sollen, sobald der König die Überzeugung erlange, daß sie dem Interesse des gesamten Königreichs gemäß sind.

Was konnte der König auf ihre undeutliche Erklärung mehr und anderes erwidern?
- Der König verlangte Sachen, die sie ihm vorlegen sollten; sie bleiben in ihrer Erwiderung vom 23. März beim Stofflosen und Formellen stehen. Einen ausführlicheren Entwurf einer Eingabe, von Herrn Bolley verfaßt, in dem zwar gleich anfangs die Erklärung gemacht wird, daß die Stände sich enthalten, in eine vollständige Prüfung der neuen Urkunde einzugehen, der aber doch Bemerkungen gegen viele Punkte derselben vortrug, hielten sie zurück; er sollte aber für die Urkunde ihres politischen Glaubensbekenntnisses und der Rechenschaft der Gründe ihres Benehmens gelten und, wenn es nötig wäre, seinerzeit dem königlichen Staatsministerium vorgelegt werden (I. Abt., S. 67). Wohl wäre nichts nötiger gewesen, als die Gründe, aus denen sie die königliche Urkunde nicht annehmen könnten, dem Ministerium vorzulegen, vor allem aber sich in die vollständige Prüfung einzulassen. - Auch sind es nicht Bemerkungen, deren Vorlegung an das Ministerium die Sache fördern konnte; auf Bemerkungen macht man Gegenbemerkungen. Der sogenannte diplomatische Weg, der auf solche Weise eingeleitet ist und zu Resultaten führen kann, wie er mag, bringt sonst auch dies mit, daß die unterhandelnden Parteien Gründe und Gegengründe vorlegen. Außerdem, daß er nicht für das Verhältnis von Regierung zu Untertanen - ein Verhältnis, in welches freilich die Standesherren erst zu treten zu haben angaben - ist, ist er ganz etwas anderes, als was eine Haupttätigkeit einer Ständeversammlung sein soll: Prüfungen und Diskussionen innerhalb ihrer selbst über ihre Gegenstände.
- Man kann den Gedanken haben, daß, wenn die Staatsminister, wie dies in der königlichen Urkunde § 26 enthalten ist, jetzt den Sitzungen beizuwohnen angefangen und das Wort genommen hätten, den Verhandlungen vielleicht schon von vorneherein eine andere Form gegeben worden wäre. Die Gegenbemerkungen, Widerlegungen, Ausführungen von Gründen konnten in den Stil königlicher Reskripte nicht eingehen, nicht Aufsätze gegen Aufsätze werden, aber ein Inhalt mündlicher Vorträge der Minister oder Staatsräte in den Sitzungen der Stände. Diese konnten gleichfalls zur Prüfung, überhaupt zu Entwicklungen und Diskussionen geleitet und womöglich aus der oben bezeichneten Stummheit und Papierverhandlung herausgerissen werden.

Die Eingabe der Stände vom 22. März, von Herrn Grafen von Waldek, wiederholte die gesuchte, weder offene noch verständige Wendung, in ihrer Schlußbitte die direkte Forderung der alten Verfassung wegzulassen und diese vorauszusetzen.
Wenn eine solche Wendung recht würdig und tapfer scheinen konnte, so etwas gar nicht zum Gegenstande einer Bitte machen und allen Schein einer Zweifelhaftigkeit entfernt halten zu wollen, so konnte dies zu nichts führen; die Sache mußte doch, nur später, zur direkten Sprache kommen. - Die Schlußbitte ging daher feinerweise nur dahin, daß der König in die Ausdehnung der Verfassung der Erblande auf das ganze Königreich einwilligen möchte, zu welchem Behuf eine Deduktion der rechtlichen Ansprüche der inkorporierten Landesteile auf die erbländische Verfassung hinzugefügt wurde.
- Ferner, nachdem die königliche Resolution von den Ständen die Angabe ihrer weiteren Wünsche verlangt hatte, kehrten sie dies um und wollten es der Regierung zuschieben, mit solcher Angabe anzufangen. In Verwicklungen von Privatangelegenheiten, in der Advokatenpraktik mag es zu den Klugheiten gehören, sich verschlossen zu halten, nicht zuerst zu sprechen, den anderen kommen zu sehen, ihm zuzuschieben, zuerst mit seinen Ansprüchen und Mitteln herauszugehen; man behält den Vorteil, angriffsweise gehen zu können, ohne sich etwas zu vergeben und sich auszusetzen u. dgl.
Allein eine Ständeversammlung muß ihre Klugheit am wenigsten aus der Advokatenpraktik hernehmen.
- Anstatt ihre Wünsche über Artikel der königlichen Urkunde abzugeben, setzten sie die zweite feine Bitte hinzu
- um die Angabe derjenigen Modifikationen, welche die gegenwärtigen Verhältnisse fordern, zur Treffung einiger gemeinschaftlichen Übereinkunft, - als ob es bereits um weiter nichts zu tun gewesen wäre.
- Wenn man eine solche Sicherheit und eine solche Bitte nicht für Hohn nehmen wollte, wo muß es nur als unbegreiflicher Unverstand auffallen, in den kein Strahl einer Reflexion auf die Stellung des gegenüberstehenden Teils fällt und der ganz gemütlich seinen Weg fortsetzt ohne allen Gedanken, daß, um eine Übereinkunft zu bewirken, in der Tat auch Rücksicht auf die Ansicht und den Willen dessen, mit welchem sie zustande kommen soll und welcher sogar der Fürst und Regierung ist, nötig ist.

Das Ministerium erklärte hierauf am 4. April, daß der König die ausführliche Beantwortung dieser Eingabe auf die Rückkehr des Kronprinzen und auf die mit demselben zu nehmende Rücksprache auszusetzen beschlossen habe. Jedoch am 17. April ließ der König den Ständen, zu der Zeit, wo er sie zugleich zur Mitwirkung, die außerordentlichen Kriegsbedürfnisse aufzutreiben, auffordern ließ, eine weitere Antwort zugehen. In derselben wird der Gesichtspunkt, von welchem bei der königlichen Verfassung ausgegangen worden, vor Augen gestellt, daß "nämlich bei der Unabhängigkeit des Staats von einem Oberen die Verhältnisse zwischen dem Staatsoberhaupt und den Ständen nach dem Beispiel anderer unabhängiger Staaten bestimmt worden, wie es zur Begründung eines dauerhaften Zustandes, zur Sicherstellung der Rechte des Volks und für die Festigkeit und Energie der Staatsregierung für notwendig erachtet worden, - unangesehen, ob die Rechte der Landstände unter der vormaligen Reichsterritorialverfassung des Herzogtums Württemberg ausgedehnter oder beschränkter waren;
wie sie denn wirklich in der neuen Verfassung in mehreren wesentlichen Punkten, namentlich in Absicht auf die Unabhängigkeit in den landständischen Verhandlungen, in dem Anteil an der Gesetzgebung, selbst in der Besteuerung, welche in allem, was die Reichs- und Kreisverhältnisse mit sich brachten, von der landständischen Zustimmung nicht abhängig war, größer sind als in der vormals bestandenen".

Ferner erklärt der König, zur Erzielung eines gemeinschaftlichen Einverständnisses über die Anwendbarkeit der Anträge mündliche Verhandlungen durch Bevollmächtigte von beiden Seiten eröffnen zu lassen.

Die Stände machten, wie oben angegeben, ihre Mitwirkung zur Aufbringung der außerordentlichen Bedürfnisse von der Zugestehung ihrer Forderungen abhängig. Das unmittelbare Mittel sahen sie in einem Staatsanlehen; ein solches mit vorteilhaften Bedingungen zu erlangen, wäre die Garantie der Landstände ohne Zweifel von Wichtigkeit gewesen.
Hier war der Zeitpunkt, bei den Worten, die sie im Munde führten, bereit zu sein, Gut und Blut für das Vaterland aufzuopfern,
die Wahrheit ihres guten Willens zu beweisen, - ein Beweis, der nur mit der Tat geführt werden kann.
- Dieser werktätige Beweis würde zugleich eine Einleitung für ein Einverständnis überhaupt und näher zur Etablierung einer gemeinschaftlichen Schuldentilgungskasse haben werden können. Sie boten aber diese Garantie nicht an, sondern überschickten am 18. April dem König ein paar ihrer Aufsätze, welche sie im Vorrat hatten, wiederholten ihre eintönigen Vorstellungen, erklärten sich dann bereit, ihrerseits zur Wahl von Bevollmächtigten zu schreiten.

Die Versammlung ernannte am 24. April ein Komitee von 25 Mitgliedern, welche die Unterhandlungen vorbereiten sollten, und vier Kommissarien zur Unterhandlung mit den vier vom Könige dazu ernannten Staatsräten, welche, soviel man sich entsinnen mag, sämtlich Altwürttenmberger gewesen zu sein scheinen. Nun schien eine nähere Einleitung eingetreten zu sein, welche zur Sache zu führen Hoffnung geben konnte. Es zeigte sich gleich, daß das Komitee unter der aufgetragenen Vorbereitung die Leitung der Unterhandlungen und die Instruierung der ständischen Unterhandlungskommissarien verstanden, daß es in diesem Sinne seine Tätigkeit begonnen und sich de facto mit Ausschließung der Versammlung selbst der Unterhandlungen ganz bemächtigt hatte.
Auf die Bemerkung eines Mitglieds in der Versammlung am 28. April, daß die Verhältnisse des Komitees bestimmter auszusprechen seien, versicherte Herr Amtsschreiber Bolley, eines der tätigsten Mitglieder des Komitees, daß dasselbe keine gefährlichen Schritte tun und da, wo es nötig sei, mit der Ständeversammlung kommunizieren werde; bei Unterhandlungen müßten gewisse Dinge geheim gehalten werden. Auf diese Versicherung übertrug die Versammlung dem Komitee förmlich die Leitung der Unterhandlungen salva ratificatione der Versammlung sowie die Instruierung der Kommissarien.
- Die eigentliche Tätigkeit der Versammlung, das Geschäft in Beziehung auf die Verfassungsangelegenheit, war hiermit auf das Komitee übergegangen. Es wird nun erwähnt, daß Zusammentritte der ständischen Kommissarien mit den königlichen stattgehabt haben; vom 28. April an, wo eine, aber nicht im Druck bekannt gemachte Relation über diese Verhandlungen, und vom 2. Mai an, wo eine ebenfalls nicht abgedruckte Note des Komitees an die Kommissarien verlesen wird, erfährt man von diesem Unterhandlungsgeschäfte nichts mehr bis zum 29. Mai, wo Herr Dr. Cotta (VI. Abt., S. 79) im Namen der ständischen Kommissarien eine ihnen an demselben Tage mitgeteilte königliche Entschließung in betreff von sechs Gegenständen der Verfassung der Versammlung vorlegt. Erst aus der in vielen Rücksichten bemerkenswerten Rede des Herrn Gleich von Aalen vom 23. Juni (VII. Abt., S. 81) erfährt man etwas Näheres von dem Geiste und dem Benehmen des Komitees.
Man ersieht nämlich daraus, daß dasselbe sich in eine Entwicklung und Arbeit über die Sache gar nicht eingelassen, sondern kurzweg sechs Punkte, welche, wie Herr Gleich richtig bemerkt, teils aus der alten württembergischen Verfassung, teils aus der königlichen Konstitution genommen waren, Verfassungsbruchstücke, als Präliminarartikel aufgestellt hatte.
- Als die delikate, eher aber ungereimte Absicht für solche Handlungsweise wird angegeben, dem Hofe einen schicklichen Weg zu öffnen, um mit guter Art in die Wünsche der Versammlung einzugehen.
- Ebenso merkwürdig ist aus der angeführten Rede zu ersehen, daß von dem Komitee aus diesen sechs Punkten der Ständeversammlung selbst ein Geheimnis gemacht worden war. Es heißt ebendaselbst, daß, nachdem verlautete, mehrere Mitglieder wollten aus Unzufriedenheit darüber den Landtag verlassen, denselben eine Art von vertraulicher Eröffnung gemacht wurde. - Oben ist der Charakter der Stummheit bemerklich gemacht worden, den die Versammlung gleich von Anfang an zeigte; jetzt aber wurde sie von ihrem Komitee dazu noch in den Zustand, nicht der Taubheit gesetzt - denn taub ist nur der, der nicht hört, wenn in seiner Gegenwart gesprochen wird -, sondern in den Zustand, nicht zu hören, weil nichts vor ihr gesprochen wurde.
- Man verliert hier vollends alle Vorstellung, die man von der Bestimmung und den Arbeiten einer Ständeversammlung haben kann. - Es heißt in derselben Rede, was ebenso aus den Protokollen hervorgeht, daß an das Unerläßliche und Einzige, was hätte geschehen müssen, "an die Diskussion dieser sechs Artikel in der Ständeversammlung nun und nimmermehr gedacht wurde".
- So war die Versammlung immer noch nicht zu einer Materie in ihren Verhandlungen und einer gehaltvollen Tätigkeit über die Verfassung gekommen.

Das Geheimnis der sechs Präliminarartikel des Komitees, welche nunmehr den Wendepunkt ausmachen, lernt man erst aus einem Aufsatze der Stände vom 26. Juni kennen (VIII. Abt., S. 89). Da sie wirkliche Materien betreffen, so sollen sie hier kurz angeführt werden, zugleich mit der Angabe desjenigen, was die Resolution des Königs vom 29. Mai darüber zugesteht und was von der größten Wichtigkeit ist.

Das erste, was die Kommissarien verlangten, nannten sie sehr ungeschickt Selbsttaxation, mit der näheren Bestimmung, daß eine vorgängige Vorlegung der Staatsbedürfnisse und einer Berechnung der Kammereinkünfte, Einsicht in die Rechnung dieser, Prüfung der wirklichen Verwendung der verwilligten Gelder, eine ständische Administration der Landesgelder damit verbunden sein solle. - Der König nahm die in seiner Verfassung gemachte Beschränkung der Konkurrenz der Stände zurück und gab zu, daß nicht nur die Erhöhung, sondern überhaupt die direkten und indirekten Steuern von den Ständen bewilligt werden sollten; nur vom Jahre 1815 bis 1818 sollten die gegenwärtigen bestehen bleiben. Einen Anteil an der Erhebung dagegen sowie auch eine unter ihrer Direktion stehende Kasse gestand er den Ständen nicht zu; aber die genaueste Einsicht in alle Staatseinnahmen und -ausgaben und eine vollständige Kontrolle rücksichtlich der Verwendung, mit Ausnahme der Einkünfte aus dem königlichen Patrimonial- und Domanialeigentum, wobei der König sich einer und zwar auf das Domanialeigentum zu fundierenden Zivilliste nicht entgegen zu sein erklärte. Ferner soll eine Schuldenzahlungsbehörde niedergesetzt werden, mit Zuziehung und gleicher Zahl ständischer Deputierten wie königlicher Deputierten.
- Es bedarf keiner Bemerkung über die Liberalität dieser königlichen Konzessionen. Daß wohl in einem Reichslehen, aber nicht in einem Staate Stände die Administration der Staatskasse haben können, davon ist oben die Rede gewesen.
Daß die Kammern in Frankreich, das Parlament in England eine solche Administration nicht hat, ist bekannt, - ebenso auch, daß im ersteren Lande die Deputiertenkammer Deputierte aus ihren Mitgliedern zur Amortisationskasse ernennt.
Der Ausdruck Landesgelder, den die ständischen Kommissarien statt Staatsgelder gebrauchen, diente dazu, das Recht zu bezeichnen, welches das Land habe, da die Gelder die seinigen sind, sie auch selbst zu verwalten.
- Die frühere Gewohnheit des Reichslehens, Regierung und Land entgegenzusetzen, konnte ihre Rechnung nicht bei dem Ausdrucke Staat finden, in welchem der alte Sinn jener Entgegensetzung wegfällt und Gelder der Privaten, wie sie zu Steuern, zu öffentlichen Geldern werden, nur dem Staate angehören.

Die zweite Forderung war die Herstellung des Kirchenguts. Der König gestand sie ganz zu, nur die vormalige abgesonderte Administration schlug er ab.

Der dritte Artikel war eine Form der Repräsentation, wobei alle Klassen der Untertanen verhältnismäßig gleich vertreten werden sollten. - Es ist oben schon ausführlicher über die sehr demokratische Repräsentationsform gesprochen.
Auf dies ganz unbestimmte, versteckte Verlangen erwiderte der König, daß er weitere Anträge darüber erwarte;
nur dies erklärte er, daß er in eine besondere Repräsentation des Adels nicht eingehen werde, worauf es hier etwa abgesehen zu sein schien. - Herr Gleich sagt noch am 23. Juni über diesen Punkt (VII. Abt., S. 130): "Welche Vorstellung und Absicht die Kommissarien mit demselben hatten, ist nicht leicht zu erraten. Darum hätten sie sich billig auch in der Versammlung darüber erklären sollen." Also noch am 23. Juni war der Sinn dieses Artikels ein Geheimnis geblieben.

Der vierte Artikel war ein solcher, der denjenigen Mitgliedern der Stände, welche das bekannte alte Ausschußwesen vermissen konnten, sehr am Herzen liegen mochte: ununterbrochene Ausübung der ständischen Rechte durch einen bleibenden Ausschuß. - Der König erwiderte, daß die dem Ausschusse in der königlichen Urkunde auf vier Wochen anberaumte Zeit für seine jährliche Sitzung sehr wohl verlängert und die Zusammenberufung wiederholt werden könne, wenn die Geschäfte dies erfordern. Übrigens mache er die Stände auf die Kostenvermehrung aufmerksam. - Dieser letztere Umstand war bei den alten Ausschüssen allerdings sehr von Bedeutung; aber leicht hätte man sagen können, er könnte vielmehr ein stiller Grund für die Verlängerung, ja ununterbrochene Dauer der Sitzungen, wenn es auch die Geschäfte nicht erforderten, als dagegen werden.
In Beziehung auf die alten Ausschüsse möchte dieser Gedanke insofern aber überflüssig sein, als sich in der oben S. 495 angeführten Broschüre, Die Verwaltung der württembergischen Landeskasse, Beispiele ergeben, daß der engere Ausschuß, der die Verwaltung der Kasse und das Recht, den größeren Ausschuß einzuberufen, hatte, demselben Geldentschädigungen dekretierte und bezahlen ließ, dafür, daß er denselben nicht einberufen hatte; er wußte also eine Kostenvermehrung hervorzubringen, ohne daß Geschäfte vorhanden waren und ohne daß Sitzungen gehalten wurden.
- Erst vor kurzem ist es im Publikum bekannt geworden, daß die Ständeversammlung, deren Verhandlungen hier betrachtet werden, den Staat 260 000 Fl. gekostet hat. In den vorliegenden gedruckten Protokollen wird zwar einige Male erwähnt, daß über die Gehälter der ständischen Mitglieder und sonstige Unkosten referiert, auch ein Komitee darüber in Tätigkeit war; es bleibt aber in den gedruckten Protokollen immer nur bei diesen Anzeigen, ohne daß der Inhalt der Berichte oder Beschlüsse angegeben, ohne daß irgendwo Summen namhaft gemacht waren. Gerade diesen Gegenstand mußte eine Ständeversammlung am allerwenigsten mit Geheimtun behandeln, sondern ihm vielmehr mit aller Offenheit Publizität geben, wenn sie einmal für ihre Arbeiten oder wenigstens für ihr Beisammensein Geldbezahlung annahm. Diesen Artikel der königlichen Verfassung, sosehr sie die anderen ignorierte, hatte sie wenigstens utiliter akzeptiert.
- Es ist schon für sich in hohem Grade mißliebig, wenn landständische Mitglieder Besoldungen oder Diäten beziehen;
es ist dies ein Umstand von der höchsten Wichtigkeit, er ändert etwas Wesentliches in dem Charakter und der Stellung einer Volksrepräsentation; er gehört auch unter diejenigen, wodurch von selbst dem Eigentume bei den Wahlen das Übergewicht gegeben wird, außerdem daß er sonst mit der Ehre einer solchen Versammlung aufs engste zusammenhängt.
Landstände können, im Falle sie besoldet sind, nie dem Verdachte oder Vorwurfe entgehen, daß, obzwar nicht allen,
doch vielen oder einigen Mitgliedern ein solcher Bezug eine Rücksicht sei.
In den Verhandlungen dieser Ständeversammlung wird der Empfindung gegen einen Gehaltsbezug, überhaupt einer Anregung dieses sowie anderer wichtiger Gegenstände gar nicht erwähnt, - gleichsam als ob es sich von selbst verstünde, daß die Deputierten besoldet werden, wenigstens, wie einmal vorkommt, daß sie ihre Kosten ersetzt erhalten.
- Jener Vorwurf ist, wenn Referent sich recht entsinnt, auch öffentlich nicht ausgeblieben.  
- Aber die krauseste Forderung, die eine Ständeversammlung machen konnte, war, daß sie noch einen Ausschuß mit besonderen Besoldungen und mit Pensionen sollte ernennen können und vollends, um ja die Unfähigkeit und Faulheit der Ausschußmitglieder im voraus zu legitimieren, wie vormals Konsulentenstellen sollte hinzufügen und vergeben dürfen.

Es hilft nichts, daß die Führer der Stände für den Ausschuß, zu dessen Mitgliedern sie als die qualifiziertesten erscheinen mochten, nicht auf den ganzen Zustand und das Recht der vormaligen geheimen Truhe Anspruch machten. Mit der Besoldung von Ausschußmitgliedern, vollends mit der Pensionserteilung an solche, die, wie es im Entwurf der zu erneuernden württembergischen Verfassung heißt, "sich ganz dem Dienste des Vaterlandes hingegeben und die Bestimmung erhalten hätten, in Stuttgart zu wohnen (welche Hingebung!), aber bei der alle drei Jahre zu geschehenden Erneuerung des Ausschusses nicht von neuem ernannt würden", denen "wegen des dem Vaterlande gebrachten 'Opfers' bis zu ihrer Wiederanstellung eine jährliche Entschädigung bezahlt werden sollte",
- hiermit würde ein Zustand wieder herbeigeführt, dessen Abschaffung zwar etwa nicht die Ausschußmitglieder selbst oder die,
die Aussicht haben konnten, dazu gewählt zu werden, aber wohl Stände und vornehmlich das Volk für den größten Schritt zu einer freien und volksmäßigen Verfassung und für die größte Wohltat ansehen mußten, die die neuere Zeit herbeigebracht hat.
- Von gleichem oder selbst größerem Einflusse ist der Umstand, daß durch solchen bleibenden Ausschuß das Allerwichtigste,
die Versammlung der Landstände selbst, überflüssiger wird. Gesetzliche Bestimmungen dagegen sind etwas Unzureichendes,
wenn die Sache selbst es so mit sich bringt.
Auch von dem Geiste zu abstrahieren, der sich in solchem wohlbesoldeten Ausschusse bilden muß, so hat hierüber die Geschichte der alten württembergischen Landstände eine hinreichende Erfahrung geliefert.
Es ist bekannt, wie selten Ständeversammlungen gewesen sind. Was die jetzigen Stände für ihr Palladium anzusehen schienen,
die ununterbrochene Dauer von Ausschüssen, hätten sie mit mehr Nachdenken oder bloßem Rücksehen auf jene ihnen am nächsten liegende Erfahrung vielmehr als eine Einrichtung, welche ihrer Unabhängigkeit und ihrer wahrhaften Existenz, nämlich als Gesamtversammlung, den gefährlichsten Fallstrick legte, betrachten müssen.

Der fünfte geforderte Präliminarartikel ist der ständische Anteil an der Gesetzgebung seit 1806, nämlich Revision der seit 1806 erlassenen Verordnungen durch eine gemeinsame herr- und landschaftliche Deputation.
- Der König erinnerte die Stände an das Mittel, das sie hierfür in dem Petitionsrechte bereits haben.
- Außerdem aber kann man darin, daß jener Anteil bloß in bezug auf die seit 1806, wo die alten Landstände aufgehoben wurden, erlassenen Verordnungen gefordert wurde, nur entweder blindes Vorurteil für das frühere und blinde Animosität gegen das spätere vom König Ausgegangene oder wenigstens die Sucht, den Glauben an die Vortrefflichkeit von jenem und die Unzufriedenheit mit diesem zu zeigen, erblicken.
Ferner ist die Revision, als bloß durch eine Deputation königlicher Räte und ständischer Mitglieder zu geschehen
- wofür der beliebte Name herrschaftlich und landschaftlich wieder zum Vorschein kommt -,
sonderbarer- und unförmlicherweise in Antrag gebracht, während die Konkurrenz der ganzen Ständeversammlung zum Geschäfte der Gesetzgebung gehört; für die Vorarbeiten dabei, wie für alle anderen Vorarbeiten, hatte dieselbe die Macht, sie Komitees auf[zu]tragen.

Der sechste Artikel ist die Freizügigkeit im alten Sinne des Wortes.
- Der König gestand dieselbe, auch vor Ablauf eines Jahres nach der Willenserklärung eines solchen, der auswandern wolle,
wie früher bestimmt war, zu, auch selbst im Falle der Leibeigenschaft, ohne sich von derselben loskaufen zu müssen.
Aber da das Auswandern zugleich ein Verhältnis zu anderen Staaten betrifft, bestand er auf dem Grundsatze der Reziprozität in Ansehung der Nachsteuer.

Die ständischen Unterhandlungskommissarien hatten diese Artikel mit der peremtorischen Erklärung vorgelegt,
daß ohne vertragsmäßige Anerkennung derselben kein glückliches Resultat der Unterhandlungen zu hoffen und die Mitwirkung der Stände sogar in der gegenwärtigen Not schlechterdings unmöglich sei; daß sie daher bitten müssen, der König möge jetzt schon, und ehe weiter gehandelt werde, eine befriedigende Erklärung geben, und zwar nicht nur zur Beruhigung der Versammlung, sondern auch des in- und selbst des ausländischen Publikums.
- Der König, der selbst das Grelle, daß die Versammlung ihre Mitwirkung zu den damals erforderlichen Anstrengungen des Staats von der gleich jetzt, und ehe weiter gehandelt werde, zu geschehenden Unterwerfung des Königs unter ihren Willen abhängig machte, sowie eine solche Form der Unterhandlung, mit Vorlegung von unzusammenhängenden, unbestimmten, zum Teil dürftigen Präliminarartikeln zu beginnen, übersah und mit großer Nachgiebigkeit in Ansehung des Materiellen den Ständen entgegenging,
fügte übrigens hinzu, daß seine Entschließungen auf unabänderlichen Grundsätzen beruhen, daß auf dieselbe die Unterhandlung mit den landständischen Deputierten fortgesetzt und eine Übereinkunft zu bewirken versucht werden solle.

Die Stände setzten aber diese Unterhandlungen nicht fort. Ihre bisherige Art und Weise, bei der Forderung des bloß Formellen stehenzubleiben, konnte durch die wichtigen Konzessionen, welche sie vom Könige auf diesem Wege erlangt hatten, gerechtfertigt erscheinen, wenn sie sich nun in die Sache eingelassen hätten.
Wenn auch das Unterhandlungskomitee dabei noch hatte bleiben wollen, die königliche Verfassung zu ignorieren,
durch welche ein Teil seiner Artikel teils bereits erledigt, teils auch besser ausgeführt und entwickelt war,
so war es jetzt wohl Zeit, daß die Versammlung beratschlagte, das Spezielle sich zum Bewußtsein brachte und aussprach,
was sie annehmbar finde und was nicht.
Aus jenem hätten sich wenigstens Präliminarartikel, und zwar einer Übereinkunft, nicht einer Unterwerfung des Königs ergeben.
- Sowenig aber die sechs Artikel vorher, ehe man sie zur präliminären unbedingten Annahme vorlegte, einer Diskussion der Versammlung unterworfen wurden, ebensowenig geschah dies nach erfolgter königlicher Erklärung über jene Artikel und über den Inhalt dieser Erklärung. Dagegen verlasen drei oder vier Mitglieder wieder Aufsätze,
nämlich in der Gestalt von Projekten einer Antwort auf die königliche Resolution.
Die fixe Vorstellung des trockenen Wiederherstellungsprinzips der alten Verfassung begründete die Naivität, daß die Versammlung sich immer außerhalb der Sache befand und sich auch jetzt nicht mit dieser, sondern nur mit ihrer eigenen diplomatischen Art und Weise, wie geantwortet werden solle, zu schaffen machte.
- Herr Dr. Cotta hatte am 1. Mai im Komitee einen die Sache betreffenden Aufsatz, der besonders die Errichtung einer ständischen Kasse anging, dann vor die Versammlung gezogen wurde und einen Aufsatz des Herrn Dr. Weishaar (Sitzung vom 27. Mai, Abt. VI, S. 38) zur Folge hatte, vorgelesen; späterhin, am 23. Juni, ließ er einen anderen folgen, worin der Gedanke entwickelt wurde, daß eine solche Kasse, wie überhaupt das sonstige Gute der alten Verfassung, nicht auf die in die Regentenrechte eingreifenden Elemente ausgedehnt und jene Kasse vielmehr auf das eingeschränkt werden solle, was der Staatskredit und die Würde der Stände erlaube. Sosehr diese Gedanken, auf die er auch späterhin wieder zurückkam, sich zur gründlichen Beratschlagung vor einem Beschluß über die königliche Erklärung eigneten, so waren die Folgen nur diese, daß drei Wochen nachher und zugleich lange nach bewerkstelligter Antwort auf die königlichen Resolutionen Herr Amtsschreiber Bolley und wieder acht Tage später Herr Dr. Weishaar Aufsätze gegen die Ideen des Herrn Dr. Cotta vorlasen. Zu einer Abstimmung über die Sache selbst kam es gar nicht. - Von dem, was Herr Bolley, wie er es nannte, niedergeschrieben und dessen Vorlesen, wie das Protokoll (Abt. IX, S. 114) angibt, von der Versammlung mit lebhaftem Danke aufgenommen wurde, kann dies ausgehoben werden, daß er darin auf das bekannte Werk des Herrn Staatsministers von Wangenheim, Idee der Staatsverfassung, Rücksicht nahm und (IX. Abt., S. 124) ihm die Gerechtigkeit widerfahren läßt, "daß die Rechte des Volks, namentlich der Württemberger, an dem edlen Verfasser einen so warmen Verteidiger gefunden haben".
- Auch dies mag noch daraus angeführt werden, daß der Herr Verfasser in Beziehung auf eine landständische Disposition über die Steuerkasse versichert (ebenda S. 135), [daß,] "wenn hohe Staatszwecke in außerordentlichen Fällen die schnelle Beischaffung von Geldern fordern, die Stände, das Wichtigste im Auge habend, gewiß nie Anstand nehmen werden, den Landesherrn nach Kräften zu unterstützen".
- Dies Gewiß ist sehr naiv; in solcher Versicherung sollte die Garantie für den Staat liegen, daß es ihm nicht gefährlich sei,
zwei unabhängige Regierungsgewalten zu konstituieren. Dies Gewiß ist um so naiver, da sich fragen ließ, welcher Staatszweck wichtiger, welcher Fall außerordentlicher sein konnte als der Moment von Napoleons Wiedererscheinung in Frankreich?
Wie soeben, wenige Wochen ehe Herr Bolley seinen Aufsatz und diese seine Versicherung verlas, die württembergische Ständeversammlung ihren Landesherrn nach Kräften unterstützt und sich an die Sache Deutschlands und Europas angeschlossen hatte, haben wir gesehen.

Eine umfassendere Veranlassung, sich in die vorliegenden Artikel einzulassen, ward der Versammlung durch den schon einige Male angeführten, mutvollen, beredten, in Gedanken und Geist vortrefflichen Vortrag des Herrn Gleich aus Aalen vom 23. Juni.
Derselbe spricht es aus, daß es den Ständen nicht um die altwürttembergische, sondern um eine gute Verfassung, nicht um ein leeres formelles Recht, sondern um die Sache zu tun sein solle, und greift vernünftigerweise nicht einige unzusammenhängende Bruchstücke, sondern die wesentlichen Grundsätze auf, auf welche es ankomme.
Die Versammlung fand sich überrascht über einen ihren fixen Vorstellungen sowie ihrem ewigen Selbstlobe und dem Lobe aller Zeitungen so fremden Ton. Daß Herrn Gleich sein Mut von seiten der Versammlung schlecht bekommen, ist oben schon angeführt worden; diese Stimme ist in der Wüste verhallt und ihm durch ein halb Dutzend Aufsätze erwiesen worden, daß sein Antrag dahin ging, "sich auf die königliche Resolution einzulassen und die zum Teil akzeptablen Anerbietungen des Königs nicht gleichsam wegzuwerfen".
- Herr Gleich verschwindet aber von jetzt an aus der Versammlung, ohne daß über seinen Abgang eine Erläuterung aus den Protokollen hervorginge, und es erscheint späterhin ein anderer Repräsentant von Aalen. Es gehört dies aber überhaupt zu den Unförmlichkeiten der Versammlung, daß Mitglieder ihre Deputiertenstelle niederlegen und andere an ihrem Platze hervortreten, ohne daß erhellt, aus welcher förmlichen Bevollmächtigung das eine und das andere geschieht.
- In Ansehung des Herrn Gleich liest man nur nach Jahr und Tag in einer Sitzung die dunkle Äußerung eines Mitgliedes angeführt, welches einen anderen Deputierten, der von der Meinung der Majorität abwich, warnend an das Schicksal erinnerte, welches Herr Gleich gehabt habe.

Mit dem Antrag des Herrn Gleich verwarf die Versammlung die Stellung, zu der ihr die königlichen Resolutionen den Weg geöffnet, die Stellung einer Übereinkunft, die über sehr wesentliche Punkte vorhanden war, auszusprechen und damit eine feste Basis zu weiterer Unterhandlung zu legen. Sie diskutierte nicht die Materien selbst, noch welche der königlichen Entschließungen ihrem Inhalte nach annehmbar und welche es nicht wären, sondern nur dergleichen, welche Aufsätze sie ihrer Beantwortung beilegen, welchen Titel sie ihnen geben wolle, und solche Formalien, in einigen Sitzungen. Am 26. Juni, vier Wochen nach Empfang der königlichen Entschließung, hatte sie endlich ihre Erwiderung fertig (VIII. Abt., S. 58 ff.). Auch bestand diese nicht in einer Gegeninstruktion ihrer Unterhandlungsbevollmächtigten, sondern in einer Adresse an den König.
Die Versammlung fiel somit in den alten Weg ihres Libellierens zurück, der bisher zu nichts geführt hatte und an dessen Stelle deswegen der Weg mündlicher Unterhandlungen mit königlichen Kommissarien hatte treten sollen.

Die Adresse selbst ist, ohne die Nachgiebigkeit des Königs zu berühren, nur mit den Ausdrücken von gänzlicher Täuschung ihrer Hoffnungen, von ihrem namenlosen Schmerz und Bestürzung, von ihrer unmöglich gewissenhaften Überzeugung,
mit dem Selbstrühmen von ihrer Wahrheitsliebe, der jede unreine Triebfeder, jede selbstsüchtige Absicht fremd sei, von dem Zeugnisse ihres Gewissens vor Gott, vor dessen Richterstuhl sie einst werden gefordert werden, und dergleichen Pathos angefüllt.
In Ansehung der Sache war die Antwort ganz einfach und naiv diese,
daß die königliche Resolution sich mit dem Prinzip der Stände nicht vereinigen lasse.
Der pathetische Schluß der Adresse ist, daß sie den König bitten, ja beschwören, bei Gott, bei allem was heilig, was ehrwürdig ist, bei dem Glücke seiner eigenen Durchlauchtigsten Familie, daß er die Herstellung des früheren Rechtszustandes nicht länger verweigern möge. Herr Gleich hatte in seinen Vortrag kein dergleichen leeres Pathos eingemischt, aber desto mehr Vernunft darin entwickelt, die aber nicht die erwünschte Wirkung hervorbrachte; vielleicht wäre er mit jener Art von Pathos weitergekommen, doch höchstens hätte er nur etwa die Insinuation von unlauteren Absichten abgewendet.
- Sonst werden die gewöhnlichen Gründe aus dem positiven Staatsrecht und aus dem Vertragsverhältnis, insbesondere aber dem Könige dies zu Gemüte geführt, daß er selbst, wie die früheren Regenten, bei seinem Regierungsantritt die Aufrechthaltung der Verfassung feierlich gelobt und beschworen habe. Sie fügen hinzu, daß sie aufs gewissenhafteste untersucht haben, ob eine Veränderung eingetreten sei, welche nach Rechtsgrundsätzen diese Verpflichtungen aufheben konnte; sie konnten keinen solchen Rechtsgrund auffinden. Daß sie noch gründlicher hätten suchen müssen, dazu hätten sie sich müssen eben dadurch auffordern lassen, daß sie sich sonst in der Befugnis sahen, gegen ihren Fürsten die Anklage des Meineids gegen sein ganzes Volk zu erheben, - eine Befugnis und eine Handlung, vor der sie hätten zurückschaudern müssen.

Der Adresse wurde, außer zwei Aufsätzen, vornehmlich eine dritte Beilage angefügt, ein Aufsatz oder vielmehr ein Buch in kleinem Druck von 162 Seiten (VIII. Abt., S. 91-252), - nämlich die sogenannte Darstellung der Beschwerden des Landes.
An diesem Buche hatten die Mitglieder viele Wochen lang gearbeitet und von allen Seiten her alle Arten von Beschwerden zusammengeschleppt. Man muß es in den Verhandlungen selbst nachlesen, wie mit dieser Arbeit sich die Stände das wichtigste Werk getan, ihre heiligste Pflicht erfüllt, ihr ganzes Betragen gegen den König am unwidersprechlichsten gerechtfertigt zu haben schienen. Es ist, vollends in dieser Anzeige, unmöglich, sich auf den Inhalt dieses grellen Bildes von Druck und Klagen einzulassen. Außer der Untersuchung der faktischen Behauptungen könnte es nötig scheinen, zu unterscheiden, was reelle und was vermeintliche Beschwerden wären; denn man sieht beim ersten Überblicke, daß eine Menge der Klagen auf dem Urteile der Verfasser über die Nützlichkeit oder Schädlichkeit von Staatseinrichtungen beruht.
Alsdann wäre zu unterscheiden, was von dem Drucke der Abgaben, insofern er gegründet ist, der Regierung und was der Notwendigkeit und Ungunst der Zeiten zur Last fiele. Man hat wohl in allen deutschen Ländern, auch die vielfache Unvernunft des Beschwerens und Unzufriedenseins abgerechnet, diese Vermischung gesehen, dem Willen der Regierung zuzuschreiben,
was Folge der ungeheuren Verhältnisse und Begebenheiten seit 25 Jahren war.
Man sieht bei dieser Beschwerdesammlung in dieser Rücksicht ebenso, daß den Ständen die Kenntnis der Staatsbedürfnisse und der Lage der Staatskasse abging und daß die Klagen über die Auflagen ohne alle Vergleichung mit den Staatsbedürfnissen erhoben sind. In spezieller Rücksicht aber würde zu untersuchen sein, ob die Aufhebung der altwürttembergischen Verfassung der alleinige Grund der gegründeten Beschwerden sei, denn dies war der vornehmste Gedanke, der dadurch bewiesen werden oder vielmehr nicht bewiesen werden sollte, sondern der geradezu vorausgesetzt wurde; noch weniger ist ausgeführt, daß die königliche Verfassung mit den soeben zugegebenen weiteren Bestimmungen den Beschwerden nicht abzuhelfen fähig wäre,
ja daß sie vielmehr unter ihr fortbestehen müßten.
Dieser letztere Gesichtspunkt, an dessen Entwicklung gar nicht gedacht wird, wäre der alleinige Nerv der Remonstration gewesen, welche durch diese Beschwerdenmasse unterstützt werden sollte.

Solche Untersuchungen, die sich zunächst als gerecht zeigen könnten, werden aber überhaupt überflüssig, da dies so gewichtig geschienene Werk von Hause aus mit einem Grundmangel behaftet war und ohne wichtige Folgen bleiben mußte, ja sogar ohne solche bleiben sollte. - Hier mag darüber nur das Wenige bemerkt werden, daß die Landes-Gravamina, die Cahiers des doléances, ein bekannter Artikel in den Geschäften vormaliger Reichsstände gewesen sind. Ebenso bekannt ist, wie wenig von je damit ausgerichtet worden, wie jeder Landtag oder Reichstag die vorhergehende Beschwerdenmasse meist noch unerledigt vorfand und sie mit neuem Stoffe weiter anzuschwellen suchte, so daß diese Moles selbst und die fest gewordene Gewohnheit einerseits der Landstände oder Parlamente, sich in solcher weitläufigen, alles Mögliche herbeiziehenden Ausführung von Klagen und Beschwerden nach Pflicht und Gewissen zu ergehen, und andererseits die Gewohnheit der Regierungen, zu den Verwilligungen ihrer Stände auch noch eine solche Moles überschickt zu erhalten, beide Teile so dagegen abgestumpft und abgehärtet hat, daß das Aufsetzen und Empfangen dieser Schriftmassen zur Bedeutung einer Formalität heruntersank. Referent erinnert sich, irgendwo angeführt gelesen zu haben, daß, als den Kommissarien des Herzogs Karl von Württemberg von dem Reichshofrat in Wien, im Lauf der Prozeßverhandlungen daselbst zwischen ihm und seinen Landständen im Jahre 1768, die Beschwerdesammlung der letzteren insinuiert wurde, jene Kommissarien ungefähr erwiderten, daß der Reichshofrat sich über eine solche Masse nicht verwundern solle, indem seit mehreren hundert Jahren die Verfasser der Gravaminum mit ihren Vorgängern darin wetteiferten, sie in der Beschreibung zu übertreffen und zu überbieten, und, wenn man solchem Ausmalen Glauben beimessen wollte, das Land schon seit länger als hundert Jahren gänzlich hätte ruiniert sein müssen.

Die württembergische Ständeversammlung, der ein ganz anderer Weg, der Weg nicht bloß zu gravaminieren, sondern an Wegschaffung der Mängel zu arbeiten, durch die königliche Verfassung eröffnet war, zog es vor, da sie in ihr Rechtsprinzip altkonstitutioneller Verfahrungsweise festgerannt war, bloß den geweisten Weg, die alte Heerstraße zu betreten und die Masse von Querelen zusammenzutragen. Denn sie hätte es ihrem Gewissen entgegengehalten, selbst zur Abhilfe beizutragen, weil sie durch eine werktätige Arbeit faktisch die königliche Verfassung anzuerkennen geglaubt hätte. Es ist auch eine leichtere Arbeit, eine solche Beschwerdenmasse zusammenzuschleppen, als die konstitutionellen und legislatorischen Dispositionen auszudenken und auszuarbeiten, wodurch allein dem gründlich abgeholfen wird, dem abgeholfen werden kann; es ist leichter, sich auf die erstere Weise nur zu einem hohlen Gefühle der Pflichterfüllung und falscher Gewissensbefriedigung aufzuspreizen, als 4/555 sich auf die zweite Art ein mühsameres, aber zugleich bescheideneres und reelleres Verdienst zu erwerben. Ein Druck wie der, der durch übermäßiges Hegen des Wilds und die Jagden entstanden und der hart genug gewesen zu sein scheint, ist wohl dazu qualifiziert, mit bloßem Beschweren abgetan zu werden; denn zur Abhilfe bedarf es weiter nichts als eines königlichen Befehls, das Wild vor den Kopf zu schießen; - und es erhellt aus den Verhandlungen, daß der König auf die ersten Vorstellungen der Stände darüber noch im März (II. Abt., S. 57) diesem Übel, "als dessen Erledigung zunächst von ihm abhing", zu steuern Befehle erteilt hatte; als die Stände späterhin Zweifel über die genügsame Wirksamkeit derselben hatten, erneuerten sie mit Recht ihre Vorstellungen. Indem sie aber auch alles andere, was ihnen in der Staatseinrichtung und Staatshaushaltung unrecht und schädlich schien, in einer Linie mit jenen Übeln hererzählten, und es gleichfalls beim Klagen und Beschweren bewenden ließen, so sah es aus, als ob sie sich die Abhilfe dieser Übel auch so vorstellten, daß der König nur Befehl zu geben brauche, sie wegzuschießen.

Alles Verdienst kann nun etwa jenem Zusammenbringen von Gebrechen und Übelständen nicht abgesprochen werden; es macht aber nur den Mangel des zweiten Verdienstes, durch überlegte Vorschläge zu abhelfenden Gesetzen wirklich zur Abhilfe beizutragen, um so auffallender. Allein in einer vorberatenden Sitzung über die erwähnten Aufsätze - vom 26. Juni (Abt. VIII, S. 8) - wird gar die saubere Bedenklichkeit vorgetragen, daß sich das Ministerium auf den Beschwerdenaufsatz einlassen möchte, - es möchte nämlich von der Hauptsache, d. i. der Herstellung der altwürttembergischen Verfassung, auf jenen ablenken. Herr Graf von Waldek hatte deswegen mit diesem Zweifel zugleich auf eine Wendung in der Adresse angetragen, wodurch man sich gegen das Einlassen sichern könne. Diese Wendung und Verwahrung gab dann Herr Bolley an, darin folgendermaßen angebracht zu haben, "daß die Stände sich durch Unterhandlungen 4/556 über einzelne Beschwerden in Erreichung ihres höheren Zwecks, ihrer einzigen Sorge, nicht werden stören lassen, aber doch noch durch Vorlegung der Beschwerden eine heilige Pflicht zu erfüllen haben". - Sollte es durch Unterhandlungen sein, daß die Beschwerden behandelt werden sollten, so gaben diese freilich Stoff für jahrelange oder vielmehr für endlose Unterhandlungen, da kein Reichshofrat mehr für deren Beendigung vorhanden war. Aber wollten die Stände sich weder auf legislative Arbeiten noch auf sogenannte Unterhandlungen, also überhaupt nicht einlassen, wozu jener Ballast von Beschwerden? - Sollte es dem Ministerium hiermit überlassen bleiben, ihnen auf seine Weise abzuhelfen? - In der Tat diente dieser Ballast zu weiter nichts, als daß die Stände, wie sie es nennen, eine heilige Pflicht erfüllt hatten; die heiligere, aber freilich saurere Pflicht, durch legislative Arbeiten die Einleitung einer Abhilfe zu machen, kam nicht zur Sprache. Der König erteilte den 21. Juli (X. Abt., S. 14) den einzig möglichen Bescheid, daß er durch die Vorträge seiner Ministerien in den Stand gesetzt werden müsse, über die vorgetragenen Beschwerden seine Entscheidung zu geben.

Unter der Menge von Beschwerden aber betrifft eine im Vorbeigehen das, was der Schreiberei-Unfug genannt wurde. Durch die nicht zu ermüdenden Erinnerungen des Herrn von Forstner ist dieser Gegenstand "aus der melancholischen Litanei der Beschwerden" herausgehoben und zu einer ausführlicheren Beleuchtung gebracht worden, welche das Publikum mit einem Württemberg ganz eigentümlichen Institut, dem Schreiberei-lnstitut, bekanntmacht und einen Zustand von rechtlicher und moralischer wie von intellektueller Versumpfung auftut, der unter anderem über ein wichtiges Moment, das Interesse für das gute alte Recht, Aufschluß gibt und um seines weitgreifenden Einflusses willen näher zu betrachten ist.

Bereits am 15. Mai trug Herr von Forstner den Einfluß, den 4/557 die sogenannten Schreiber auf die Staatsverwaltung haben, als eine allgemeine Landplage vor, und zwar sprach er es aus, daß die ehemalige württembergische ständische Verfassung es ist, in deren Innerstem dies Übel festgewurzelt sei, welche den Schreibern "ein weites Feld der Willkür Bedrückung und Beutelschneiderei einräume" (Abt. V, S. 58). Es wurde nun ein Komitee niedergesetzt zur Verfassung eines Gutachtens mit Vorschlägen zur Verbesserung des Instituts. Als im Verlauf von sechs Wochen dieser Gegenstand nicht zur Sprache kam, wiederholte Herr von Forstner am 28. Juni seine Motion; er bemerkte dabei, daß, wenn auch manchem achtungswerten Prinzipal von Schreibern der Unfug ein Greuel sei, ein solcher ihn nicht verhindern und nur im Stillen eine Reform wünschen könne, weil er es nicht wage, das Heiligtum der alten Verfassung anzutasten, wissend, daß dies Übel tief in ihr gegründet und aufs innigste mit ihr verwebt ist. Er fügt hinzu, daß der Württemberger sich nie (d. h. auch nach Herstellung der alten Verfassung, - im Gegenteil) in seinem Schicksal erleichtert fühlen werde, solange dies Übel nicht beseitigt ist; daß dieses unerträglich und mehr als zureichend ist, den gemeinen Mann zur Verzweiflung zu bringen. Er führt als Tatsache und aus unverwerflichen Zeugnissen an, daß dieses Übel zu allen Zeiten die so häufigen Auswanderungen der Altwürttemberger ins Ausland bewirkt hat - Auswanderungen, die sowohl im größten Flor der ehemaligen ständischen Verfassung als zur Regierungszeit der verschiedensten württembergischen Regenten stattgehabt haben. Was konnte [sie], ruft er ferner aus, anders dazu bewegen als die Verfassung? Was sprach sich in derselben so unerträglich aus? Was brachte sie bei dieser Verfassung in Verzweiflung? Nichts anderes als der Druck des Schreiberstandes. Und die Verfassung war es, welche diesen Stand berechtigte, den Untertan zu drangsalieren usf. - Er führt bei fernerer Erneuerung seiner Motion (Abt. XVI, S. 84) aus dem Gutachten eines vormaligen württembergischen Regierungspräsidenten von Gemmingen 4/558 eine Stelle an, worin es heißt, daß "Württemberg den traurigen Vorzug vor anderen Ländern habe, eine eigene Rasse von Menschen zu nähren, die man im übrigen Deutschland seit Dr. Fausts Zeiten nicht mehr kenne, - die Schreiber. Dies Geschlecht ist", wird fortgefahren, "dem arbeitsamen Teile des Volks um so lästiger, als es gleich unverschämt und niederträchtig ist, bei einer günstigen Gelegenheit auf die ersten Ämter des Staats Ansprüche zu machen oder, bei einer ungünstigen, der letzten Klasse des Volks seine Nahrung zu entziehen, in allen Fällen immer von fremder Arbeit zu leben". - In einer höchst merkwürdigen, detaillierten Eingabe des Oberamts Horb (XIX. Abt., S. 26 ff.) liest man, daß, was jährlich an Schreibereiverdiensten bezogen werde, im Durchschnitte mehr als eine, ja in weiteren aktenmäßigen Angaben liest man, daß es sechs bis sieben Jahressteuern betrage.

Eine solche Darstellung war nun freilich sehr kontrastierend mit dem Tone der Versammlung, immer von dem dreihundertjährigen Glücke Württembergs unter und durch seine ehemalige ständische Versammlung zu sprechen, und mit der Versicherung, ihre Wiederherstellung sei die ganz simple Abhilfe der soeben zusammengebrachten Beschwerden, deren Gesamtmasse vielmehr von dieser einzigen Landplage überwogen zu werden scheinen muß. Noch mehr kontrastierend kann man jene Darstellung mit dem Eifer der Versammlung für das alte Recht finden, von deren Mitgliedern ein Teil selbst, und darunter von den Koryphäen, wie Herr Bolley, Prinzipale in der Schreibdynastie waren, die meisten anderen Deputierten aber überhaupt nach ihrem Stande Brüder, Söhne oder sonst Verwandte in dieser Klasse oder für ihre Söhne und Verwandte das Recht auf die Teilhaftigkeit an den Vorteilen dieser "Landplage" haben konnten. Die Versammlung war jedoch in diesen Gegenstand eingegangen und hatte dafür ein Komitee, wie angegeben, ernannt. Wundern wird man sich aber oder, wenn man will, wird man sich nicht, wenn man die Saumseligkeit sieht, mit welcher 4/559 dieser Gegenstand behandelt wurde. Auch auf die zweite Motion des Herrn von Forstner erfolgte nur eine Aufforderung an das Komitee zur Beschleunigung seiner Arbeit. Nach der auf die Vertagung am 27. Juli wieder erfolgten Zusammenkunft der Versammlung am 16. Oktober verlautete nichts weiter von dieser Sache; Herr von Forstner ließ nicht ab, am 5. Dezember den Gegenstand wieder zu erwecken; andere neuwürttembergische Deputierte schlossen ihre Stimmen an.

Wenn eine Eingabe von zwei Amtsschreibern, gegen deren einen gleich nachher sehr dringende Klagen (Abt. XIX, S. 27) einkommen, die Versammlung um eine Verbesserung der Versorgung dieses Standes bittet, als welcher, wie sie versichern, durch seine Einrichtung schon seit Jahrhunderten den wohltätigsten Einfluß auf den Staat und seine Glieder vor anderen Ländern gehabt habe (Abt. XVIII, S. 27), - so besagten dagegen andere immer mehr einkommende Petitionen, von denen viele ungedruckt blieben, und zwar als die allgemeine Stimme von Neuwürttemberg (Abt. XVIII, S. 95 ff.), daß, wenn von Landesbeschwerden und Bedrückungen die Rede sei, dieses Übel zuvörderst genannt werden müsse, - sie fügten dazu die Belege, welche dies sattsam erhärteten, "daß die Versammlung auf Einrichtungen bedacht sein möge, wodurch der Schreiberstand nicht mehr nötig habe, Tag und Nacht darauf zu sinnen, den Bürger zu brandschatzen und sein Aufkommen auf den Untergang des Untertans zu gründen". In allen diesen Eingaben sind die grellsten Fakta angeführt und die stärksten Ausdrücke gegen diese Unterdrückung gebraucht.

Um die Zeit, als diese Bitten um Hilfe gegen dieses Aussaugen, Prellen und Brandschatzen einliefen, war die Betreibung von Remonstrationen gegen ein königliches Steuerexekutionsreskript von der Mitte Januars 1816 wegen der Jahressteuer von 1815/16 eine Hauptbeschäftigung der Ständeversammlung. Die Klagen über die unerträgliche, zur Verzweiflung treibende Landplage und Brandschatzung durch 4/560 die Schreiberei und der Eifer der Landstände um eine Milderung der Abgaben an den Staat gehen einander parallel; so daß die Zusammenstellung herauskommt, als ob die Beitreibung der Steuern für den Staatszweck ein Hindernis für die Schreiberei würde, die Jahressteuern, welche sie den Untertanen auflegte, einzutreiben.

Am 24. April 1816, als seit bald einem Jahre noch immer nichts in dieser Sache geschehen war, erneuerte Herr von Forstner bei der Versammlung abermals in einem (nicht abgedruckten) Aufsatze seine Erinnerung daran. Endlich, nach mehr als einem Jahre (in dem die Versammlung zur Zusammenschleppung ihrer auf alle Zweige des Staatsdienstes sich erstreckenden Beschwerden nur etliche Wochen gebraucht hatte) ist denn die eigentliche Relation des für den Schreiberunfug niedergesetzten Komitees und des damit beauftragten Referenten, in welcher die Zusammenstellung dieser Beschwerden verheißen worden war, gar nicht zustande und zum Vorschein gekommen (XXII. Abt., S. 7, XXV. Abt. Anh., S. 54). Was erschienen ist, ist eine Begutachtung des Konsulenten Griesinger, welche als Anhang der 25. Abteilung auf 192 Seiten besonders abgedruckt ist. Diese ist vom 11. Juni an in mehreren Sitzungen stückweise nach Gelegenheit bis zum 15. Juli fort vorgelesen worden. Alsdann außer einer Bemerkung des Herrn Dr. Weishaar am 6. August gegen eine in der vorhergehenden Sitzung gemachte Motion, um eine Reform des Schreiberwesens wirklich vorzunehmen, von welcher Motion man aber im Protokoll von der vorherigen Sitzung nichts findet, und [außer] einigen sonstigen ganz einzelnen Bemerkungen ist von der Versammlung bis nahe vor ihrem Schlusse in dieser wichtigen Angelegenheit nichts mehr geschehen.

Das weitläufige Gutachten des Herrn Konsulenten Griesinger gibt gleich anfangs an, daß der Herr Verfasser sich enthalte, das traurige Gemälde aller "der schreienden und beinahe unglaublichen Tatsachen zu entwerfen, die sich in den bei den Ständen eingegangenen Petitionen und Aufsätzen 4/561 über das Schreiberei-Institut aufgehäuft haben, weil ein anderes Mitglied diese Arbeit übernommen habe" - eine Arbeit, die, wie gesagt, nicht an das Tageslicht gebracht worden ist. Aber jenes Gutachten, nebst den wenigen abgedruckten Petitionen, enthält immer noch genug, daß daraus die in der Tat "außerordentliche und fast unglaubliche" Natur dieses so berühmten württembergischen Instituts und sein Verhältnis zur ständischen Verfassung näher hervorgehen kann. Indem der Herr Verfasser zuerst geschichtlich zu Werke geht, kommt er beim Amte der Gerichtsschreiber weil es sehr alt ist, auf die alten württembergischen Gerichte zu reden und seine Ansicht und Beurteilung derselben zu geben, von der sich Referent nicht enthalten kann, einiges zuvörderst auszuheben, ehe er an die Schreiberei selbst kommt. Der Herr Verfasser führt aus Kanzler Nauclers131) , der zu Ende des 15. Jahrhunderts lebte, Chronogr. gener. folgendes über die Verfassung dieser Gerichte an:

"In singulis urbibus, oppidis et villis duodecim viri, vitae integritate ac honestate praecipui, eliguntur in iudices, nullo habito respectu, an sciant literas, nec non, qui munus iudicum necessario subeunt, licet remunerationem seu mercedem nullam habeant, propter honorem. Sed pro bono communi, suis posthabitis negotiis, statutis diebus iudiciis intendunt, iurantque singuli, se facturos secundum quod eis visum fuerit iustius ac melius, et praesente magistratu loci causas audiunt, partibusque ad satietatem auditis sententiam dicunt, non ut leges censent (nämlich wie es vorher heißt -leges imperatorum), quorum nullam notitiam habent, sed prouti ratio et consuetudo iudiciorum dictat."132) - Enthält 4/562 aber ratio und consuetudo iudiciorum, das Gewohnheitsrecht, die coutumes, keine Gesetze? - Die Einführung der ausländischen Rechte führte auch gelehrte Konsulenten bei den Gerichten ein, und diese Gewohnheit vollends brachte jene aus ebenbürtigen Männern von ausgezeichneter Rechtschaffenheit, die nicht für Geld, sondern für die Ehre Recht sprachen, bestehenden Gerichte zu der Nullität herunter, welche ihr Aufheben zuletzt sogar für notwendig erblicken ließ.

Jene schöne Darstellung Nauclers nennt aber der Herr Verfasser eine mit den lebhaftesten Farben gemachte Schilderung der Unwissenheit der damaligen württembergischen Gerichte und fährt aus sich fort: "In Gerichten, wo Richter saßen, wie soeben beschrieben worden, denen dann auch die vielen (viele gewiß!) vernünftigen Ausdehnungen und Einschränkungen der Gesetze ganz unbekannt waren, deren Menge heutzutage alle Nicht-Juristen" (wie es noch die Mitglieder der Geschwornengerichte in England und Frankreich sind, - einer Institution, die in diesen Ländern als das Palladium der Freiheit betrachtet wird) "außerstand setzt, verworrene Rechtshändel zu entscheiden - in solchen Gerichten konnte das Hauptgeschäft der Gerichtsschreiber nur bestehen im Niederschreiben der törichten und abgeschmackten Urteile unwissender Richter eines barbarischen Zeitalters." - Man sieht, daß von solchen Ansichten eines juristischen Mitglieds einer deutschen Ständeversammlung die Wiedererweckung herrlicher deutscher Altertümlichkeit, echt nationaler Institute, nicht zu erwarten ist.

Der Triumph des neuen Rechts, "der neuen und mutigen Ulpiane und die Niederlagen der württembergischen Richter" 4/563 sind S. 31 noch weiter ausgeführt: "Das alte deutsche Recht und die alten deutschen Gewohnheiten lassen sich natürlich", heißt es, "mit dem römischen Recht in keine Vergleichung setzen; die Albernheit roher und ungebildeter Köpfe eines finsteren Zeitalters muß neben der Weisheit der größten und erhabensten Rechtsgelehrten des alten Roms und der ganzen Welt einen sonderbaren Kontrast bilden, ja ganz und gar lächerlich und verächtlich werden" usf. Ist dies der Geist deutscher Volkstümlichkeit, den wir in solchem Tone geehrt und lebendig sehen? Mit Hohn wird ferner angeführt, daß der Landtag vom Jahre 1515 sowie mehrere folgende bittere Beschwerden geführt über die Gelehrten, die merklich bei allen Gerichten, durch das ganze Land, mit ihren Handlungen einbrechen, so daß jetzt einer, dem Rechtens not tue, mit zehn Gulden nicht davonkomme, der vielleicht vor zwölf Jahren mit zehn Schillingen die Sache gar gerichtet hätte, und wenn hier kein Einsehen geschehe, so müsse man in jegliches Dorf mit der Zeit einen oder zwei Doktoren setzen, welche Recht sprechen. Vergebliche Beschwerden, denn "der Tod sei einmal den alten deutschen Gewohnheiten geschworen gewesen". Ein oder zwei Doktoren sind zwar nicht in jedes württembergische Dorf gekommen, aber dafür die Schreiber; und es würde unnütz sein, zu untersuchen, ob bei diesen gleichfalls nicht alten deutschen Gewohnheiten die Bürger gewonnen haben.

Diese Schreiber nun, um die es hier eigentlich zu tun ist, definiert Herr Konsulent Griesinger als juristische und kameralistische Praktiker und setzt das Eigentümliche der württembergischen Schreiber darin, daß sie solche bloß unstudierte Praktiker seien. Daß dies aber in anderen Ländern, nämlich bis zu einem gewissen Umfange, derselbe Fall ist, ist eine bekannte und natürliche Sache, da zu einem großen Teile der Schreibereifunktionen eine Universitätsbildung wenigstens etwas Überflüssiges ist. Das Eigentümliche des württembergischen Schreiberei-Instituts zeigt sich aber nach diesem Gutachten und den Petitionen in etwas ganz anderem 4/564 zu liegen. Es geht daraus nämlich hervor, daß für jeden Amtsbezirk ein Stadt- oder Amtsschreiber vorhanden ist (für die größeren Städte nämlich auch ein besonderer Stadtschreiber und dann für den übrigen Bezirk, der das Amt heißt, wieder ein besonderer Amtsschreiber), welcher das Monopol hat, alles, was in diesem Bezirk Gerichtliches und Amtliches zu rechnen und zu schreiben ist, schreiben zu lassen. - Daß Oberamteien, nämlich die Justiz- und Polizeiämter, die Kameralverwaltungen, Forstämter, gleichfalls Schreiber als Gehilfen hatten, ist ein für ihre Geschäfte auch in anderen Ländern notwendiger Umstand. In dieser Rücksicht kann nur dies als Württemberg eigentümlich angesehen werden, daß unter solchen Gehilfen keine aus der Klasse studierter Juristen, Kameralisten oder Forstmänner genommene sich befinden, sondern alle Gehilfen sich nur durch die Routine bilden und nicht dazu bestimmt sind, selbst dereinst ein Amt, in dessen Geschäften sie arbeiten, zu bekleiden. In den Besitz der Forstämter ist längst der Adel gesetzt worden; der bürgerliche Gehilfe ist dadurch schon von der Fähigkeit ausgeschlossen, zu einem solchen Amte zu aspirieren. In Ansehung der studierten Juristen ist es nicht der Fall, daß ihnen zur Bedingung, um in einem Amte angestellt werden zu können, gemacht ist, sich nach Vollendung der Universitätsstudien die praktische Geschicklichkeit hierzu durch eine Praxis von einem oder etlichen Jahren bei einem Beamten zu erwerben, welche Vorbereitung in anderen Staaten ein gesetzliches Erfordernis ist. Es ist im Gutachten mehrfach davon die Rede, daß die studierten Juristen sich viel zu vornehm dünken, als Gehilfen bei einem Beamten einzutreten.

Eine bei der Ständeversammlung eingegebene Petition der Stadt Urach enthält die Beschwerde, daß der - übermäßig große - Bezirk des dort ehemals seinen Sitz habenden Oberamts verringert worden; unter anderen ist der saubere Gedanke geäußert, daß die ehemaligen vielen kleineren Oberämter den Nutzen gehabt, den in Geschäften unerfahrenen 4/565 studierten Juristen zur Vorbereitungsbildung zu dienen, - für was? für die Versehung ausgedehnterer Oberamtsbezirke! Als ob der Unterschied nicht bloß die Quantität der Geschäfte beträfe; der Qualität nach sind sie dieselben. Die den kleineren Amtsbezirken angehörigen Bürger wären nach jenem Einfall nur darum die animae viles an denen der unerfahrene Angestellte sich zum Beamten bilden sollte, weil sie zu einem geographisch kleineren Bezirke gehören. - Weil nun auch diejenige juridische Praxis, welche anderwärts von studierten Juristen zu ihrer Vorbereitungsbildung für ein Amt unter Aufsicht und Anleitung eines wirklichen Beamten versehen wird, ganz den Schreibern anheimfällt, so erhellt die Wichtigkeit der letzteren sowohl im Verhältnisse zu einem unerfahrenen Vorgesetzten als auch für sich, indem der studierte Vorgesetzte eines Amtes von 20 000 und mehr Seelen, der auch die Polizeigewalt und Zweige der administrativen Gewalt mit gerichtlicher in sich vereinigte, nur Schreiber zu Gehilfen hat.

Die Hauptpartie im Gemälde des Institutes oder Unfugs (denn der Schreiberei-Unfug erscheint in den Vorträgen und Petitionen gleichsam als ein technischer und anerkannter Ausdruck für das Schreiberei-Institut) ist aber jenes Monopol, das den Stadt- und Amtsschreibern zugeteilt ist. Ferner um dasselbe zu exerzieren, halten sie nach Bedarf 10, 20 Schreibsubjekte, welche sie teils bei sich im Mittelpunkt behalten, teils in die Flecken und Dörfer ausschicken, um zu schreiben. Ein Detail der Geschäfte, die sie zu schreiben haben, muß im Gutachten selbst nachgelesen werden. Außer den Geschäften der Steuerrepartition, des Schreibens von Steuerzetteln, Steuerempfangbüchern, der Bestimmung des steuerbaren Vermögens jedes einzelnen Bürgers, der Bemerkung der Veränderungen durch Verkauf der Häuser, Güter, Heiraten usf., dann ebenso der Repartition der Kommunialausgaben des sogenannten Stadt- und Amtsschadens133) sind 4/566 vornehmlich zweierlei Gegenstände auszuzeichnen, in denen der Druck und Unfug der Schreiberei seinen vornehmsten Sitz zu haben scheint. Erstens haben sie die Akte der nicht streitigen Gerichtsbarkeit, Verträge, Heiratspakte, insbesondere die Testamente, Zubringensinventare, d. i. des Vermögens eines neuen Ehepaars, Verlassenschafts-Gantinventare, Erbschaftsteilungen u. dgl. zu fertigen. Über die letzteren Gegenstände heißt es z. B. am angeführten Orte S. 65: Bei fast allen Erbschaftsteilungen findet sich nicht so vieles Geld, als die Schreibgebühren betragen; es wird also das beste Stück Gut, um bares Geld zu bekommen, öffentlich verkauft; bei Neuverheirateten geht es nicht besser: entweder zehren die Inventurkosten ihr weniges im ledigen Stande sauer erspartes Geld auf, oder sie müssen schon zum Anfange Schulden machen oder ein Stück Gut verkaufen usf., und als die Folge von solchen Prozeduren wird die allgemeine Verarmung der unteren Volksklasse angegeben. Ein unverheiratetes Ehepaar z. B. kann also das Inventar, das nach den dasigen Gesetzen aufzunehmen ist, nicht selbst aufsetzen oder beliebig, von wem es sei, schreiben und dann gerichtlich bestätigen lassen, sondern der Schreibmonopolist nur kann dies verrichten; und mit welcher Weitläufigkeit und Kosten er überhaupt seine Arbeiten ausfertigt, davon wird sogleich die Rede sein. - Einstimmig sind in den Petitionen und sonstigen Angaben die Klagen sowohl über die Natur der gesetzlichen Dispositionen selbst, welche eine endlose Schreiberei und unsägliche Kosten nach sich ziehen, als über die Prellereien und den Unfug, der das gesetzlich Erlaubte verdoppelt, verzehnfacht. - Die andere weiter bemerkenswerte Beschäftigung der Schreiber ist die Fertigung der Bürgermeister-, d. i. der Kommun- und anderer hierher gehöriger Rechnungen, alsdann der Armenkassen-, Heiligen-, Almosen-, Spital- und Pflegrechnungen, überhaupt der Rechnungen über die Armen- und Kirchenfonds, - außerdem daß sie auch die Probation, Revision der Kommun- und Vormundschaftsrechnungen haben. - Hierbei kommt nun 4/567 der ganz eigentümliche Umstand zum Vorschein, daß jene Bürgermeister und Administratoren von sonstigem Gemeindevermögen, Armenfonds usf. die Rechnungen über die Verwaltung ihrer Kassen nicht selbst stellen oder privatim für dieses Geschäft zu sorgen haben, sondern dasselbe aus der Schreibfabrik des Amtsschreibers müssen verfertigen lassen. Die Kosten werden der Gemeinde aufgerechnet, und hier ist der Name Amtsschaden, unter den sie gehören, wohl ganz passend.

Was vorerst die Seite dieser Kosten betrifft, die den Gemeinden dadurch erwachsen, so sind grelle Beispiele davon angeführt, z. B. daß die Fertigung der Rechnung einer neuwürttembergischen Gemeinde, wovon die Kosten früher 1 Fl. 30 Kr. machten, nun durch die neueingeführte altwürttembergische Schreibereimethode sich auf 50 Fl. erhöhte; einem Weiler, der wegen Mangels an Revenuen früher keiner Rechnung bedurfte, wußte die Kunst doch jetzt eine zu machen, die sich auf 56 Fl. 20 Kr. belief (Abt. XVIII, S. 99 f.). Diese und eine Menge anderer Beispiele wären lustig zu lesen, wenn sie nicht zugleich zu unerhörte, zu infame Prellereien wären; nur noch ein Fall: Die Kommunrechnungsakten von einem Orte Mögglingen wurden vom Stadtschreiber einer Reihe von Schreibern nacheinander zur Fertigung gegeben; diesen zusammen, deren keiner ein Wort an der Rechnung geschrieben hat, mußte die Kommune für Aktenlesen und Einstudieren den Betrag von 900 Fl., sage neunhundert Gulden, bezahlen; der eine ging dahin, der andere dorthin weiter; soviel kostete die Rechnung, ehe eine Zeile an ihr geschrieben war, und dem, der sie zuletzt wirklich machte, mußte seine Mühe freilich mit Recht wieder fürs Ganze bezahlt werden.

Eine der auffallendsten Klagen unter den von der Ständeversammlung zusammengestellten Landesbeschwerden macht die zum Teil so beträchtliche Vergrößerung der Administrationskosten des Vermögens der Gemeinden, der Armenfonds usf.; sie schreibt alles Übel dem Aufheben der alten 4/568 Verfassung zu. Aus den Angaben, die sich über das Schreiberei-Institut ergeben, erhellt, daß diese Klagen besonders in den neu hinzugekommenen Landesteilen erhoben worden sind, und auch die abgedruckten detaillierten Gemeinderechnungen zeigen, daß gerade die Einführung dieses altwürttembergischen Unfugs es ist, welche eine enorme Vergrößerung der Administrationskosten herbeiführte. Es könnte noch vieles angeführt werden, von den unerlaubten Anrechnungen, der Weitläufigkeit der Rechnungen (unter anderem werden z. B. in den in duplo oder triplo zu fertigenden Kommunarmenfonds- und anderen dergleichen Rechnungen selbst die Zettel der Handwerksleute wieder in extenso, und zwar auch in duplo und triplo inseriert) u. dgl. - Mit dieser Praktik, sowohl auf rechtmäßige als unrechtmäßige Weise die Bürger auszusaugen, hängt alsdann das grelle Gemälde zusammen, das von den Sitten dieses Standes, der Unwissenheit, Roheit, Plumpheit, Arroganz usf. desselben gemacht wird; Abt. XVIII, S. 9 ff. Es heißt S. 40 ebendaselbst, "daß dieser Stand zu keiner Zeit in Württemberg geachtet worden sei; in der Hochachtung, die man von Zeit zu Zeit mit so vielem Rechte einzelnen Individuen desselben erzeigte, lag stillschweigend die Geringschätzung des Standes im ganzen, weil ausgezeichnete Schreiber stets eine große Seltenheit waren". Die grellen Farben, die man übrigens gleich in dem ersten Kapitel dieses Gutachtens liest, sind nicht sowohl von dem Verfasser gerieben, sondern nur ein Zusammentrag aus den Schriften, welche über jenen Stand von anderen, älteren und neueren Schriftstellern erschienen sind und ein einstimmiges Zeugnis geben; - sogar sind darunter einige Verfasser, die diesem Stande selbst angehörten und ihn am besten kennen mußten. Man kann nicht wohl etwas Härteres von einer Menschenklasse sagen, als diese Schilderungen enthalten.

Eingreifender aber noch als alles dieses ist der Umstand, daß an den Prinzipal, den Stadt- und Amtsschreiber, dieselbe Summe, welche seine ausgeschickten Schreiber für ihre 4/569 Arbeiten nach ihren Aufrechnungen verdienen oder erpressen, bezahlt werden muß. Hiermit tritt also nun eine eigentümliche Art von Verhältnis ein. Nicht nur hat der Prinzipal das Monopol des Schreibens in seinem Bezirk, sondern an ihn, welcher der Aufseher über die Handlungen seiner Untergebenen sein soll, muß nicht für eine seinerseits geleistete Arbeit, sondern gleichsam als an den Dynasten wieder ebendasselbe entrichtet werden, was seine Schreiber für sich erarbeiten und über dessen Übertreibung schon so sehr Klage geführt wird. Diese Abgabe an den Stadt- oder Amtsschreiber ist unabhängig von den herrschaftlichen Taxen, die noch auf solche Schriften gelegt sind, und fällt in seine Privatkasse. Es heißt hierüber mit Recht S. 137 am angeführten Ort: "Daß die Schreiber immer die Geldmacher der Stadt- und Amtsschreiber sind, daß diese bei jeder illegalen und übertriebenen Anrechnung und Weitläufigkeit ihrer Untergebenen immer nur gewinnen, - schlechter als diese Einrichtung läßt sich nichts ersinnen." - Der Gedanke eines Dynasten- oder Lehensverhältnisses, nach welchem der Stadt- und Amtsschreiber von den Bürgern, gleichsam als von Untertanen oder Schreibholden, wie man sie nennen könnte, Gefälle erhebt, erscheint völlig ausgebildet in dem Fall, der Abt. XVIII, S. 57 angeführt wird. Ein Amtsschreiber rechnete im verflossenen Jahre einem Pächter, der einen verstorbenen Bruder, einen katholischen Pfarrer, zu beerben und Dispensation von der Inventur und Teilung erhalten hatte, die Summe von 200 Fl. an, weil er durch die Dispensation um seine Teilungsgebühren nicht kommen könne. Es ist daselbst weiter angeführt, daß der Erbe auch die Summe wirklich bezahlte und der Amtsschreiber sie einstrich, ohne eine Feder angesetzt zu haben, und es ist ferner nicht bemerkt, daß diese Erpressung Wiederersatz und Zuchthaus-oder andere Strafe zur Folge gehabt habe. Schuldigkeiten, welche aus dem Feudalverhältnis herrühren, enthalten doch noch teils ein Recht des Lehensherrn an Grund und Boden, teils die Pflicht des Schutzes seiner Vasallen. Auch von solchen 4/570 Bedingungen sind aber jene Gebühren frei, welche der Stadt- und Amtsschreiber bezieht. - Wenn die württembergischen Bürger wirklich mit dieser Schreibhörigkeit oder Schreibleibeigenschaft behaftet sind - wie es de facto der Fall scheint und die Landstände nicht wohl in Abrede sein können -, so wäre es wenigstens zweckmäßiger wie auch gerechter, dem Staate den Vorteil dieser Untertänigkeit zuzuwenden und in dessen Namen dieses Monopol zu verpachten134) , statt daß jene Gefälle, ohne Bezahlung für eine Arbeit zu sein, nur in den Beutel von Privatpersonen fallen, von welchen manche sich dadurch, wie es Abt. XVIII S. 111 heißt, so gut als ein österreichischer und französischer Bischof stehen.

Es ist erwähnt worden, daß die Bürgermeister wie auch andere Gemeindevorsteher, Verwalter der Armenfonds u. dgl. die Rechnungen über ihre Verwaltung nicht selbst stellen, sondern dem privilegierten Schreiber dieses Geschäft zusteht. Es ist schon wichtig, daß jene Kommunalbeamten und Stiftungsverwalter durch solche Einrichtung in legitimer Unfähigkeit gehalten werden. Aber von bedeutenderem Gewicht als dieser Umstand und selbst als der vorhin betrachtete Kostenaufwand, der den Gemeinden und den anderen Fonds hieraus erwächst, ist die Abhängigkeit, in welche damit die sämtlichen Gemeindevorsteher eines Bezirks von dem Stadt- und Amtsschreiber gesetzt sind. Über diese in den Staatsorganismus weiter eingreifende Seite findet sich XVIII. Abt., S. 97 eine Schilderung in einer Petition von Gmünd, welche das Ungeheuer des Schreibereiwesens nach seinen verschiedenen Zweigen mit amtlichen Belegen darstellt135) ; 4/571 über den [Zweig], von dem hier die Rede ist, heißt es: "Bei Kommunrechnungen bemeistert sich der Schreiber aller Papiere des Journals, der Beilagen und Quittungen des sogenannten Rechners, ohne speziellen Legschein dafür zu geben. Von diesem Augenblicke an ist der Bürgermeister sein Sklave; er hat den letzten ruhigen Schlaf getan, denn der Gedanke, seinen Kredit, Ehre und guten Namen einem fremden unbekannten Menschen überantwortet zu wissen, quält ihn unablässig. Mancher Schreiber läßt sich nun sogleich Abschlagszahlungen machen, wandert damit in eine andere Gegend des Reichs. Wird endlich das Geschäft von einem der Nachfolger begonnen, so nimmt die Leidensperiode des Rechners ihren Anfang, er hat unpassierliche Ausgaben gemacht, es fehlen Quittungen, es zeigt sich ein bedeutendes Defizit; die Aussicht des Rechners ist die Festung oder das Zuchthaus. Ist nun der sich schuldlos Bewußte auf diesem Punkte der Verzweiflung, so wird, nachdem die zweckdienlichen Mittel eingeschlagen worden, wieder eingelenkt, die Quittungen wieder gefunden oder gemacht usf. Der Rechner nebst den dabei vorkommenden Figuren oder Urkundspersonen unterschreibt seine ihm ganz überall unverständliche Rechnung und begreift ebensowenig wie bei dem früher ihm angeschuldigten Defizit, daß ihm nun am Ende ein Guthaben zukomme."

In solchen Händen befinden sich also die Gemeindevorstände, in solchen Händen befindet sich das Volk! "Mein Volk, deine Führer betrügen dich!" - wenn sie vom guten alten Rechte sprechen, möchte man mit dem Propheten ausrufen. Aber so fern man sein wird, jene Schilderung, was das Persönliche betrifft, für allgemein anzunehmen, ebenso gewiß geht nicht aus den Persönlichkeiten, sondern aus solchen Einrichtungen die notwendige Abhängigkeit der Gemeindevorstände, 4/572 der Gemeinden und, mit dem oben erwähnten weiteren Geschäftsressort der Schreiberei zusammengenommen, auch die der einzelnen Bürger von den Stadt- und Amtsschreibern hervor. Jene Gemeindevorstände erwählten ehemals die Landtagsdeputierten allein, und von den Mitgliedern der Ausschüsse war der größere Teil aus der Klasse der Schreiber. In dem Gries[inger-] Gutachten S. 72 heißt es: "Die Verbesserung oder gar die Umschmelzung des Schreiber-Instituts mußte, trotz der oft gefühlten und gerügten Gebrechen desselben, in den ständischen Repräsentanten, die ja meistens selbst Schreiber waren oder auf die wenigstens Schreiber Einfuß hatten, darum immer die größten Widersacher finden, weil jede Hauptverbesserung mit ihrem Interesse im offenbarsten Widerspruche stand." - Hiermit ist alles gesagt. Was aber als ein waren, hatten, als ein Vergangenes von den früheren Landtagen und landständischen Ausschüssen erscheint, war es nicht auch ein Verhältnis, wie auch die Geschichte dieser Ständeversammlung selbst? hat sie etwas Wirksames dafür getan, um solchen Augiasstall wegzuschwemmen? hätte sie nicht in ihre eigenen Eingeweide gewütet? Haben die immer wiederholten Bemühungen des Herrn von Forstner, der sich durch ihre Zögerungen nicht ermüden ließ, es durchsetzen können, daß nach Jahr und Tag auch nur eine Relation des Komitees zustande gekommen, viel weniger daß eine Deliberation oder gar ein Beschluß in die Sache eingegangen wäre?136)

Charakteristisch ist es, daß die Klagen und Beschwerden fast nur aus Neuwürttemberg kamen, als ob Altwürttemberg in solchem Zustand aktiv und passiv so befangen gewesen wäre, daß es kein Bewußtsein und Empfindung oder vielmehr nur die der resignierenden Verzweiflung auf der einen Seite und auf der andern nur ein in den guten, alten, garantierten Rechten völlig gesichertes, privilegiertes Gewissen gehabt hätte! - Es mochte das Seinige dazu beigetragen 4/573 haben, daß die altwürttembergischen Schreiber, die man als erfahrene Männer im Fache in dem neuen Gebiet vorzugsweise brauchen mußte, daselbst wie in einem eroberten Lande ärger hausten als daheim. Aber schlecht empfahlen sich so die neuen Landsleute, die in der Gewohnheit des altwürttembergischen Rechts und dieser so gepriesenen Verfassung erwachsen und gebildet waren, und ebenso schlecht empfahlen sie dies alte Recht und diese alte Verfassung.

Dem Ministerium aber könnte man einen Vorwurf daraus machen, eine Ständeversammlung, deren Elemente es kennen mußte, zusammengerufen und nicht vielmehr dem Könige geraten zu haben, noch zu den Veränderungen, die er in den oberen Stockwerken des Staats vorgenommen hatte, diese vorher hinzuzusetzen, daß er die Regeneration des unseligen Verfassungszustands der allgemeinen Volksmasse bewerkstelligte. Solange diese Württemberg eigentümliche, bürgerliche Aristokratie existierte, welche durch Schreiben bischöfliche Einkünfte als Gefälle bezog und eine allgemeine Gewalt über die Gemeinden, deren Vorsteher und die Privaten ausübte, solange diese Vorsteher und die Gemeinden nicht aus den Klauen dieser privilegierten Kaste gerissen, solches die Begriffe wie den Beutel der Volksmasse umgarnende Element sittlicher und intellektueller Versumpfung nicht zerstört war, konnte kein wahrer Begriff über Recht, Freiheit und Verfassung Wurzel fassen, konnte das Ministerium nichts anderes erwarten, als daß von den erwählten Deputierten ein großer Teil aus diesem Elemente hervorgehen würde.

Es konnte glänzend scheinen, daß der König zuerst unter den deutschen Fürsten seinem Volke Landstände nach einer Organisation gab, welche sie zu Vertretern der Rechte nicht einer Klasse, sondern des Volks selbst machen sollte, welche damit die landständische Verfassung aus der Gleichgültigkeit und Entfremdung, ja Verachtung des Volkes gegen sie, zu der frühere deutsche Landstände herabgesunken waren, reißen 4/574 konnte.137) Altwürttemberg hat keinen bedeutenden Adel für sich gehabt; dagegen hatte sich jene unscheinbarere, aber drückendere Aristokratie festgesetzt. Solange aber diese Fesseln des Volks nicht zerbrochen waren, konnte für sich keine Repräsentation hervorgehen, die ihm angehörte; und so unerläßlich es für den Begriff eines monarchischen Staates ist, daß Landstände in demselben seien, wäre es selbst vorzüglicher, gar keine zu haben, als die Fortdauer jener Privilegien, jener Bedrückung, Täuschung und Verdumpfung des Volks zu dulden, ohnehin besser, als Landstände zu haben, welche die Vertreter der Privilegien dieser Aristokratie sind. - Das Ministerium konnte gleichfalls die Grundsätze der anderen Aristokratie kennen, welche Württemberg soeben erst einverleibt worden oder, nach dem Sinne eines Teils derselben, erst einverleibt werden sollte. Es mußte 4/575 voraussehen, daß diese Klasse damit anfangen würde, sich ihre Rechte vorzubehalten - Rechte, die in dieser Unbestimmtheit es unentschieden ließen, welches Verhältnis dieser Stand im Staate hatte, und die in ihrem alten Umfange jedem Staatsorganismus widersprechen. - Es hat sich in den meisten Fällen großer politischer Bewegung gezeigt, daß Fürst und Volk eines Sinnes und Willens gewesen sind, aber daß sich nur zu oft ein Mittelstand, wie in Frankreich der Adel und die Geistlichkeit, so in Württemberg jener und die bürgerliche Aristokratie der Schreiberei, statt das Band von beiden auszumachen, wie es seine Bestimmung ist, auf Privilegien und Monopole steifte und die Verwirklichung der Grundsätze des vernünftigen Rechts und allgemeinen Wohls hinderte, ja zunichte machte. Durch die Stellung, die dem Mittelstande überhaupt zukommt, die Intelligenz eines Volkes auszumachen und dessen Rechte wie dessen Pflichten unmittelbar zu handhaben, vermag er, wenn er vielmehr eigene Privilegien gegen dasselbe verteidigt, dieses in die Täuschung zu ziehen, daß es sich auf die Seite dieses seines Feindes stellt. Dann entsteht das ebenso ekelhafte als traurige Schauspiel, daß Unrecht, welches hundert Jahre Recht geheißen, als solches gegolten und das Volk zur Verzweiflung gebracht hat, von dem durch diesen Namen betrogenen Volke selbst unterstützt wird.

Nachdem nun aus dem Bisherigen die Grundsätze, der Geist und die Interessen dieser Versammlung sich sattsam zu erkennen gegeben, so hat die fernere Geschichte, die nur eine trockene Folge davon ist, weniger Interesse mehr und läßt sich kürzer zusammenfassen.

Wir sind im Verfolge des Geschichtlichen dabei stehengeblieben, daß die Stände am 26. Juni nicht darauf eingingen, dem, was in den wichtigen königlichen Konzessionen annehmbar für sie war, mit welchem die gleichfalls aus der königlichen Verfassung annehmbaren Punkte in Verbindung gebracht werden konnten, die Form einer Übereinkunft zu 4/576 geben, sondern sich vielmehr in der Stellung völliger Nichtbefriedigung hielten. Originell ist dabei, aber ganz im Stile des bisherigen Ganges (IX. Abt., S. 3), daß in der folgenden Sitzung nach gefaßtem Beschlusse nun die Prüfung der königlichen Resolutionen in einem Aufsatze eines einzelnen Mitglieds, des Dr. Weishaar, zur Sprache gebracht und ein Komitee ernannt wurde, um diesen Aufsatz zu prüfen. Dies Komitee referierte am 28. Juni, erwähnte jedoch einer Untersuchung und des Befunds dieses Aufsatzes gar nicht, sondern trug nur darauf an, ihn den königlichen Unterhandlungskommissarien mitzuteilen. Dieser Beschluß vom 28. Juni erscheint auch in der Hauptadresse, obgleich diese vom 26. Juni datiert ist, sowie auch am 28. noch der am 26. gefaßte Entschluß, darin der hohen Garanten der altwürttembergischen Verfassung, nämlich der drei Mächte Preußen, England und Dänemark, zu erwähnen, zurückgenommen wird. - Den 21. Juli erfolgte die vorauszusehende königliche Resolution (XX. Abt., S. 13), die Vertagung der Versammlung vom 26. Juli an, mit dem Motiv, daß dem Könige die vorgelegten Landesbeschwerden von weit größerer Wichtigkeit sein müssen als die vorliegenden Diszeptationen über Verfassungsgegenstände und er jene einer strengen Prüfung und Untersuchung durch die Minister und Behörden zu unterwerfen gesonnen sei, - daß, da die Landstände in ihren eingegebenen Aufsätzen alles erschöpft hätten, was sie denkbarerweise an den König zu bringen im Falle sein könnten, kein Gegenstand vorliege, der sich zu einer Beratung mit der Versammlung eigne. Ferner gibt ihr der König auf, zur Fortsetzung der Unterhandlung Bevollmächtigte zurückzulassen und sie so zu instruieren, daß einer Vereinbarung entgegengesehen werden könne. - Man wird zugeben müssen, daß dieser Beschluß in Ansehung der zwei vorliegenden Gegenstände der Lage der Sache gemäß war.

Die Stände bezeugten dagegen in ihrer Adresse vom 24. Juli (X. Abt., S. 15), daß ihnen an den Beschwerden gar nicht so 4/577 viel gelegen sei als an der Verfassung, daß sie durch die königliche Resolution in die größte Betrübnis versetzt seien, da sie vertagt werden sollen, ehe sie dem Volke irgendeinen Trost, irgendeine Beruhigung bringen können. Außer dieser Verleugnung, daß der König so vieles, ihnen selbst für wesentlich Geltendes, in der Tat aber so gut als alles Wesentliche zugegeben hatte, fügten sie die Anzeige bei, daß sie ein Komitee von 25 Mitgliedern unter dem Vorsitz des bisherigen Präsidenten der Versammlung bevollmächtigt [hätten], welches die Vergleichshandlungen führen und überhaupt das Interesse des Landes besorgen werde. Übrigens können sie keine andere Instruktion geben, als die sie vom Volke erhalten und in ihrem Herzen tragen; sie behalten sich ferner die Genehmigung der Verhandlungen vor. - Es war hiermit auf dem Wege, nämlich von seiten der Stände, zu einem Ausschuß alten Stils, zu einem zur Besorgung des Interesses des Landes überhaupt bevollmächtigten Komitee. Der König bewahrte sein Volk hiervor und rettete die Landstände wider ihren Willen und gegen sie selbst. Das Lächerliche des ständischen Antrags wies eine Resolution vom 26. Juli (X. Abt., S. 50) damit ab, daß es mit dem Begriffe der Vertagung nicht vereinbar sei, daß ein die ganze Versammlung repräsentierendes Kollegium zurückbleibe. - Aber mit den Vorstellungen dieser Stände vertrug sich, wie man zur Genüge gesehen, vieles, was mit dem Begriffe nicht vereinbarlich ist. - Sie sollen ferner Bevollmächtigte in der bisherigen Zahl ihrer Verhandlungskommissarien zurücklassen. - In derselben Sitzung, den 26. Juli, worin diese königliche Resolution verlesen wurde, wurde von Herrn Bolley in einem Votum scriptum entwickelt, daß die Versammlung in keiner Hinsicht nur vier Bevollmächtigte zurücklassen könne. Dann kam die Abordnung einer Deputation an den König, welche mündlich die bisherigen Bitten wiederholen sollte, in Vorschlag; er ward aber abgewiesen, weil solche Deputation ebensowenig als die bisherigen schriftlichen Vorträge ausrichten, weil sie ferner gegen die alten Normen sein würde, 4/578 - weil ein Regent so viel Mittel in Händen habe, die [, welche] vor ihn treten, mit scheinbarer Beschämung zurückzuweisen, so daß dieser Akt mit Unannehmlichkeiten für die Versammlung verbunden sein könnte. - Besorgte sie etwa, daß ihre Deputation hinausgeprügelt werden möchte? - Während das Komitee mit Abfassung der Adresse beschäftigt war, ließ sich in dieser Not die übrige Versammlung Adressen, zum Teil von weit entlegenen Städten und deren Amtsbezirken, verlesen, die vom vorigen Tage datiert, "per Estafette" den 26. präsentiert und im Sinne der Versammlung abgefaßt waren. Von anderen noch nicht zum Vorlesen gekommenen Adressen anderen Inhalts ward nur die lange Konsignation, doch ohne das Datum ihrer Abfassung und Präsentation anzugeben, vorgelegt. Auch wurde unter anderen Aufsätzen ein "von mehreren Mitgliedern gewünschter" abgelesen, über die - ihnen von den Amtspflegern verweigerten Diäten. - In einer früheren Sitzung war nämlich angemerkt worden, daß die Mitglieder sich weigerten, ihre Diäten aus der Staatskasse anzunehmen, und sie aus den Gemeindekassen forderten, deren Verwalter, wie es scheint nicht alle willfährig waren, diese unberechtigte Zahlung zu leisten.

Die nun von der Versammlung beschlossene Adresse bleibt bei ihrem vorigen Verlangen und schließt unter vielem Pathos mit dem gewöhnlichen breiten Selbstlobe und Selbstzeugnisse von ihrem Gewissen, und daß sie nichts als ihre Pflicht getan, daß sie vom Volke die rührendsten Beweise der Dankbarkeit dafür, von ganz Deutschland Beweise der Achtung erhalten usf. - Der König hatte sie zusammenberufen, die Konstitution gegeben, deren Grundzüge oben betrachtet worden, hatte zu den neuerlichen Konzessionen sich verstanden und der schnöden Erwiderungen der Versammlung auf dieselben ungeachtet die Fortsetzung der eingerichteten und begonnenen Unterhandlung zugegeben; das Beisammensein der Versammlung selbst war ohne allen Gegenstand; ihr blieb sowohl die Instruierung ihrer Bevollmächtigten 4/579 als die Ratifikation des Verhandelten vorbehalten. Alles dessen unerachtet entblödeten sich die Verfasser der Adresse und die mit ihnen einmütige Versammlung nicht, dem Könige zu sagen, daß, wenn er nicht in die Übertragung der Rechte der Landstände an einen Ausschuß willige, sie die Überzeugung haben müssen, daß seine Absicht sei, daß dem Volke gar keine Verfassung zuteil werden soll. - Noch griff die Versammlung zu dem letzten Mittel in dieser Not, wo ihr alles auf der Spitze zu stehen schien, - sich nämlich an die Garanten zu wenden. - Herr Bolley drückte sich (Abt. X, S. 37) darüber so aus, daß, wenn der König den Wünschen der Adresse nicht entspreche, nicht nur jede Möglichkeit wegfalle, an den Bundestag als Ständeversammlung sich zu wenden, sondern auch für die Sache selbst nicht mehr viel zu verlieren sei. - Man wird es wunderbarlich genug finden können, wie die Versammlung sich selbst in solches Fieber und Schwüle hineinhetzen mochte; ihre Übertreibung, wo es sich um eine ganz einfache Sache handelte, konnte keinen Zweck haben, als die schlimmsten Absichten auf seiten des Königs, die Gefahr des Verlusts der Sache glaublich zu machen; und diese Sache war die Reduktion der Stände auf einen alten Ausschuß.

Was aber die Anrufung der Garanten der alten Verfassung betrifft, so fehlte nur dies, daß die Stände noch an einen Reichstag in Regensburg und einen Reichshofrat in Wien Schreiben erlassen hätten. Sie riefen die Garantie von Mächten an, welche nur eben erst in Wien, in Gemeinsamkeit mit den übrigen, die Auflösung des Deutschen Reichs und die Erhebung des Herzogtums Württemberg zu einem Staat aufs neue konsolidiert, welche vernünftigerweise für die neuen deutschen Staaten landständische Verfassungen überhaupt, nicht die alten stipuliert - und in diesen Artikel hiermit die für einen neuen deutschen Staat einzig denkbare Garantie gelegt, wenn eine solche nötig sein sollte -, ja welche nicht einmal der französischen Nation, deren König sie soeben zum zweiten Mal auf seinen Thron zurückgeführt 4/580 hatten, die Schmach einer Garantie ihrer Charte aufgelegt hatten, viel weniger daß dieses Volk sie zu dieser letzten Erniedrigung seiner selbst aufgefordert hätte. - Auch haben die württembergischen Stände auf ihre Schreiben an jene drei Mächte, wie sich von selbst versteht, nie eine Antwort erhalten.

Der König ließ den Ständen in einem Erlaß vom 27. Juli das Unerklärliche ihres Benehmens bemerklich machen und überließ es ihnen, wenn es zu ihrer Beruhigung diene, eine doppelte oder dreifache Anzahl von Deputierten zu bestellen; er rückte den Termin der Vertagung auf den 28. hinaus, um der Versammlung noch einmal zur Besinnung Zeit zu lassen. Sie verfertigte den 28. noch eine breite Adresse wie die vorhergehenden, in einem Tone von rechthaberischer Gehässigkeit und böser Verbitterung, der mit dem Tone würdiger Haltung, ruhig bleibender Einfachheit und Beschränkung auf das Wesentliche der königlichen Resolutionen sehr kontrastiert; - den Ausdruck am Schlusse der Adresse, daß durch diese Vertagung eine unheilbare Spaltung zwischen dem Könige und dem Lande herbeigezogen worden, hätte eine Ständeversammlung sich nie gestatten dürfen. - Sie ging nun auseinander.

Diese böse Bitterkeit, sollte sie an den rührenden Beweisen der Dankbarkeit des Volkes (unter anderen in einer der letzten Sitzungen an einer Nachtmusik) Anteil gehabt haben? Man hätte meinen können, daß nur der Pöbel daran Gefallen gefunden und sein Selbstgefühl darin hätte haben können. Über den König vermochte sie nicht, die Stände nicht mehr einzuberufen; sondern er widerlegte ihr Benehmen, sich nicht an die Sache und seinen erklärten Willen, sondern vornehmlich an ihre eigenen Imputationen von Absichten zu halten, dadurch, daß er sie auf den 16. Oktober desselben Jahres wieder zusammenberief. Wenn das Ministerium vor der ersten Zusammenberufung schon es höchst unurwahrscheinlich hatte finden können, daß mit solchem Material, als sich für eine ständische Versammlung 4/581 vorfand, nichts Gedeihliches auszurichten sein würde, so konnte es nach der bisherigen Erfahrung von der Unmöglichkeit sich überzeugt und vor der ganzen Welt sich gerechtfertigt halten, wenn es sie nicht wieder einberief. Ein solches Beisammensitzen ist jedoch immer von unendlicher Wichtigkeit für die politische Erziehung, deren ein Volk und dessen Häupter bedürfen, das bisher in politischer Nullität gelebt [hatte] und dessen Erziehung nicht wie bei einem noch unbefangenen Volke nur ganz von vorne anzufangen war, sondern das auch in den harten Fesseln einer drückenden Aristokratie, einer darauf gebauten innerlichen Verfassung und in dem Mangel und der Verkehrtheit von Begriffen über Staats- und Freiheitsrechte oder vielmehr in Worten befangen war. Gegen solche Begriffe, die, wie man gesehen hat, mit dem fest und sicher gewordenen Interesse der herrschenden Kaste so eng zusammenhingen, läßt sich nicht mit Begriffen ein direkter Kampf eingehen, noch irgendeine direkte Wirkung davon erwarten; desto sicherer, jedoch unscheinbar ist die indirekte Wirkung, daß solchem Sinne Raum gegeben wird, sich mit sich selbst abzuhetzen und sich zutage zu bringen. Die nächste Wirkung aufs Publikum ist, daß es bald, wie sich solcher verschrobene Inhalt weiter entwickelt, von demselben und dessen Verteidigung nichts mehr versteht. Eine Folge, die Aufdeckung der Rechte des Schreiber-Instituts, und damit ein richtigeres und verbreiteteres Bewußtsein, wo ein bleibender Quell der Unterdrückung liegt - Charaktere und Handlungen der Regenten sowie die Umstände sind dagegen nur etwas Vorübergehendes -, ist betrachtet worden, und eine Wirkung wenigstens formeller Bildung wird sich fernerhin zeigen. Da es nach jenen Voraussetzungen nicht hatte gelingen können und nicht gelungen war, die Verfassung a priori einzuführen, so war nur dies übrig, die Stände auf den Weg ihrer Erziehung durch sich selbst zu versetzen - ein Weg, zu dem allerdings die Menschen auch das Recht haben; dem Fürsten und seinem Ministerium macht es Ehre, ihn im Zutrauen, daß derselbe, 4/582 ob er gleich vom entgegengesetzten Standpunkt ausging, notwendig dem Vernünftigen bewußtlos näherbringe, eröffnet zu haben.

In dem königlichen Erlaß vom 16. Oktober 1815 (XI. Abt., S. 26), womit die neue Sitzung eröffnet wurde, ist der Standpunkt der Verhandlungen nunmehr auf folgende klare Weise bestimmt, daß die Stände dafür halten, das Prinzip der rechtlichen Ansprache von Alt- und Neuwürttemberg auf die alte Verfassung müsse zuerst festgesetzt werden; der König müßte sich dadurch für verbunden erklären, auch das, was er bei Altwürttemberg für fehlerhaft halte, auf Neuwürttemberg zu übertragen; hierzu könne er nach seiner gegründetsten Überzeugung nicht verbunden sein. Wenn er auch überzeugt wäre, daß die Ansprache von Altwürttemberg auf seinen ehemaligen Rechtszustand für ihn noch verbindlich sei, was nicht der Fall sei, so könnte er sich dessen Herstellung, wenn es sich allein vom alten Lande handelte, leicht gefallen lassen; auch sei er nicht gemeint, die ehemaligen Rechtsverhältnisse der neuerworbenen Landesteile nicht zu berücksichtigen. Aber es könne nicht davon die Rede sein, die so verschiedenen Teile des Königreichs jedes nach seinen eigentümlichen Normen einzurichten, sondern eine den alten und neuen Verhältnissen gleich angemessene Verfassung durch gemeinschaftliche Übereinkunft zustande zu bringen. - Es war ferner in dieser Eröffnung nicht mehr von der königlichen Verfassung die Rede; vielmehr Veränderungen, die sich der König als für das Staatswohl erforderlich vorbehielt, werden nur einzelne Bestimmungen genannt und sollen auf dem Wege der Unterhandlung geltend gemacht werden. Er erklärte ferner, aus der alten Verfassung das beizubehalten, was sich mit der gegenwärtigen Zeit und einer guten Staatsverwaltung nur immer vereinigen lasse. Die Anerkennung des alten Rechtsprinzips in seinem ganzen Umfang war für sich unnütz und der Natur der Sache widersprechend, aber das Wahrhafte durch die Anerkennung, daß alles Brauchbare 4/583 aus der alten Verfassung beibehalten werden sollte, erschöpft.

Was, ehe wir weitergehen, noch die Zusammensetzung der Stände betrifft, wie sie bei ihrer Wiedereröffnung erscheint, so hatten sich auch die meisten Virilstimmführer teils persönlich - darunter sechs Fürsten -, teils mit Übertragung ihrer Stimmen an Anwesende angeschlossen und eingefunden. Zwölf vom Adel hatten schon in einer Adresse vom 3. Mai (Abt. IV, S. 141 ff.) der Ständeversammlung das vorgetragen, worauf sie ihre Erwartungen und Wünsche in betreff der Vorrechte, die ihnen von ihren vormaligen in dem neuen Staatsorganismus bleiben sollten, beschränken. Diese ihrem Inhalt nach gemäßigten und, was gleichfalls wichtig ist, detailliert und bestimmt angegebenen Forderungen sind auch in offenem, freimütigem, jedoch entsprechendem Tone verfaßt. Konsulent Griesinger verlas zwar den 6. Juni (VI. Abt., S. 113) eine ihm über jene Adresse aufgetragene Relation, aber weil diese Sache ein Inhalt gewesen wäre, kam die Versammlung darüber zu keiner Beratschlagung, noch viel weniger zu einem Beschluß. - An jene Adresse hatte sich am 26. Juni (X. Abt., S. 24) der übrige Adel des Königreichs angeschlossen. Ingleichen hatte an demselben Tage (X. Abt., S. 26) ein anderer Teil der Standesherren, welche (I. Abt., S. 15) die Resultate des Wiener Kongresses über ihre staatsrechtlichen Verhältnisse erwarteten und konsequenterweise an den ständischen Verhandlungen keinen Anteil nehmen wollten, nunmehr nach Beendigung jenes Kongresses, wie auch der Herr Fürst von Öttingen-Wallerstein, sich erklärt, daran Anteil zu nehmen, - mit Bezug auf die ihnen durch die Bundesakte bestimmten Rechte, namentlich die ersten Standesherren in den Staaten, worin ihre Besitzungen gelegen sind, zu sein, oder in der Folge etwa noch ferner zukommenden Rechte und Befugnisse. - Mehrere Standesherren jedoch waren auch diesmal noch nicht erschienen. Auch erscheinen mehrere neugewählter Mitglieder anstatt voriger, die ihre Stellen als 4/584 Deputierte niedergelegt hatten. Es scheint, dieses Niederlegen von Stellen sowie das Erwählen neuer Deputierter hat keinen Anstand gehabt und das Ministerium es geschehen lassen, ohne daß in der königlichen Verfassungsurkunde etwas darüber bestimmt gewesen wäre. Es fehlte ohnehin auch noch an einem für jede Versammlung wesentlichen Erfordernis, einem Reglement; so sieht man die Versammlung in dieser neuen ersten Sitzung, wo solcher fürstlicher Glanz in sie eintrat, zu ihrer Achtungsbezeugung sich derselben Gebärde bedienen, die, wie oben angeführt, in der allerersten die Abstimmung über ihren Beschluß bedeutet hatte. - Soviel Unbestimmtheit nun noch in dem Verhältnisse der Standesherren zum Staate und zu einer Ständeversammlung lag, so konnte es genügen, daß sie sich jetzt als Standesherren des Königreichs anerkannten, - für eine Versammlung, die sich selbst noch ganz in derselben Unbestimmtheit befand und hielt. Wäre es ihr möglich gewesen, sich in Verfassungsmaterien von einem Inhalt einzulassen, so hätte jenes Ungenügende bald zum Vorschein kommen müssen.

Der König hatte in der Resolution vom 16. Oktober die Stände noch aufgefordert, ihre schon früher existierenden Bevollmächtigten zu Unterhandlungen so zu instruieren, daß ein für das Ganze geltender Vergleich geschlossen werden könne. Die Stände erwiderten mit einer zwölf kleingedruckte Blatt starken Adresse (XI. Abt., S. 263-286), für deren gründliche Ausarbeitung die Versammlung dem Herrn Bolley ihren Dank abstattete. Sie wiederholt in der gewohnten Manier die alten Ansichten; es bedarf es nicht, etwas davon auszuziehen, nur dies, daß es S. 269 heißt: auch eine oberfächliche Bekanntschaft mit der württembergischen Verfassung gebe die Überzeugung, daß sie ein für sich bestehendes geschlossenes Ganzes ausmachte; - man kann diesen Satz in einem Sinne zugeben, aber auch dies kaum, denn zu solcher Überzeugung oder vielmehr Urteil ist auch eine nur oberflächliche Bekanntschaft schon viel zu viel. - Es heißt ferner unter anderem darin, daß die Stände nicht zugeben können, 4/585 daß dem Volke seine Geschichte entrissen, alle früheren Grundgesetze zur Antiquität gemacht würden; - man könnte vielmehr fragen, ob eigentlich ein Volk eine Geschichte gehabt habe, das nicht ein selbständiger Staat, sondern nur ein Teil eines Volkes war, ob ein Volk in der Tat nicht dann erst eine Geschichte erhält, wenn es ein Staat wird. - Daß in dieser Adresse die Stände die Rechte der württembergischen Untertanen nicht angeben zu können erklären, weil ihnen das alte Landschaftsarchiv noch vorenthalten werde, ist oben angeführt, - als ob es in der Verfassung als solcher um einen Kodex des peinlichen und bürgerlichen Rechts usf. zu tun wäre und als ob die königliche Verfassungsurkunde nichts mehr von diesen Rechten hätte gelten lassen! - Die einfache und eintönige Schlußbitte ist, daß der König die altwürttembergische Verfassung als eine für das ganze Königreich gültige Regel, einzig mit dem Vorbehalt solcher Modifikationen, welche nach beiderseitigem Anerkenntnis notwendig oder zweckmäßig sind, feierlich anerkenne.

Die Stände hatten anfangs nur solche Modifikationen der altwürttembergischen Verfassung zugegeben, welche sich auf die Einverleibung des Adels und die Gemeinsamkeit der Rechte der Protestanten und Katholiken bezogen; nach ihrer Adresse sollte die jetzt zu errichtende "Verabschiedung" zu dem Chaos der alten Landesgesetze, die oben hererzählt worden, nur hinzukommen. Wenn dieselbe nur jene zwei Gegenstände betreffen sollte, so wäre es noch immer dieselbe unhaltbare Vorstellung oder vielmehr die ganz leere Täuschung gewesen, im übrigen die alte Verfassung ohnehin die altwürttembergische mit Hintansetzung und Unterdrückung aller Ansprüche der neuwürttembergischen Gebietsteile auf ihre eigentümlichen Rechte - unter der ganz veränderten Stellung des Königreichs gegen das Herzogtum eintreten lassen zu wollen. Aber so wie jene zu treffende Vereinbarung mehr enthalten sollte - und die Natur der Sache hätte dies von selbst herbeigeführt, auch die Bitte der Adresse spricht in allgemeineren Ausdrücken davon -, so bestimmt sich der 4/586 Gegensatz der königlichen Willensmeinung und der ständischen Forderung dahin, ob die königliche Verfassung mit der Zugestehung, daß über Modifikationen derselben übereinzukommen wäre, oder die altwürttembergische mit demselben Zugeständnis zugrunde gelegt werden solle. Wenn bei diplomatischen Unterhandlungen es vorkäme, daß der eine Teil die Zugrundelegung seiner Proposition mit dem Zugeständnis weiterer Modifikationen, über die übereinzukommen wäre, und der andere Teil dasselbe gefordert hätte, so würde, da die Sache ganz dieselbe ist, nach dem Sprichworte der Gescheiteste nachgeben.

Im königlichen Reskripte vom 13. November, welches endlich, freilich nicht über die Sache, aber doch über den Gang des bisherigen Libellierens der Stände eine Entscheidung herbeiführte, wurde sich auf die wesentlichen rechtlichen Behauptungen der Stände, besonders der Inkorporation eingelassen und in einer besonderen Beilage deren Seichtigkeit aufgezeigt, der Hauptstandpunkt wiederholt, daß es sich um eine Staatsverfassung handle, wodurch die neuen und alten Lande in ein staatsrechtliches Ganzes vereinigt werden. Der König erklärt, daß er, bei aufgehobener deutscher Reichsverfassung, wo es bei einer Rechtsungewißheit auch keine Richter mehr gebe, sich auf eine bloß allgemeine Anerkennung der alten Landesverträge ohne eine ins Einzelne gehende Angabe ihres Inhalts nicht einlassen könnte. Vorerst wäre eine vollständige und deutliche Entwicklung dieses in vielen Urkunden zerstreuten, oft zweifelhaften Inhalts unerläßlich, damit die verfassungsmäßigen Bestimmungen nicht mehr ausschließliches Eigentum einiger weniger (der alten Komitee-Herren, vielleicht auch unter diesen nicht aller und vornehmlich nur ihrer Konsulenten) [seien], sondern vielmehr Gemeingut des Volkes werden können. - In dem unseligen Falle, daß ein Vergleich über eine gemeinsame Verfassung nicht zustande kommen sollte und die Stände sich noch ferner weigerten, auf Unterhandlungen für eine solche einzugehen, würde der König in 4/587 seinem Stammlande die herkömmliche Repräsentation, in seinen neuen Ländern hingegen eine auf eine wahrhafte Nationalrepräsentation gegründete Verfassung mit Rücksicht auf ihre früheren Rechtsverhältnisse einzuführen entschlossen sein. Der König ließ den Ständen ferner (in einer zweiten Beilage) Fundamentalpunkte mitteilen, die keinem Unbefangenen (gewiß!) ungeeignet scheinen können, den Unterhandlungen über eine gute Verfassung zur Grundlage zu dienen.

Die Vernunft der Sache schlug doch so weit durch, daß die Versammlung sich, freilich zu etwas bloß Formellem, zu Unterhandlungen entschloß. - Der Herr Fürst von Öttingen-Wallerstein trug (XIII. Abt., S. 138) darauf an, daß nach einer zureichenden Frist die Mitglieder ihre Ansichten über das königliche Reskript vortragen und dann ein Komitee sie begutachten sollte. Dieser Vorschlag störte den gewöhnlichen Weg, den Bericht über eine königliche Proposition sogleich einem Komitee, und wohl von den gewöhnlichen Mitgliedern, zu übertragen und die Einmütigkeit des Beschlusses der Versammlung, worauf solches Komitee eine Art von Monopol erlangt hatte, von selbst folgen zu sehen. Es wurde doch beliebt, nicht ein Komitee, sondern vier Referenten zu wählen. Schon seit einiger Zeit war es überdies vorgekommen, daß auch von einem zum Berichten und Gutachten gewählten Komitee jedes einzelne Mitglied seinen Aufsatz in die Versammlung brachte und verlas; es schien, als ob selbst ein Komitee von wenigen es nicht zu einer Beratschlagung und Beschluß unter sich, sondern nur zu einer Folge von Monopolen brachte. - Es wurden nun in folgenden Sitzungen viele Aufsätze abgelesen, deren mehrere dahin gingen, daß man auch so sich noch nicht in Unterhandlungen einlassen könne; z. B. es handle sich de iuribus singulorum, über welche die Stimmenmehrheit der Versammlung nicht entscheiden könne, - ein heiliger Grundsatz des vormaligen Staatsrechts des Deutschen Reichs, in dem eben das Grundübel und das Grundunrecht darin bestanden 4/588 hatte, daß aus den Rechten des Staats Iura singulorum geworden waren.

Unter anderen Stimmen des besseren Sinnes entgegnete Herr von Varnbüler (XV. Abt., S. 59) dem Herrn Lang, der die Ermahnung gemacht, das Gewissen in acht zu nehmen und "mit Pathos zugerufen hatte": "Keine Unterhandlung", - daß er (Herr v. V.) vielmehr bei solchem Vorschlage das Gewissen für gefährdet halten müsse, daß es dadurch am Ende viel eher dazu kommen könne, gar keine Verfassung zu erhalten. "Damit", fährt er fort, "daß die alte Verfassung rechtlich fortdauert, ist dem Volke nicht geholfen, und mit gelehrten Abhandlungen können wir ihm nicht antworten, wenn es uns dereinst zurufen sollte: 'Ihr habt ein vermessen Spiel getrieben; ihr habt alles an nichts gesetzt; man hat uns geben wollen:

Mitwirkung an der Gesetzgebung,
das Recht der Steuerbewilligung,
das alte Kirchengut,
Rechenschaft über die Staatsausgaben,
persönliche Freiheit,
Verantwortlichkeit der Staatsdiener,
das Auswanderungsrecht,
die fortdauernde Wirksamkeit der Stände
,

aber ihr habt alles verworfen! Wer ist Schuld, daß wir alles verloren haben?' " - Es ist merkwürdig, daß mehrere Herren von Adel sich hier durch gemäßigtere und unbefangenere Ansichten vor anderen Deputierten auszeichneten. - Herr Bolley glaubte (XV. Abt., S. 6), bei der Mißbilligung, die ihm schon während seines Vortrags nicht entgangen, sich verteidigen zu müssen; er meinte den Vorwurf von Bitterkeit und Spott nicht verdient zu haben, und wohl nur sein starkes Organ, womit er den Vortrag gehalten, habe einigen Anstoß verursacht.138) - Es scheint, die Versammlung sei der 4/589 Adressen von dem vorigen Stil und Breite überdrüssig gewesen, und ein ohne Bitterkeit, Rechthaberei und Verunglimpfungen der königlichen Absichten verfaßter schlichter Entwurf des Herrn Dr. Weishaar zu einer Adresse wurde von der Versammlung mit 57 gegen 49 Stimmen in der Sitzung vom 23. November angenommen. Darin wird mit Bezeugung der Beruhigung und des Danks anerkannt, daß die Hindernisse zu einer Vereinigung gehoben seien, und die Ernennung der Bevollmächtigten der Stände zu Vergleichsverhandlungen wird angezeigt. - Herr Bolley bemühte sich nach diesem gefaßten Beschluß in der folgenden Sitzung, noch während die Stimmzettel zur Wahl der Unterhandlungskommissarien übergeben wurden, durch Vortrag seiner Bedenklichkeiten noch die Einschaltung einiger Verwahrungen in die Adresse durchzusetzen, durch deren gar zu große diplomatische Feinheit die Stände ihrem bisherigen Charakter nicht treu geblieben seien; - in der Tat stach das Schlichte, Offene und Einfache derselben gegen den entgegengesetzten Charakter der bisherigen sehr ab. - Die Versammlung blieb jedoch bei ihrem Beschlusse.

In der Instruktion der ständischen Kommissarien sollte als der Zweck aufgenommen werden, daß ein bloß akzessorischer Rezeß zustande komme; dies ward verworfen, jedoch dagegen von Herrn Bolley noch der feine Zusatzartikel durchgesetzt (XVI. Abt., S. 47), daß die ständischen Kommissarien eine schickliche Gelegenheit ergreifen sollen, über den Hauptzweck des Vertrags im Sinne der früheren Eingaben bestimmt sich zu erklären; - in diesen war, wie oben angeführt, ein Vergleich auf solchen Rezeß beschränkt. Die 4/590 Unterhandlungen umfaßten jedoch den ganzen Umfang der Verfassungsgegenstände. - Die beiderseitigen Kommissarien hielten am 4. Dezember 1815 die erste Konferenz. Späterhin (den 17. Januar 1816) wurde den ständischen ein instruierendes Komitee von 12, und weiterhin (den 29. Februar) von 25 Mitgliedern an die Seite gesetzt. Der vornehmste Teil der Arbeiten sowohl dieser Mitglieder als auch anderer, denen es beliebte, bestand darin, Materialien über Kapitel der alten Verfassung nach einem zugrunde gelegten Plane zu sammeln und dann die einzelnen Gegenstände in einen geordneten Zusammenhang von Sätzen zu redigieren, über deren Inhalt und Fassung das Komitee übereinkam und die ständischen Kommissarien in Verhandlungen mit den königlichen traten. Da die Stände einmal ihre Abneigung oder Unfähigkeit an den Tag gelegt hatten, etwas Allgemeines aufzufassen und von solchem auszugehen, so waren auch die dem königlichen Reskript vom 13. November beigegebenen Fundamentalartikel von der Versammlung ganz beiseite gesetzt und ignoriert worden. Indem nun von der Zusammenstellung des Einzelnen ausgegangen wurde, stellte sich aber von selbst das Bedürfnis ein, diese Materialien auf allgemeine Sätze zurückzuführen, wozu der Herr Fürst von Öttingen-Wallerstein (XVII. Abt., S. 58 und ebenda S. 145) den Antrag machte. Dieses Aufsteigen zum Allgemeinen gehört zur formellen Seite der politischen Erziehung einer neuen Ständeversammlung.

Die Früchte dieser Redaktion sind besonders im Druck erschienen als Entwurf des zu erneuernden württembergischen Verfassungsvertrags. Nach Beschlüssen des ständischen Instruktionskomitees 1816. - Diese Arbeit hat ein anderes Aussehen als eine Sammlung von Landtagsabschieden, Allerhandordnungen usf., so wie sie auch von der alten Verfassung dem Inhalt nach in wesentlichem abweicht. Eine solche geordnete Zusammenstellung von bestimmten Sätzen macht durch die Tat die früheren Grundgesetze zu Antiquitäten. Die dem Entwurfe angehängte Generalklausel, welche früher 4/591 der Ständeversammlung schon am Herzen gelegen hatte, daß alle Landes- und Hausgrundgesetze des vormaligen Herzogtums, insofern sie nicht durch jenen Entwurf verändert worden, ihre fortdauernd verbindende Kraft behalten, muß immer teils als etwas Unschuldiges der Beruhigung des formellen Gewissens nachgegeben werden, teils ist eine Verfassung überhaupt zwar etwas Festes, aber nichts schlechthin Ruhendes, sondern das Beisammensein einer Ständeversammlung ist es vornehmlich, deren Arbeiten ein beständiges, ruhiges Fortbilden derselben ist. - Dies ist die wahrhafte Generalklausel, welche der Weltgeist für sich an jede bestehende Verfassung hängt. - Die Tätigkeit einer Ständeversammlung, insofern sie nämlich einen Stoff und Inhalt haben - sonst sind es ohnehin keine Arbeiten -, oder schon die jetzige Bearbeitung eines Verfassungsentwurfs macht das formelle Rechtsprinzip ohne weiteren Inhalt, welches für diese Versammlung monatelang ihr höchstes Ziel war, von selbst aus den Köpfen schwinden. Eine zusammenhängende Arbeit über ein Ganzes von Verfassung in bestimmten Sätzen macht es ferner für sich unmöglich, sich bloß an positive Bestimmungen bei der Verworrenheit, Zerstreutheit und überhaupt Menge jener angeführten unzähligen Urkunden und Reskripte zu halten, und führt es herbei, seinen eigenen Verstand und Vernunft, wie im sogenannten natürlichen Staatsrecht, zu gebrauchen. - Wirkungen, die sich bewußtlos durch die Natur der Sache in den Köpfen gegen ihre steifsten und aufs entschiedenste ausgesprochenen Vorstellungen von selbst ergeben, sind immer das wichtigste Resultat, wegen dessen Gewißheit hellsehende Ministerien, wie auch das württembergische tat, über die vorangehenden Erscheinungen von Leidenschaftlichkeit, Vorurteilen, verkehrten Begriffen, Gehässigkeit usf. hinwegblicken.

Was aber noch die Geschäfte der Ständeversammlung selbst vom Dezember 1815 bis in denselben Monat 1816 betrifft, so bezogen sie sich teils auf andere als Verfassungsgegenstände, 4/592 teils auf diese. Zu jenen gehörten unter anderen zum Teil partikuläre Weiterungen in betreff der Standesherren; es ist schon vorhin berührt worden, daß nicht wohl abzusehen ist, wie noch jetzt eine deutsche ständische Versammlung in Wirksamkeit treten soll, wenn diese Verhältnisse nicht vorher bestimmt sind. Wenn eine solche Versammlung selbst, wie es hier anfangs erschien, als Mittel gebraucht werden soll, die Ansprüche dieses Standes erst geltend zu machen, so zeigen sich eben damit die Stände als noch nicht organisiert. - Unter den übrigen, hier auch schon wegen ihres geringen Interesses zu übergehenden Angelegenheiten - das Institut des Schreiberunfugs ist oben betrachtet worden - machte insbesondere die königliche Ausschreibung und Beitreibung der Jahressteuern große Bewegung. Auch hatte der König am 20. Oktober 1815 angefangen, den Ständen manche in den Berichten der Ministerien enthaltenen Erläuterungen und Berichtigungen dessen, was sie in ihrem Beschwerdenaufsatz vorgetragen, auch einige dadurch veranlaßte abändernde Bestimmungen zugehen zu lassen. In den Erläuterungen wurde die Seichtigkeit mancher im genannten Aufsatze vorgetragener Ansichten aufgezeigt. Die Versammlung bestellte nachher ein Komitee über diese Gegenstände, aber löste es später wie ihre meisten Komitees auf, ohne daß die Sachen weiter behandelt wurden. Die sämtlichen nicht im Unterhandlungskomitee begriffenen Mitglieder wurden den 29. Februar in ein großes Komitee von mehreren Sektionen vereinigt, welche die Beschwerden und allgemeinen Materien unter sich verteilen und besonders bearbeiten sollten. - Es ist aber von den Arbeiten dieser Sektionen eben nichts zum Vorschein gekommen. Wäre es durch ihre Arbeiten zu einer wirksamen Verhandlung mit dem Ministerium gekommen, so wäre geschehen, was schon früher verworfen war, nämlich ein Einlassen auf die Beschwerden.

Bei laufenden Gegenständen, wie die Ausschreibung und Beitreibung der Jahressteuern und anderen, kam der Anlauf den die Versammlung von Zeit zu Zeit zu nehmen sich getrieben 4/593 fühlte, gegen ihr Verhältnis ins Gedränge. Sie konnte weder als altwürttembergische Ständeversammlung Rechte der Mitwirkung ausüben - denn eine solche war sie nicht -, noch Rechte, die ihr aus der königlichen Charte zugestanden hätten - denn diese wollte sie nicht -, ebensowenig nach dem neuen Vergleich, denn dieser war noch nicht zustande gekommen. Daher kommen noch späterhin über diese Verlegenheit, ob die Versammlung hierzu kompetent, konstituiert oder nicht konstituiert sei, im Juni 1816 (XXV. Abt.) Diskussionen vor. Das königliche Ministerium wies die Versuche der Stände, sich als konstituiert geltend zu machen, mit der Natur ihres damaligen Verhältnisses zurück.

Das Geschäft in betreff des Verfassungsvergleichs aber hatte die Versammlung an ihre Kommissarien und Komitees übertragen. Anfangs (vom 1. Dezember 1815) hielt sie die Sitzungen, worin ihr über solche Gegenstände referiert wurde, geheim und führte abgesonderte Protokolle darüber. Nachdem aber das Detail der Unterhandlungen dem Komitee übertragen war, hob sie (den 25. Januar 1816) dies Geheimhalten wieder auf. - Früher schon, den 15. desselben Monats (XVII. Abt., S. 144), machten die Kommissarien den Antrag, daß nicht die einzelnen Abschnitte der Verfassungsarbeit vor die Versammlung gebracht, sondern das Ganze vorher vollständig bearbeitet werde. Herr Knapp trug im Komitee (13. Februar 1816, XIX. Abt., S. 75) unter anderem vor, daß bei der angeordneten Manier der Unterhandlungen, außerdem daß sie als eine diplomatische sich nicht zum Verhältnisse zwischen dem Könige und [den] Ständen zieme, nur fünf Mitglieder [regelmäßig] und sieben (damals bestand das Komitee aus zwölf) nur zuweilen tätig und wirksam, alle anderen aber fast bloß mit unbedeutenden Gegenständen beschäftigt wären. Über die Frage, wie während der Unterhandlungen die Versammlung überhaupt und in Beziehung auf die Verfassung ihren Beruf ausüben solle, wurde jetzt (den 29. Februar 1816, XX. Abt., S. 28) der Beschluß gefaßt, daß nicht ein Kapitel nach dem anderen, 4/594 sondern dereinst der ganze Konstitutionsentwurf zur Deliberation der Stände gebracht und diesen indes vom Komitee über den Gang der Verhandlungen im allgemeinen von Zeit zu Zeit referiert werden solle. Nachher geschah auch die vorhin erwähnte Vereinigung der übrigen Versammlung in ein Komitee von mehreren Sektionen.

So befand sich die Versammlung von selbst in dem Verhältnis, das der König durch ihre Vertagung Ende Juli 1815 hatte wollen eintreten lassen, das ihre Leidenschaft so sehr aufgeregt und mit welchem sie in der Sache nicht mehr viel zu verlieren zu haben glaubte. Den Überfluß ihres Beisammenseins während eines ganzen Jahres ohne reelle Wirksamkeit, weder für die Verfassung noch für andere Gegenstände, hatte, wie es scheint, die Betrachtung der Kostenvermehrung nicht zu entfernen vermocht. Herr Knapp sagte in einem Vortrage vom 9. Februar 1816 (XIX. Abt., S. 23), man höre jetzt schon und nicht mit Unrecht die Frage: "Wozu eine Versammlung von mehr als hundert Männern, wozu ein täglicher Aufwand von mehr als hundert Dukaten, wenn nur wenige die Geschäfte zu besorgen oder [die übrigen] nur mit minder wichtigen Gegenständen sich zu beschäftigen haben, die ebenfalls durch wenige besorgt werden konnten?" - Die Versammlung ist die Antwort schuldig geblieben.

Von dem Verfassungsentwurf wurden nun das Jahr über der Versammlung von Zeit zu Zeit, teils aus Auftrag der Komitees einzelne Kapitel, teils auch sonstige Aufsätze und sogenannte Materialien für einen solchen Entwurf verlesen. Alsdann konnten auch die Allgemeine Zeitung und andere "unbekannte" Schriftsteller dafür angesehen werden, an den Geschäften und der Unterhaltung der Versammlung teilzuhaben. Das Recht des freimütigen Urteils und andere Stimmen als die bisherigen Lobpreisungen der Zeitungen und Journale schienen ihr etwas so Fremdes zu sein, daß gegen Zeitungsartikel und Broschüren sogut als gegen königliche Reskripte Deliberationen angestellt, Komitees ernannt und weitläufige Arbeiten und Aufsätze, welche zu Büchern wurden, 4/595 vor der Versammlung verlesen wurden, die sich durch sie rechtfertigen und die, wie man es nannte, "gegen sie ausgeheckten Schmähungen und Verleumdungen" mitunter auf eine possierliche Weise widerlegen, wie man es gleichfalls nannte, hörte.

In der Sitzung vom 17. September 1816 (XXX. Abt., 1. St., S. 32) wurde angezeigt, daß das Instruktionskomitee seine auf die Verfassung sich beziehenden Arbeiten geendigt habe, welche der Versammlung nun nach und nach vorgelegt werden sollten. Einige derselben wurden noch vorgelesen. Aber auch in diesem letzten Vierteljahre kam die Versammlung nicht zu einer Beratschlagung, noch viel weniger zu Beschlüssen darüber. - Kurz vor dem in der Nacht vom 29. auf 30. Oktober 1816 erfolgten Tode des Königs Friedrich II. war in der Versammlung noch einmal den 24. Oktober (XXXII. Abt., S. 48) der Unwille gegen Schreiberei-Unfug laut geworden. Die Anzeige eines schreienden Falls schien sie aus der bisherigen Lethargie darüber zu reißen. Das dafür ernannte Komitee wurde verstärkt, und da Herr Knapp "wegen seit acht Monaten überhäuften Verfassungsgeschäften" den ihm übertragenen Bericht nicht hatte fertigen können und die Versammlung zu keiner Beratung gekommen war, ward den 21. November eine Adresse (XXXIII. Abt., S. 99 f.) nun an den neuen Regenten eingegeben und derselbe um Niedersetzung einer herr- und landschaftlichen Kommission gebeten, welcher jetzt die Arbeit aufgetragen werden sollte, die man bisher von den Ständen erwartet hatte. Für die gemeinschaftliche Arbeit mit königlichen Deputierten wird angeführt: weil diese große Erfahrung mitbringen, die nur die obersten Behörden haben können, - ein Eingeständnis, das auch wohl bei Abfassung eines Beschwerdenaufsatzes, der Organisation von Landständen und anderen Fällen hätte vorschweben dürfen. - Weil aber "jeder Monat Verzug das Land empfindlich beschädige" (warum hatte die Versammlung mit einer Arbeit von ihrer Seite so viele Monate gezaudert? ihr erstes Komitee hatte sie den 4/596 13. Mai 1815, also vor achtzehn Monaten niedergesetzt), so legte sie nur ein Komiteegutachten über provisorische Mittel vor, das sie übrigens nicht zu dem ihrigen gemacht und auch hierüber jetzt noch von ihrer Seite keine Vorschläge zur Abhilfe zustande gebracht hatte. Nachdem nun der König am 6. Dezember (XXXIII. Abt., S. 150) den Ständen zu erkennen gegeben, daß er dem Geheimen Rate die Prüfung des Entwurfs einer Verfassungsurkunde und des daraus hervorgegangenen Gegenentwurfs aufgetragen, und sie bis auf den 15. Januar 1817 vertagt hatte, ging die Versammlung auseinander.

Nach dieser so weitläufigen Darstellung - deren Gegenstand man verkennen würde, wenn man ihr den Zweck einer Verteidigung von etwas anderem als von dem mit dem höchsten Interesse verknüpften Begriffe der Landstände gegen die ihm so unangemessene und doch so anmaßliche Wirklichkeit, die sich durch den Druck ihrer Verhandlungen dem Publikum geschildert und zur Beurteilung hingestellt hat, unterlegen wollte - ist nur noch das merkwürdige Endresultat anzuführen, das Schicksal dieser Versammlung nämlich, durch den ganzen Lauf ihres langen und teuren Zusammenseins ohnehin nicht eine Übereinkunft mit dem Könige, aber auch nicht innerhalb ihrer selbst einen Beschluß über irgendeinen Inhalt eines Verfassungsgegenstandes zuwege gebracht zu haben.

 

 

 

131) Johannes Nauclerus, 1430(?)-1510, Chronist, später Kanzler

132) "In einzelnen Städten, Flecken und Dörfern werden zwölf Männer, die sich durch untadligen Lebenswandel und Ehrbarkeit auszeichnen, als Richter gewählt, ohne Rücksicht auf ihren Stand und gleichviel, ob sie des Schreibens kundig sind oder nicht, die das Richteramt auf sich nehmen müssen, allein der Ehre wegen und ohne irgend Lohn oder Entgelt erhalten zu dürfen. Aber an den im Interesse des allgemeinen Wohls und unter Hintansetzung aller ihrer Geschäfte festgesetzten Gerichtstagen bemühen sie sich und beschwören einzeln, daß sie nach dem handeln werden, was ihnen als das Gerechtere und Bessere erscheint, und lassen sich in Anwesenheit des örtlichen Magistrats die Fälle vortragen und sprechen, wenn sie die Parteien zur Genüge gehört haben, ihr Urteil - nicht nach den [kaiserlichen] Gesetzen, von denen sie keinerlei Kenntnis haben, sondern nach der Vernunft und Gewohnheit der Richter." (Das von Hegel angeführte Werk Nauclers konnte nicht identifiziert werden.)

133) *Nach dieser Terminologie hieße z. B. auch die Erbauung einer neuen Brücke, eines Rathauses usf. ein Schaden.

134) *S. 64 Abt. XVIII wird angeführt, daß "der Herzog Karl im Jahre 1760 den übermäßigen Schreiberverdienst der Stadt- und Amtsschreiber zum Vorwand gebrauchte, um diese zu einem gezwungenen Anlehen von 50 000 Fl. an die Kriegskasse zu nötigen". - Jener Vorwand ließe sich wenigstens als ein ebenso guter Grund und diese despotische Handlung leicht als geradeso gerecht betrachten als jene Lehensgefälle und Bezüge der Stadt- und Amtsschreiber selbst.

135) *Man erstaunt über das daselbst ausführlich angegebene Detail von dem Aussaugen der Gemeinden durch das Schreibereiwesen; es finden sich darunter die Berechnungen von Ortschaften, in welchen die Schreibereikosten sich auf 6 3/4 und 7 Steuern belaufen.

136) *Was im Nov. 1816 noch geschehen, wird unten erwähnt werden.

137) *Spittler in der Sammlung einiger Urkunden und Aktenstücke zur neusten württembergischen Geschichte, Göttingen im Jahre 1796, sagt in dem Entwurf einer Geschichte des engeren landschaftlichen Ausschusses, II. Teil S. 359 f.: "In manchem Lande ist die gut eingerichtete Kollegienverfassung desselben eine weit bessere Schutzwehr des allgemeinen Wohls geworden als selbst die ständische Konstitution. Daher ruht denn auch oft auf diesem und jenem landesherrlichen Kollegium eine allgemeine Ehrerbietung des ganzen Publikums, indessen das ständige Korps zu einer Nichtachtung herabsinkt, die bei der ursprünglichen Bestimmung desselben fast unmöglich sein sollte und doch überall unverkennbar hervorbricht" - An noch vieles andere aus jenem Aufsatze, das auch auf die neueren Verhältnisse Anwendung fände, könnte erinnert werden; nur dies noch: S. 444 heißt es in Ansehung der Einrichtung der Kontrolle über die Verwaltung der Landeskasse durch den engeren Ausschuss, daß nicht leicht eine schlechtere Kontrolle aufgefunden werden möchte, daß aber, einige Menschlichkeiten abgerechnet, im ganzen traktatenmäßig gewirtschaftet worden sei. - Damals war die oben angeführte Bewirtschaftung der Landeskasse noch nicht ans Licht gezogen worden. - Ebenso merkwürdig ist, was S. 445 f. darüber vorkommt, wie die Mandanten, die Städtemagistrate von der Kenntnis und dem Verständnis der Rechte immer mehr abkamen, daß ihre Ungeschicklichkeit keine Rechte und die Unwissenheit keine Autorität mehr - gegen die Komitee-Herren - behaupten konnte, - wie es nicht anders gehen konnte, da die allgemeinen Angelegenheiten nicht mehr volksmäßig, sondern advokatenmäßig und überdem geheim betrieben wurden; ferner wie auf Landtagen das Verhältnis zwischen den Ausschüssen und den übrigen Landtagsdeputierten sich machte, die Komitee-Herren referierten und die Vota der übrigen "gleichsam nur für die Langeweile gehört worden seien".

138) In der XVI. Abt., S. 161, bemerkt der Herr Fürst von Waldburg-Zeil, daß "die meisten Vorträge so schnell und so wenig laut vorgelesen werden" (es hatte in dieser Sitzung nur Herr Bolley Vorträge im Namen eines Komitees über den Entwurf einer Adresse und in der vorhergehenden diesen Entwurf selbst abgelesen), "dass, wenn man nicht genau instruiert sei" (wie das Komitee), "man den ganzen Inhalt nicht fassen könne". Jener Umstand, von dem auch oben schon die Rede gewesen, vergesellschaftet sich leicht mit dem Vorlesen von Aufsätzen, ist aber für die eigene Einsicht einer Versammlung in die Sache nicht förderlich, die sich um so leichter dadurch veranlaßt sieht, sich auf ihre Komitees zu verlassen und einmütig in ihre Gutachten einzugehen

 

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