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Georg
Wilhelm Friedrich
Hegel
Nürnberger und Heidelberger  Schriften
1808-1817


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Über den Vortrag der Philosophie auf Gymnasien

Privatgutachten für den Königlich Bayrischen
Oberschulrat Immanuel Niethammer                 
Textvorlage: Werke Bd. XVII, S. 335 ff.


(1812)

Nürnberg, den 23. Okt. 1812

Der Vortrag der philosophischen Vorbereitungswissenschaften in dem Gymnasium bietet zwei Seiten dar:

I. die Lehrgegenstände selbst,
II. die Methode.   >>>

 

I.

Was I. die Lehrgegenstände nebst deren Verteilung an die drei Klassen betrifft, so setzt das Normativ Folgendes darüber fest:

1. Für die Unterklasse ist (III, § 5 III) die Religions-, Rechts- und Pflichtenkenntnis bestimmt.

Dagegen VC ist angegeben, daß in der Unterklasse der Anfang der Übung des spekulativen Denkens mit der Logik gemacht werden könne.

2. Für die Mittelklasse: a) Kosmologie, natürliche Theologie, in Verbindung mit den Kantischen Kritiken. b) Psychologie.

3. Für die Oberklasse: philosophische Enzyklopädie.

Da in Ansehung der Unterklasse der Vortrag der Rechts-, Pflichten- und Religionslehre und der Logik nicht wohl zu vereinigen ist, so habe ich es bisher so darin gehalten, daß ich in der Unterklasse nur die Rechts-, Pflichten- und Religionslehre abhandelte, die Logik aber auf die Mittelklasse aufsparte, und zwar abwechselnd mit der Psychologie in dieser Klasse, die von zweijährigem Kursus ist, vortrug. Auf die Oberklasse kam dann die vorgeschriebene Enzyklopädie.

Wenn ich über die ganze Verteilung mein allgemeines Urteil sowohl nach der Sache selbst als nach meiner Erfahrung abgeben soll, so kann ich nur erklären, daß ich sie sehr zweckmäßig gefunden habe.

Um in das Nähere hierüber einzugehen, so ist
1. in Ansehung des ersten Lehrgegenstandes im Normativ der Ausdruck "Religions-, Rechts- und Pflichtenlehre" gebraucht,
worin die Voraussetzung liegt, daß unter diesen drei Lehren mit der Religion der Anfang gemacht werde.
Insofern noch kein Kompendium vorhanden ist, muß wohl dem Lehrer die Freiheit bleiben, hierin nach seiner Einsicht die Ordnung und den Zusammenhang zu bilden.
Ich meines Orts weiß nichts anderes, als mit dem Rechte, der einfachsten und abstraktesten Folge der Freiheit anzufangen,
alsdann zur Moral fortzugehen und von da zur Religion als der höchsten Stufe fortzuschreiten.
- Doch dieser Umstand beträfe näher die Natur des abzuhandelnden Inhalts und gehört eine weitere Ausführung nicht hierher.

Wenn die Frage gemacht würde, ob dieser Lehrgegenstand passend sei, den Anfang der Einleitung in die Philosophie zu machen, so kann ich dies nicht anders als bejahend beantworten.
Die Begriffe dieser Lehren sind einfach und haben zugleich eine Bestimmtheit, die sie für das Alter dieser Klasse ganz zugänglich macht; ihr Inhalt ist durch das natürliche Gefühl der Schüler unterstützt, er hat eine Wirklichkeit im Innern derselben,
denn er ist die Seite der inneren Wirklichkeit selbst.
Ich ziehe daher diesen Lehrgegenstand für diese Klasse der Logik weit vor, weil diese einen abstrakteren und vornehmlich einen von jener unmittelbaren Wirklichkeit des Innern entfernteren, nur theoretischen Inhalt hat.
Freiheit, Recht, Eigentum usf. sind praktische Bestimmungen, mit denen wir täglich umgehen und die, außer jener unmittelbaren, auch eine sanktionierte Existenz und reale Gültigkeit haben.
Die logischen Bestimmungen von Allgemeinem und Besonderem usf. sind dem Geiste, der noch nicht im Denken zu Hause ist, Schatten gegen das Wirkliche, an das er rekurriert, ehe er jene unabhängig von diesem festzuhalten und zu betrachten geübt ist.
Die gewöhnliche Forderung an ein einleitendes Lehren der Philosophie ist zwar, daß man vom Existierenden anfangen und von da aus das Bewußtsein zum Höheren, zum Gedanken fortführen solle.
Aber in den Freiheitsbegriffen ist selbst das Existierende und Unmittelbare vorhanden, das zugleich, ohne vorhergehende Anatomie, Analyse, Abstraktion usf., schon Gedanke ist.
- Es wird also in diesen Lehren in der Tat mit dem Verlangten, dem Wahrhaften, dem Geistigen, Wirklichen angefangen.
- Ich habe immer bei dieser Klasse ein größeres Interesse an diesen praktischen Bestimmungen als an dem wenigen Theoretischen, das ich vorauszuschicken hatte, gefunden und den Unterschied dieses Interesses noch mehr gefühlt, als ich das erste Mal nach der Weisung des erläuternden Teils des Normativs mit den Grundbegriffen der Logik den Anfang machte; seitdem habe ich dies nicht wiederholt.

2. Die höhere Stufe für den Lernenden ist das theoretisch Geistige, das Logische, Metaphysische, Psychologische.
Das Logische und Psychologische zunächst miteinander verglichen, so ist das Logische im ganzen für das Leichtere anzusehen,
weil es einfachere, abstrakte Bestimmungen zu seinem Inhalt hat, das Psychologische dagegen ein Konkretes,
und zwar sogar den Geist.
Aber zu leicht ist die Psychologie, wenn sie so trivial als ganz empirische Psychologie, wie etwa in Campes Psychologie für Kinder, [Joachim Heinrich Campe, Kleine Seelenlehre für Kinder, Hamburg 1780 ]genommen werden soll.
- Was ich von [Carl Gustav] Carus' Manier kenne, ist so langweilig, unerbaulich, leblos, geistlos, daß es gar nicht auszuhalten ist.

Ich teile den Vortrag der Psychologie in zwei Teile,
a) des erscheinenden,
b) des an und für sich seienden Geistes;
- in jenem handle ich das Bewußtsein nach meiner Phänomenologie des Geistes,
aber nur in den dort bezeichneten drei ersten Stufen,
1. Bewußtsein, 2. Selbstbewußtsein, 3. Vernunft,            [>>>]
in diesem die Stufenfolge von Gefühl, Anschauung, Vorstellung, Einbildungskraft usf. ab.
Beide Teile unterscheide ich so, daß der Geist als Bewußtsein auf die Bestimmungen als auf Gegenstände tätig ist
und sein Bestimmen ihm zu einem Verhältnis zu einem Gegenstande wird,
daß er als Geist aber nur auf seine Bestimmungen tätig ist
und die Veränderungen in ihm als seine Tätigkeiten bestimmt sind und so betrachtet werden.

Indem die Logik die andere Wissenschaft der Mittelklasse ist, so scheint damit die Metaphysik leer auszugehen.
Es ist dies ohnehin eine Wissenschaft, mit welcher man heutigentags in Verlegenheit zu sein pflegt.
In dem Normativ ist die Kantische Darstellung der antinomischen Kosmologie und der ebenso dialektischen natürlichen Theologie angegeben. In der Tat ist dadurch nicht sowohl die Metaphysik selbst als die Dialektik derselben vorgeschrieben,
womit diese Partie wieder in die Logik, nämlich als Dialektik, zurückkommt.

Nach meiner Ansicht des Logischen fällt ohnehin das Metaphysische ganz und gar dahinein.
Ich kann hierzu Kant als Vorgänger und Autorität zitieren.
Seine Kritik reduziert das seitherige Metaphysische in eine Betrachtung des Verstandes und der Vernunft.
Logik kann also nach Kantischem Sinne so genommen werden, daß außer dem gewöhnlichen Inhalt der sogenannten allgemeinen Logik die von ihm als transzendentale Logik bezeichnete damit verbunden und vorausgeschickt wird,
- nämlich dem Inhalte nach die Lehre von den Kategorien, Reflexionsbegriffen und dann den Vernunftbegriffen.
- Analytik
und Dialektik.
- Diese objektiven Denkformen sind ein selbständiger Inhalt, die Partie des Aristotelischen Organon de categoriis
- oder die vormalige Ontologie. Ferner sind sie unabhängig vom metaphysischen System;
sie kommen beim transzendentalen Idealismus ebensosehr vor wie beim Dogmatismus;
dieser nennt sie Bestimmungen der entium, jener des Verstandes.
- Meine Objektive Logik wird, wie ich hoffe, dazu dienen, die Wissenschaft wieder zu reinigen und sie in ihrer wahren Würde darzustellen. Bis sie mehr gekannt wird, enthalten jene Kantischen Unterscheidungen bereits das Notdürftige oder Grobe davon.

In Ansehung der Kantischen Antinomien wird ihre dialektische Seite unten noch erwähnt.
Was ihren sonstigen Inhalt betrifft, so ist er teils das Logische, teils die Welt in Zeit und Raum, die Materie.
Insofern in der Logik bloß ihr logischer Gehalt - nämlich die antinomischen Kategorien, welche sie enthalten - vorkommt,
so fällt es hinweg, daß sie die Kosmologie betreffen;
aber in der Tat ist jener weitere Inhalt, nämlich die Welt, Materie u. dgl., auch ein unnützer Ballast, ein Nebelbild der Vorstellung, das keinen Wert hat.
- Was die Kantische Kritik der natürlichen Theologie betrifft, so kann sie, wie ich getan habe, in der Religionslehre,
worin ein solcher Stoff besonders für einen drei- und resp. vierjährigen Kursus nicht unwillkommen ist, vorgenommen werden.
Es hat Interesse, teils eine Kenntnis von den so berühmten Beweisen vom Dasein Gottes zu geben,    [>>>]
teils mit der ebenso berühmten Kantischen Kritik derselben bekannt zu machen, teils diese Kritik wieder zu kritisieren. [>>>]

3. Die Enzyklopädie, da sie philosophisch sein soll, schließt wesentlich die ohnehin gehaltleere und der Jugend auch noch nicht nützliche literarische Enzyklopädie aus. Sie kann nichts anderes enthalten als den allgemeinen Inhalt der Philosophie,
nämlich die Grundbegriffe und Prinzipien ihrer besonderen Wissenschaften, deren ich drei Hauptwissenschaften zähle:
1. die Logik,
2. die Philosophie der Natur,
3. die Philosophie des Geistes.
Alle anderen Wissenschaften, die als nicht-philosophische angesehen werden, fallen in der Tat nach ihren Anfängen in diese,
und nach diesen Anfängen sollen sie allein in der Enzyklopädie, weil sie philosophisch ist, betrachtet werden.
- So zweckmäßig es nun ist, auf dem Gymnasium eine solche Übersicht der Elemente zu geben, so kann sie auch wieder bei näherer Betrachtung für überflüssig angesehen werden, - darum, weil die in der Enzyklopädie kurz zu betrachtenden Wissenschaften in der Tat schon, selbst ausführlicher, größtenteils dagewesen sind.
Nämlich die erste Wissenschaft der Enzyklopädie, die Logik, von der bereits oben gesprochen;
die dritte Wissenschaft, die Lehre vom Geiste,
1. in der Psychologie,
2. in der Rechts-, Pflichten- und Religionslehre
(selbst schon die Psychologie als solche, die in die zwei Teile des theoretischen und praktischen Geistes oder der Intelligenz und des Willens zerfällt, kann größtenteils der Ausführung ihres zweiten Teils entbehren, weil derselbe in seiner Wahrheit schon als Rechts-, Pflichten- und Religionslehre vorgekommen ist. Denn die bloß psychologische Seite der letzteren, nämlich Gefühle, Begierden, Triebe, Neigungen, sind nur ein Formelles, das seinem wahren Inhalte nach
- z. B. der Trieb nach Erwerb oder nach Wissen, die Neigung der Eltern zu den Kindern usf.
- in der Rechts- oder Pflichtenlehre als notwendiges Verhältnis, als Pflicht des Erwerbs mit der Einschränkung der Rechtsprinzipien, als Pflicht, sich zu bilden, als Pflichten der Eltern und Kinder usf. bereits abgehandelt ist.)
- Indem zur dritten Wissenschaft der Enzyklopädie noch die Religionslehre gehört, so ist auch dieser ein besonderer Unterricht gewidmet.
Zunächst ist daher nur die zweite Wissenschaft, die Philosophie der Natur noch für die Enzyklopädie übrig.        [>>>]
- Allein
1. hat die Naturbetrachtung noch wenig Reize für die Jugend;
das Interesse an der Natur fühlt sie mehr - und nicht mit Unrecht - als eine theoretische Müßigkeit in Vergleichung gegen menschliches und geistiges Tun und Gestalten;
2. ist die Naturbetrachtung das Schwerere; denn der Geist, indem er die Natur begreift, hat das Gegenteil des Begriffs in den Begriff zu verwandeln, - eine Kraft, der nur das erstarkte Denken fähig ist;
3. setzt die Naturphilosophie, als spekulative Physik, Bekanntschaft mit den Naturerscheinungen - mit der empirischen Physik - voraus, eine Bekanntschaft, welche hier noch nicht vorhanden ist.
- Als ich im vierten Jahre der Existenz des Gymnasiums in der Oberklasse solche Schüler erhielt, welche die drei Kurse der Philosophie in der Mittel- und Unterklasse durchlaufen hatten, mußte ich die Bemerkung machen, daß sie mit dem größten Teil des philosophischen wissenschaftlichen Kreises schon bekannt seien und ich des größten Teils der Enzyklopädie entbehren könnte;
ich hielt mich alsdann vornehmlich an die Naturphilosophie.
- Dagegen fühlte ich als wünschenswert, daß eine Seite der Philosophie des Geistes, nämlich die Partie des Schönen,
weiter ausgeführt würde.              [>>>]
Die Ästhetik ist außer der Naturphilosophie die besondere Wissenschaft, welche in dem wissenschaftlichen Zyklus noch fehlt,
und sie scheint sehr wesentlich eine Gymnasialwissenschaft sein zu können.
Sie könnte dem Professor der klassischen Literatur in der Oberklasse übertragen sein, der aber mit dieser Literatur schon genug zu tun hat, welcher es sehr schädlich wäre, Stunden zu entziehen.
Es wäre aber höchst nützlich, wenn die Gymnasiasten außer mehr Begriff von Metrik auch bestimmtere Begriffe von
der Natur des Epos, der Tragödie, der Komödie u. dgl. erhielten.
Die Ästhetik könnte einerseits die neueren, besseren Ansichten von dem Wesen und dem Zwecke der Kunst geben,
andererseits aber müßte sie ja nicht ein bloßes Gewäsche von der Kunst bleiben, sondern sich, wie gesagt, auf die besonderen Dichtungsarten und die besonderen antiken und modernen Dichtungsweisen einlassen, in die charakteristische Bekanntschaft mit den vornehmsten Dichtern der verschiedenen Nationen und Zeiten einleiten und diese Bekanntschaft mit Beispielen unterstützen. - Es würde dies eben ein so lehrreicher als angenehmer Kursus sein;
er enthielte lauter solche Kenntnisse, die für Gymnasiasten höchst passend sind, und es kann als ein reeller Mangel gelten,
daß diese Wissenschaft keinen Lehrgegenstand in einer Gymnasialanstalt ausmacht.
- Die Enzyklopädie wäre auf diese Weise, der Sache nach, im Gymnasium mit Ausnahme der Naturphilosophie vorhanden;
es fehlte etwa nur noch eine philosophische Ansicht der Geschichte,                  [>>>]
die aber teils noch entbehrt werden, teils auch sonst, z. B. in der Religionswissenschaft bei der Lehre von der Vorsehung,
ihre Stelle finden kann.
Die allgemeine Einteilung des ganzen Gebiets der Philosophie, daß es drei sind,
reines Denken, Natur und Geist,
 muß ohnehin öfters bei der Bestimmung der einzelnen Szientien erwähnt werden.

 

 

 Bewußtsein

Die sinnliche Gewißheit; oder das Diese und das Meinen

Die Wahrnehmung; oder das Ding, und die Täuschung

Kraft und Verstand, Erscheinung und übersinnliche Welt

 

                                                                              Selbstbewußtsein

Die Wahrheit der Gewißheit seiner selbst

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Gewißheit und Wahrheit der Vernunft

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