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[Beurteilung der]
Verhandlungen in der Versammlung der Landstände des Königreichs Württemberg im Jahr 1815 und 1816.
XXXIII Abteilungen

Das vor drittehalb Jahren begonnene Geschäft, eine deutsche Monarchie, die wir in unseren Zeiten entstehen sahen, durch die Einführung einer repräsentativen Verfassung zu vollenden, hat von seinem Beginnen ein so allgemeines Interesse bei dem deutschen Publikum erweckt, daß für dasselbe nichts Angenehmeres geschehen konnte, als daß die Verhandlungen der württembergischen Ständeversammlung öffentlich bekanntgemacht worden sind.
An die Stelle der Hoffnungen, welche den Anfang und Fortgang begleiteten, muß am Schlusse sich Erfolg und Urteil zeigen.
Die 33 Hefte, auf welche sich diese Betrachtung zunächst beschränkt, enthalten zwar noch nicht die Vollendung des Hauptzwecks, aber sie bilden insofern ein geschichtliches Ganzes, als sie einerseits den Verfolg bis zum Tode des Königs darstellen, welcher die Monarchie gestiftet und auch den zweiten Schritt, den der inneren freien Konstituierung derselben, begonnen hat, und als die eigentümliche Entwicklung dieser Begebenheit in ihren Hauptzügen als seiner Regierung angehörig angesehen werden konnte; - andererseits erscheint die Arbeit von seiten der Stände als ein Vollendetes, insofern ein hierzu von ihnen beauftragter Ausschuß mit seinem Entwurfe einer Verfassung fertiggeworden, welcher gleichfalls im Druck erschienen ist.

Diese Verhandlungen stellen ferner zwar vornehmlich nur die eine Seite der Arbeiten jenes Versuchs dar,
die öffentlichen Arbeiten nämlich, soweit sie in die Ständeversammlung treten; die innere Geschichte der Arbeiten des Kabinetts und des Ministeriums sowie, was außer der Versammlung im Volke vorging, die etwaigen äußeren Zwecke und Tätigkeiten der Mitglieder der Stände, überhaupt was man sonst zum geheimen Zusammenhange der Ereignisse und Handlungen zu rechnen pflegt, ist hier verdeckt. Das Interesse des Publikums ist aber schon von selbst vornehmlich auf den öffentlichen Teil der Verhandlungen aufmerksam gewesen, welcher ohnehin vornehmlich den Charakter hat, die würdigen Materialien der Geschichte abzugeben. Die sogenannten geheimen Triebfedern und Absichten einzelner Individuen, Anekdoten und subjektive Einwirkungen wurden in einer noch vor kurzem beliebten psychologischen Ansicht der Geschichte für das Wichtigste gehalten.
Diese Ansicht ist jedoch nun außer Kredit gekommen, und die Geschichte strebt wieder nach ihrer Würde, die Natur und den Gang der substantiellen Sache darzustellen und die Charaktere der handelnden Personen aus dem, was sie tun, zu erkennen zu geben; die Überzeugung ist allgemeiner geworden, daß aus Zufälligkeiten weder die Sache noch die Charaktere in ihrer Gediegenheit hervorgehen und zu erkennen sind.

Die geschichtlichen Vorgänge, die wir hier vor uns sehen, haben den eigentümlichen Reiz, daß sie nicht einen so beträchtlichen Teil von Vergangenem enthalten als eine Geschichte fernerer Zeiten; die großen Zwecke und Interessen wie die kleineren Eigentümlichkeiten und Äußerlichkeiten haben noch Gegenwart. Die Begriffe über den Gegenstand des Interesses, welche wir an diese Begebenheit mitbringen müssen, dürfen wir an kein entfernteres Zeitalter, selbst nicht des gebildeten Griechenlands und Roms fordern; sie sind unserer Zeit eigentümlich. Alsdann sehen wir diese Ideen über Staatsverfassung und insbesondere über die Aufnahme eines Anteils daran, wodurch dem Volke eine Einwirkung in dieselbe und ein öffentliches Leben eingeräumt wird, hier nicht als Gedanken eines Schriftstellers etwa mit den Gedanken eines anderen verglichen, sondern eine deutsche Regierung und ein deutsches Volk in der geistigen Arbeit um diese Gegenstände begriffen und die Gedanken in der Wiedergeburt einer Wirklichkeit beschäftigt.

Die Zeit hatte für Württemberg eine neue Aufgabe und die Forderung ihrer Lösung herbeigeführt, die Aufgabe, die württembergischen Lande zu einem Staate zu errichten. Nachdem der Unsinn der Einrichtung, welcher Deutsches Reich genannt und wohl am richtigsten von einem wenigstens geistreichen Geschichtsschreiber als die Konstituierung der Anarchie bezeichnet worden ist, endlich sein verdientes und ihm auch in der äußeren Art und Weise gemäßes schimpfliches Ende erreicht hatte, erhielt das vormalige Württemberg nicht nur eine Vergrößerung um mehr als das Doppelte gegen seinen vorherigen Bestand, sondern dieses Ganze, dessen Teile vorher deutsche Reichslehen, der Teil, der das Herzogtum ausgemacht hatte, auch ein böhmisches Afterlehen gewesen war, warf diese Unterordnung ab, trat mit der königlichen Würde des Fürsten in die Souveränität über und in die Stellung eines Staates, - eines von den wirklichen deutschen Reichen, die den Platz des Undings einnehmen, das nur noch den leeren Namen eines Reichs geführt hatte.

Solche Epochen sind höchst selten, ebenso selten die Individuen, welchen das Schicksal das ausgezeichnete Los zuteilte, Staaten zu stiften. Das Geschichtliche dieser Wenigen verliert sich meist in eine graue Vorzeit und in einen Zustand von wilden, wenigstens noch wenig gebildeten Sitten, wo nach außen zwar ein Staat geworden, die innere Einrichtung aber in einfachen Gewohnheiten des Volks und in dem Charakter des Chefs lag.
Die geschichtliche Entstehung gegliederter Verfassungen ist durch eine lange Reihe von Jahrhunderten ausgedehnt; den wenigen Hauptzügen, die zugrunde lagen, gab das Bedürfnis des Augenblicks, Not und Gewalt der Umstände jedesmal an irgendeinem einzelnen Punkte eine Entwicklung und Zusätze. Der Gesichtspunkt, um den sich die näheren Bemühungen dieser Ausbildung drehen, ist ziemlich einfach; es sind einerseits die Anstrengungen der Regierung, die Macht und die Anmaßungen des aristokratischen Mittelgliedes zu bezwingen und dem Staate seine Rechte gegen dasselbe zu erwerben, andererseits die Anstrengungen des dritten Standes, der oft auch für sich Volk heißt, gegen dieselbe Zwischenmacht, zuweilen auch gegen die Regierung selbst, sich Bürgerrechte zu erringen und abzutrotzen. So zeigt eine Verfassung im Überblicke sich als ein Aggregat entstanden, die Entwicklung nicht gleichförmig fortgeschritten, einzelne Teile zurückgeblieben, andere zu störenden Auswüchsen erweitert, so daß solche Verfassung einem alten Hause gleicht, dessen einfache Grundform eine lange Reihe von Besitzern, nach den Erweiterungen der Familie und dem Bedürfnisse des Augenblicks, in eine Sammlung von Anbauten und Winkeln verwandelt hat, die ihre einzelnen Bequemlichkeiten haben, aber zusammen ein unförmliches und unverständiges Ganzes ausmachen.
Die Geistesbildung der Zeit hat die Idee eines Staats und damit seiner wesentlichen Einheit, und eine fünfundzwanzigjährige, soeben abgelaufene, meist fürchterliche Wirklichkeit hat die Anschauung der mannigfaltigen Versuche, die Idee zu fassen, und eine kostbare vollständige Erfahrung gegeben.
Die Gunst der Umstände endlich gewährte hierzu dem Regenten Württembergs auch das Dritte, die äußerlichen Bedingungen, und noch den ausgezeichneten Vorteil, daß er den aristokratischen Mittelstand nicht als ein früher festgestelltes Hindernis in einem privilegierten Landadel vorzufinden, sondern daß dies Element jetzt erst nur aufzunehmen zu sein schien. Der König schien hiermit auf den in der Geschichte einzigen Standpunkt gestellt zu sein, eine Verfassung aus einem Gusse geben zu können.

Von der erlangten Souveränität war die eine Seite, die Existenz und Anerkennung des neuen württembergischen Staats nach außen, vollbracht. Die erste Zeit ihrer Entstehung war in Umstände gefallen, unter denen alles für die äußerliche Herstellung und Erhaltung gebieterisch aufgeboten, nach innen daher die Mittel durch eine kräftige Ministerialregierung zusammengenommen und in fester Hand zum Gebrauch bereitgemacht werden mußten.
Nun war die Zeit gekommen, wo nicht bloß die Macht des Staats, sondern auch der Wille desselben lebendig werden konnte.
Das Glück und die Anstrengungen der europäischen Regierungen und ihrer Völker hatten es vollbracht, die Souveränität der deutschen Reiche von der Beschränkung, unter der sie noch lagen, zu befreien, und damit die Möglichkeit herbeigeführt, den Völkern freie Verfassungen zunächst zu versprechen.
Eine höhere Notwendigkeit aber als in dem positiven Bande eines Versprechens liegt in der Natur der zu allgemeiner Überzeugung gewordenen Begriffe, welche an eine Monarchie die Bestimmung einer repräsentativen Verfassung, eines gesetzmäßigen Zustandes und einer Einwirkung des Volkes bei der Gesetzgebung knüpfen.
- Friedrich II. tat nun auch diesen zweiten Schritt, den monarchischen Staat nach innen zu schaffen.

Das Versprechen ließ sich auf eine Weise erfüllen, welche für die klügste gehalten, ja sogar für die rechtlichste ausgegeben werden konnte, welche aber der perfideste Rat gewesen wäre, den Minister hätten geben können.
Wenn die Fürsten der neuen Reiche ihre Völker recht gründlich hätten betrügen und sich Ehre sozusagen vor Gott und den Menschen hätten erwerben wollen, so hätten sie ihren Völkern die sogenannten alten Verfassungen zurückgegeben;
- Ehre vor Gott und der Welt - denn nach so vielen öffentlichen Stimmen und insbesondere auch nach der vorliegenden Geschichte könnte man meinen, daß die Völker in die Kirchen geströmt und laute Tedeums gesungen hätten.
- Für Machiavellis Manen hätten sich die Fürsten den Ruhm der feinen Politik der Auguste und der Tibere erworben, welche gleichfalls die Formen des vorhergehenden Zustandes, damals einer Republik, bestehen ließen, während diese Sache nicht mehr war und unwiderruflich nicht mehr sein konnte, - ein Bestehen und ein Betrug, in welchen ihre Römer eingingen und wodurch die Errichtung eines vernünftigen, monarchischen Zustandes, dessen Begriff die Römer noch nicht fanden, unmöglich wurde.
- Diese Politik konnte unseren Fürsten um so näher liegen, wenn sie aus der Erfahrung der letzten fünfundzwanzig Jahre die Gefahren und Fürchterlichkeiten, welche sich an die Erschaffung neuer Verfassungen und einer vom Gedanken ausgehenden Wirklichkeit geknüpft, und dagegen die gefahrlose Ruhe und Nullität, in welche die Institute der vormaligen landständischen Verfassungen sich herabgebracht hatten, miteinander verglichen, - wenn sie mit dieser schon vorhandenen Nullität weiter die Reflexion verbanden, wie jene Institute in dem ganz anderen Verhältnisse, das eingetreten war, wie die römischen Institute, welche Augustus und Tiberius bestehen ließen, den wenigen Sinn und Konsequenz vollends verloren, die sie in einem deutschen Reichslehen noch zu haben scheinen konnten.

König Friedrich hat sich über die Versuchung dieser Täuschung erhaben gezeigt. Er berief die fürstlichen und gräflichen Familienhäupter seines Reichs und eine Auswahl aus dem übrigen Adel desselben, ingleichen eine Anzahl von den Bürgern gewählter Volksdeputierter auf den 15. März 1815 zusammen, und die Geschichte dieser Verhandlungen eröffnet sich mit der immer großen Szene, daß der König in voller Versammlung dieser seiner Reichsstände zuerst vom Throne eine Rede an sie hielt, worin er, nachdem er zunächst ausgedrückt, was bereits getan sei, daß nämlich die vorher so verschiedenen Landesteile und Untertanen in ein unzertrennbares Ganzes vereinigt, der Unterschied des Religionsbekenntnisses und des Standes in bürgerlicher Beziehung verschwunden, die öffentlichen Lasten für alle in gleiches Verhältnis gebracht und somit alle zu Bürgern eines Staats geworden, - dann seinem Volke das Zeugnis der Treue und Gehorsams, dem Heer das Zeugnis der Tapferkeit und der dem Namen Württemberg gebrachten Ehre, den Staatsdienern das der Unterstützung in seinen Bemühungen und den Untertanen aller Klassen das einer willigen Ergebung in die schweren Lasten der Zeit und der Anstrengungen aller Art, durch welche die Sicherheit und Erhaltung errungen worden, erteilt hatte,
nun erklärte, daß er den Schlußstein zu dem Gebäude des Staats lege, indem er seinem Volke eine Verfassung gebe.
Nachdem er an die anwesenden Stellvertreter, durch welche die Nation berufen sei, sich mit dem Staatsoberhaupte zur Ausübung der bedeutendsten Rechte der Regierungsgewalt zu vereinigen, zum Schlusse noch den Aufruf gemacht hatte:
Laßt Uns vereinigt zur Förderung der Angelegenheiten der Nation, wozu die Verfassung diese Versammlung beruft,
das heilige Band zwischen Mir und meinen Untertanen mit entgegenkommendem Vertrauen befestigen,
ließ er die Verfassungsurkunde durch den Minister des Innern verkündigen.
Nach ihrer Verlesung verpflichtete er sich selbst darauf und übergab sie eigenhändig dem Präsidenten der Versammlung.

Es kann wohl kein größeres weltliches Schauspiel auf Erden geben, als daß ein Monarch zu der Staatsgewalt, die zunächst ganz in seinen Händen ist, eine weitere und zwar die Grundlage hinzufügt, daß er sein Volk zu einem wesentlich einwirkenden Bestandteil in sie aufnimmt. Wenn man sonst das große Werk einer Staatsverfassung, ja die meisten anderen Regierungshandlungen nur in einer Reihe zerstückelter Handlungen und zufälliger Begebenheiten ohne Übersicht und Öffentlichkeit werden sieht und die öffentliche Erscheinung der Fürstlichkeit und Majestät sich nach und nach auf Geburtstagsfeier oder Vermählungsfeste beschränkt hatte,
so kann man versucht werden, bei jener Szene, wo die Erscheinung der Majestät dem inneren Gehalte ihrer Handlung so entsprechend ist, als bei einer wohltätigen, erhabenen und bekräftigenden Anschauung einen Augenblick zu verweilen.
Aber ebenso nahe würde es liegen, zu meinen, man habe sich für einen solchen Augenblick des Verweilens zu entschuldigen.
Denn die Veranlassungen, in denen wir die fürstliche Repräsentation zu sehen gewohnt worden, die Leerheit und Tatlosigkeit der vormaligen Staatsversammlung, des deutschen Reichstags, überhaupt die Nullität und Unwirklichkeit des öffentlichen Lebens haben eine solche Verdrießlichkeit gegen dergleichen Aktus, einen moralischen und hypochondrischen Privatdünkel gegen das Öffentliche und gegen die Erscheinung der Majestät zur durchgreifenden Stimmung gemacht, daß die Erwähnung derselben und etwa die Ansicht, solche Erscheinung für fähig zur Anregung großherziger Gefühle zu halten, eher für alles andere als für Ernst, kaum für Gutmütigkeit genommen, vielmehr als höfische Torheit und sklavische Verblendung und Absichtlichkeit beurteilt zu werden sich der Gefahr aussetzte. Unsere politische Erstorbenheit ist unempfänglich, solcher Szenen froh zu werden, und die Gründlichkeit wendet sich davon als bloßen Äußerlichkeiten ab zur Substanz der Sache und eigenen Gedanken darüber;
und auch hier ist zunächst die Substanz der Sache, der Inhalt der Verfassungsurkunde, die der König gegeben hat, kurz anzuführen.

Sie besteht aus 66 Paragraphen und zerfällt in zwei Teile,
deren der erste von 46 §§ den Titel Die landständische Verfassung,
der zweite von 20 §§ den Titel Allgemeine Bestimmungen in Beziehung auf die Verfassung des Königreichs und die Rechte und Verbindlichkeiten der königl. Untertanen führt, somit der eine sich gleich als der ausführlichere, der andere als der weniger entwickelte zeigt.

Durch den ersten gewährte der König eine ständische Repräsentation mit folgenden Hauptbestimmungen:
Sie soll
a) aus Virilstimmführern und
b) aus gewählten Mitgliedern, beide in einer Kammer, bestehen.
Die Wahlfähigkeit für die letzteren ist an keinen Stand gebunden; die in königlichen Stellen befindlichen Diener, Unteroffiziere und Soldaten, Geistliche, Ärzte und Chirurgen sind ausgeschlossen; die einzige weitere Bedingung ist ein Lebensalter von 30 Jahren, außerdem zu einem der drei christlichen Religionsbekenntnisse zu gehören; der Besitz eines gewissen Vermögens ist nicht unter die Bedingungen aufgenommen.
- Zur Eigenschaft eines Wahlmanns wird der reine Ertrag von 200 Gulden aus liegenden Gründen und ein Alter von 25 Jahren gefordert. Die Stände versammeln sich nur auf Einberufung des Königs und notwendig alle drei Jahre, nach welcher Zeit die gewählten Repräsentanten zur Hälfte austreten, doch wieder wählbar sind und durch neue Wahlen ersetzt werden.
Die Versammlung dauert nicht über sechs Wochen und wird vom Könige entlassen, vertagt oder ganz aufgelöst.
Die gewählten Deputierten mit Einschluß des Kanzlers der Universität, des evangelischen Generalsuperintendenten und katholischen Dekans erhalten die Reisekosten bezahlt und Taggelder (á 5 Fl. 30 Kr.). Die Minister können zu jeder Zeit der Versammlung beiwohnen. - In den Jahren, in welchen die Ständeversammlung nicht einberufen wird, versammelt sich ein von ihr auf drei Jahre gewählter Ausschuß von 12 Mitgliedern zur Erledigung der dringenden Angelegenheiten; eine Erhöhung der Abgaben oder Umänderung der Gesetzgebung jedoch ist nicht in seiner Kompetenz.

Für die Einführung neuer Steuern, direkter sowohl als indirekter Abgaben, und für die Erhebung ist die Einwilligung der Stände nötig; die bestehenden Abgaben bleiben für die Regierung des damaligen Königs als Grundlagen. Die Berechnung der Einnahmen und die Verwendung der Abgaben wird den Ständen alle Jahre vorgelegt. Die Bestimmung einer Zivilliste für den König ist weiteren Verhandlungen ausgesetzt.

Ebensolchen Anteil haben die Stände an der Gesetzgebung; ohne ihre Zustimmung kann kein neues, die persönliche Freiheit und das Eigentum oder die Verfassung betreuendes allgemeines Gesetz promulgiert werden. Dem Könige kommt dabei die Initiative zu; die Stände können aber Gesetzesvorschläge als Wünsche dem Könige vortragen, im Fall abschlägiger Antwort sie dreimal in künftigen Versammlungen wiederholen und auf die letzte Antwort, die motiviert sein muß, in Hinsicht der Motive neue Vorstellungen machen.

Den Ständen ist ferner eingeräumt, allgemeine Wünsche, Vorstellungen und Beschwerden dem Könige vorzulegen,
- und der König verspricht, auf jeden Vortrag der Stände Entschließung zu geben, auch die von einzelnen Untertanen an sie gebrachten Beschwerden anzunehmen, wenn bescheinigtermaßen die Staatsbehörden sich geweigert haben, sie anzunehmen.

Endlich können die Stände gegen königliche Staatsbeamte Anordnung einer Untersuchung verlangen, und auf die vom Könige nie zu versagende Bewilligung soll im Falle des Hochverrats und der Konkussion von einem ständischen Gerichte, in anderen Fällen auf dem ordentlichen Rechtswege Urteil gesprochen werden.

Die unendliche Wichtigkeit und Liberalität der Rechte, welche hier den Landständen eingeräumt sind, sowie die Einfachheit und Offenheit dieser Bestimmungen, unparteiisch bloß nach ihrem Inhalt ohne alle andere Rücksicht betrachtet, macht gewiß dem Fürsten, der sie gab, sowie der Zeit, in welcher das Staatsrecht sich von Privilegien gereinigt hat und bis zu Grundsätzen gereift ist, die höchste Ehre, und noch mehr gewinnt ein solches Werk durch die Vergleichung mit der Unförmlichkeit, Engherzigkeit und Unklarheit, durch welche in in- und ausländischen Verfassungen, namentlich in der altwürttembergischen, oft Volksrechte in Privilegien und Partikularitäten verhüllt und verkümmert, beschränkt und zweideutig, ja oft ganz zum leeren Scheine gemacht sind. Sind die angeführten Bestimmungen nicht solche Verfassungsgrundlagen, welche nicht anders als mit höchster Zustimmung anerkannt und angenommen werden müssen?
Was vermißt werden könnte, kann nicht etwas sein, was ihnen entgegen wäre, sondern nur Zusätze und entwickeltere Bestimmungen, aber nur jenen allgemeinen Wahrheiten eines staatsrechtlichen Zustandes gemäß. Was noch aus dem positiven Staatsrechte herrührt, ist vornehmlich nur das Privilegium des aristokratischen Instituts.
Außerdem aber, daß das vernünftige Staatsrecht von den demokratischen Abstraktionen zurückgekommen ist, welche ein solches Institut schlechthin verwerfen, so ist das Privilegium dieser ohnehin gegebenen Wirklichkeit durch weitere Statuten vom vormaligen Feudalrechte überhaupt sehr entfernt gesetzt worden. - Hier verdient zunächst nur dies ausgezeichnet zu werden, daß diesem Elemente in der königlichen Verfassungsurkunde, das mit den gewählten Deputierten in eine Kammer vereinigt ist, nur 50 Stimmen, den letzteren dagegen 73 Stimmen, hiermit ein bedeutendes Übergewicht eingeräumt wurde. Dies Verhältnis politischer Macht weicht von dem sehr ab, welches bei dem Systeme von zwei Kammern eintritt und schon durch seine allgemeinere Einführung und sein Alter wichtige Autorität hat. Der Kontrast jenes Stimmenverhältnisses gegen das in der provisorischen Ständeversammlung des Königreichs Hannover angenommene wo dem Ritterstande eine Stimme mehr als dem bürgerlichen zugeteilt worden war, kann beiläufig darum angeführt werden, weil die württembergischen Stände in folgenden Verhandlungen auf die liberalen Äußerungen der hannoverschen Gesandtschaft bei dem Kongresse in Wien in betreff von deutschen Verfassungsangelegenheiten mehrere Male provoziert haben.

Unerwarteter noch konnte die weitere Ausdehnung und beinahe völlige Ungebundenheit scheinen, welche dem demokratischen Prinzip durch die Wählungsart der Repräsentanten gegeben worden, so daß dies Element in fast ganz loser Form in die Staatsordnung eintritt. Die wenigen Temperamente, die sich hierbei zeigen, nachdem bereits die Virilstimmführer nicht in einer eigenen Kammer gegenübergestellt sind, sind etwa die Bestimmungen, daß die Wahlversammlungen von den königlichen Oberamtleuten und in den guten Städten von den Landvögten präsidiert werden, daß die zum Wahlgeschäfte zugezogenen Personen, wie der Amtsschreiber und dessen Substitut, in dem Bezirke selbst, worin sie diese Funktion haben, nicht wählbar sind; jedoch sind sie es in anderen Bezirken. Die Fähigkeit, zum Repräsentanten gewählt zu werden, ist, wie oben angeführt, auf sehr wenige Bedingungen beschränkt. Fürs erste sind alle Staatsdiener und Geistlichen wie auch die Ärzte und Chirurgen ausgeschlossen. Die Rücksicht, welche wohl die letzteren beiden Klassen ausgeschlossen hat, mag auch bei den ersteren genommen worden sein, daß nämlich ihre Amtsfunktionen ihnen keine längere Entfernung und anderweitige Beschäftigung gestatten.
Abgesehen davon, daß dies auch bei den Virilstimmführern, die in königlichen Ämtern stehen, insofern der Fall wäre, als wohl nicht vorausgesetzt wird, daß sie sich jedesmal durch andere vertreten lassen sollen, alsdann, daß sich bei den im Ort der Ständeversammlung, der in der Regel die Hauptstadt sein wird, Bediensteten jener Grund vermindert, so ist diese Rücksicht gewiß nicht bedeutend genug, um eine für die Hauptsache so höchst wichtige Disposition zu rechtfertigen.
Noch in dem Entwurfe der Grundzüge der neuen ständischen Verfassung, mit deren Abfassung sich der König selbst beschäftigt hatte (s. Supplement von Aktenstücken S. 5) und die er in einer im versammelten Staatsrat den 11. Januar 1815 gehaltenen Rede einer eigenen Kommission von Staatsräten und Oberbeamten zur Beratung übergeben hatte, kommt die Bestimmung vor (s. S. 8), daß auch die königlichen Diener, insofern ihre Dienstverhältnisse es gestatten, wahlfähig seien.

Referent will sich über diesen Gegenstand, der von großer Wichtigkeit ist, weitläufiger verbreiten.
- Schon dieser Umstand darf dabei nicht übersehen werden, daß in großen Staaten, wie Frankreich z. B. und noch mehr England, der ganze gesellschaftliche Zustand im Innern und der weitreichende Zusammenhang nach außen die Individuen in ganz andere Verhältnisse des Reichtums, der Bildung und der Gewohnheit, in allgemeineren Interessen zu leben und sich zu benehmen, stellt als in einem Lande von größerer Beschränktheit des Umfangs, des gesellschaftlichen Zustands und Reichtums.
In solchen kleineren Ländern wird sich der größte Teil derer, die sich eine wissenschaftliche, überhaupt allgemeinere Bildung erwerben, veranlaßt sehen, seine ökonomische und gesellschaftliche Existenz in einem Staatsdienste zu suchen; es werden daher, wenn die Staatsdiener abgezogen worden, außer Verhältnis wenigere zu finden sein, die eine bedeutende Einsicht und Erfahrung in allgemeinen Angelegenheiten in eine Ständeversammlung mitbringen, - ohnehin noch wenigere, welche Staatsmänner genannt werden könnten. Der Adelsstand ist schon zum Teil unter den Virilstimmführern weggenommen, ein anderer Teil desselben wird sich in königlichen Diensten befinden; überhaupt ist für die Stellen der zu wählenden Deputierten nicht auf den Adel gerechnet; im Gegenteil. Der Advokatenstand, der unter den übrigbleibenden Ständen vornehmlich in Rücksicht kommen kann, ist zunächst in seinen Begriffen und Geschäften an die Prinzipien des Privatrechts, überdem des positiven Rechts gebunden, die den Prinzipien des Staatsrechts entgegengesetzt sind, nämlich des vernünftigen, von dem nur bei einer vernünftigen Verfassung die Rede sein kann,
- so daß der Sinn eines nur zu berühmten Staatsmannes es hierin wohl richtig traf, wenn er die Advokaten für die ungeschicktesten erklärte, in öffentlichen Angelegenheiten zu raten und zu handeln. Wie der Advokatengeist in der Geschichte der württembergischen Ständeversammlung gewirkt hat, wird sich in der Folge zeigen. - Der gesetzlichen Ausschließung dieses Standes würde von seiten des abstrakten Rechts wohl widersprochen werden können, doch nicht mehr als der Ausschließung der Ärzte und Chirurgen; eine Staatsorganisation aber beruht auf einer ganz anderen konkreten Weisheit als einem aus dem Privatrecht abstrahierten Formalismus. Ein ganz eigentümliches Gebilde des altwürttembergischen Zustandes, das für dortige ständische Verfassung von der ersten Wichtigkeit ist, den Schreiberstand, werden wir im Verfolge kennenlernen. Der Beitrag, den der Stand der Kaufleute, Gewerbsleute, sonstiger Güterbesitzer für eine Ständeversammlung liefern kann, so wichtig er ist, kann für diesen Behuf nicht in so zahlreichem Verhältnisse sein als in England etwa und für sich das nicht ersetzen, was durch die Ausschließung der Staatsbeamten abgeht.

So wichtig diese Ausschließung nun schon durch die Verminderung des Materials ist, aus welchem fähige Deputierte genommen werden können, soviel wichtiger ist sie für das Element der Gesinnung, welches das Überwiegende in einer Ständeversammlung sein muß, wenn sie nicht in das gefährlichste Übel ausschlagen soll, das in einem Staate möglich ist.
Diese Grundeigenschaft kann im allgemeinen der Sinn des Staates genannt werden. Sie ist nicht mit abstrakter Einsicht, noch mit bloßer Rechtschaffenheit und einer guten Gesinnung für das Wohl des Ganzen und das Beste der Einzelnen abgetan.
Güterbesitzer, ebensowohl aber auch die gewerbetreibenden und sonst im Besitze eines Eigentums oder einer Geschicklichkeit befindlichen Individuen haben das Interesse der Erhaltung bürgerlicher Ordnung, aber das Direkte ihres Zweckes hierbei ist das Private ihres Besitzes. Wenn landständische Deputierte den Sinn des Privatinteresses und Privatrechts als ihres ersten Zwecks mitbringen, wovon das übrige abhängig und eine Folge sein soll, so gehen sie darauf aus, soviel als möglich dem Staate abzudingen und überflüssig, wenn auch sonst nicht unzweckmäßig, doch für ihren Zweck nicht unumgänglich notwendig zu finden, und sie kommen überhaupt mit dem Willen herbei, für das Allgemeine sowenig als möglich zu geben und zu tun.
- Es ist nicht davon die Rede, welche Gesinnungen Deputierte, aus welchem Stande oder Verhältnisse sie hergenommen werden, haben können; bei Einrichtungen des Staats, wie bei jeder vernünftigen Veranstaltung, darf nicht auf das Zufällige gerechnet werden, sondern es kann allein die Frage danach sein, was die Natur der Sache, hier des Standes, mit sich bringt.

Der Sinn des Staates erwirbt sich aber vornehmlich in der habituellen Beschäftigung mit den allgemeinen Angelegenheiten, in welcher nicht nur der unendliche Wert, den das Allgemeine in sich selbst hat, empfunden und erkannt, sondern auch die Erfahrung von dem Widerstreben, der Feindschaft und der Unredlichkeit des Privatinteresses und der Kampf mit demselben, insbesondere mit dessen Hartnäckigkeit, insofern es sich in der Rechtsform festgesetzt hat, durchgemacht wird. Indem die Deputierten gewählt werden, so ist es eine wesentliche Rücksicht, daß die Wahlmänner vornehmlich aus solchen Verhältnissen ausgehen, in welchen dieser Sinn vorhanden sein muß und worin er gebildet wird. Der vorige Minister des Innern in Frankreich,
Vaublanc, nahm in seinen Entwurf eines Gesetzes für die Wahlart der Deputiertenkammer geradezu die Bestimmung auf, daß die königlichen Beamten aller Art nebst den Geistlichen in den Departementen die Mehrzahl der Wähler ausmachen sollten. Man ist darüber einstimmig, daß die englische Konstitution durch das allein, was man ihre Mißbräuche nennt, erhalten werde, nämlich durch die ganz ungleichen und daher ungerechten, ja zum Teil völlig sinnlosen Privilegien in Ansehung der Wahlrechte, wodurch es aber allein möglich wird, daß die Regierung im allgemeinen auf die Mehrzahl der Stimmen rechnen kann.
- Es ist dabei eine Ansicht Ununterrichteter, die Oppositionspartei als eine Partei gegen die Regierung oder gegen das Ministerium als solches zu betrachten; wenn die Opposition auch nicht bloß einzelne Ministerialmaßregeln angreift, was auch von den independenten Mitgliedern, die im ganzen sonst mit dem Ministerium stimmen, geschieht, sondern wenn sie dieses in allen und jeden Stücken bekämpft, so geht ihr Kampf nur gegen dieses einzelne Ministerium, nicht gegen die Regierung und gegen das Ministerium überhaupt. Was man ihnen oft als etwas Schlechtes vorwirft, daß sie nämlich nur selbst ins Ministerium kommen wollen, ist gerade ihre größte Rechtfertigung, ganz das Gegenteil von der Tendenz, die man an deutschen Landständen oder Individuen oft als Tapferkeit der Freiheit und Verteidigung der Bürger und ihrer Rechte gepriesen werden sieht, - der Tendenz, dem Staate an Vermögen soviel [als] möglich für sich abzugewinnen und abzudingen.

Es muß der deutschen Geschichte überlassen bleiben, aufzuzeigen, inwiefern das Erscheinen des ehemaligen sogenannten dritten Standes auf Landtagen seinen Ursprung in dem Verhältnis der Ministerialität hatte, in welchem die Vorsteher der Städte als fürstliche Beamte gestanden, und inwiefern durch das Eintreten in dasselbe nachher die bürgerlichen Ratsverwandten auch Anteil an der Landstandschaft erhalten haben, ingleichen wie die ursprünglichen Beamten anfänglich beratschlagend und erst in der Folge der Zeit ihre Stimmen entscheidend geworden sind.
- In dem Tübinger Vertrag von 1514, welcher als Grundgesetz in der Verfassung des vormaligen Herzogtums Württemberg angesehen wird, sind ausdrücklich die fürstlichen Amtleute nebst einem vom Gericht und einem vom Rate einer Stadt genannt, welche die Deputierten der Landschaft bei den Landtagen ausmachen sollen.
- Allein bei den kaiserlichen Kommissarien brachten es die Landstände bereits sechs Jahre nachher, im Jahre 1520, dahin, daß die Beamten wieder ausgemerzt wurden; die Stände geben dadurch ein schlechtes Beispiel von der Unveränderlichkeit soeben feierlich beschlossener Verträge.
- Ganz nahe liegt der Einwurf gegen die Wahlfähigkeit der Beamten zu Deputierten, daß sie, als im Dienste des Fürsten, natürlich auch in seinem Interesse sprechen und handeln werden, wobei der Gedanke etwa mit unterläuft, daß, was im Interesse des Fürsten sei, gegen das Interesse des Volkes und des Staates sei. Ohnehin ist der Dienst bei der Person des Fürsten, Hofchargen, etwas Verschiedenes von dem Dienste, welcher der Regierung und dem Staate geleistet wird, und die Meinung, daß, was im Interesse der Regierung und des Staates geschehe, gegen das Interesse des Volkes sei, unterscheidet den Pöbel von den Bürgern.

- Die neuesten Weltbegebenheiten, der Kampf um Deutschlands Unabhängigkeit hat der deutschen Jugend auf den Universitäten ein höheres Interesse eingeflößt die bloße Richtung auf die unmittelbare künftige Erwerbung des Brots und auf Versorgung; sie hat auch für den Zweck, daß die deutschen Länder freie Verfassungen erhalten, zum Teil mitgeblutet und die Hoffnung eines dereinstigen weiteren Wirkens dazu und einer Wirksamkeit im politischen Leben des Staats aus dem Schlachtfelde mitgebracht. Indem sie durch wissenschaftliche Ausbildung sich die Befähigung dazu verschafft und sich vornehmlich dem Staatsdienste widmet, soll sie, sowie der ganze wissenschaftlich gebildete Stand, der sich meist dieselbe Bestimmung gibt, eben hiermit die Fähigkeit, Mitglieder von Landständen, Repräsentanten des Volks zu werden, verlieren?

Es ist hierbei noch der wichtige Umstand in Betracht zu ziehen, daß die Veränderung im Verhältnisse vormaliger fürstlicher Dienerschaft ein bedeutendes Moment in dem Übergange Deutschlands von früherer Unförmlichkeit und Barbarei zum vernünftigen Zustande eines Staatslebens ausmacht. - Es läßt sich über diesen Umstand einiges aus dem Anhang zur 25. Abteilung der Verhandlungen anführen; daselbst wird S. 25 aus dem dreizehnten und den nächstfolgenden Jahrhunderten erwähnt, daß die Kammerämter zuerst meistens nur Personen aus dem Ritterstande mit einem Bezuge ansehnlicher Einkünfte aus liegenden Gründen und Prästationen der Untertanen anvertraut wurden, welche aber Vorwand fanden, die beschwerlich gewordene Ausübung des Amtes aufzugeben und solches durch einen Pflegverweser aus dem Bürgerstande mit Anweisung auf eine geringere Benutzung verwalten zu lassen. Später wurden diese, wie die vogteilichen, Richter- und andere Ämter bloß Personen aus dem Bürgerstande übertragen, die dies aber nicht, wie späterhin, für eine Gnade, sondern für eine große Bürde ansahen und sie annehmen mußten; auch wurde diese Beschwerde keinem auf zu lange aufgedrungen; es galt für eine besondere Gnade, von solchen Ämtern verschont zu bleiben, - wovon ebendaselbst mehrere Beispiele angeführt werden.

Bei dem Verhältnisse dieser Ministerialen nun fielen wenigstens, wenn auch sonst eine Vasallenschaft und selbst etwas von einer Hörigkeit darin liegt, die anderen Umstände weg, wonach man sie nur für das Interesse des Fürsten, gegen das Volk zu sein, in dem Sinne glauben konnte, in welchem man fürstliche Diener späterhin ungefähr für fürstliche Bediente und für eine vom Volke ausgeschlossene Klasse nahm. Diese letztere Stellung hatten sie insofern, als die Einkünfte, welche sie einzuziehen und zu verrechnen, wie auch die richterliche und polizeiliche Gewalt, die sie im Namen des Fürsten auszuüben hatten, mehr für Rechte eines Privatbesitzes und der Privatgewalt eines Dritten gegen die Bürger galten als für Staatseinkünfte und Staatspflichten.
Aber wie der Domanialbesitz und die Familienfideikommisse der fürstlichen Familien sich so in späteren Zeiten immer mehr dem Charakter vom Staatsvermögen genähert und die vogteilichen und anderen Rechte über untertänige und hörige Leute in den vernünftigeren Charakter von Staatspflicht und Staatsgewalt überzugehen angefangen haben, so sind die fürstlichen Diener auch über die Abhängigkeit ihrer Besoldungen von der Willkür hinaus zu Rechten in ihren Ämtern und zu der Würde von Staatsdienern gekommen. Dieser Übergang von Verwaltung eines Privatbesitzes in Verwaltung von Staatsrechten ist einer der wichtigsten, welcher durch die Zeit eingeleitet worden und der auch das Verhältnis der Beamten nicht mehr in der Bestimmung gelassen hat, welche zur Zeit der vormaligen württembergischen Verfassung statthatte; - es ist eine der Veränderungen, welche dann mit dem allgemeinen Übergange eines nicht souveränen Fürstentums in einen Staat sich befestigt und vollendet hat.
- Da das positive Staatsrecht, welches die ständische Versammlung sich vornehmlich zur Basis ihrer Ansprüche machte, die Geschichte zu seiner Basis hat, so kann die allgemeine Bemerkung hier angefügt werden, daß es gerade die Geschichte ist, welche die Umstände erkennen lehrt, unter denen eine Verfassungsbestimmung vernünftig war, und hier zum Beispiel das Resultat gibt, daß, wenn die Ausschließung der königlichen Beamten von den Landständen früherhin vernünftig war, nunmehr unter anderen Umständen es nicht mehr ist. - Daß die Ständeversammlung sich weder des alten Verhältnisses der Ministerialität und der ausdrücklichen Disposition im Tübinger Vertrag noch des Unterschieds von vormaligen fürstlichen Bedienten und von Staatsbeamten erinnert hat, ist sehr begreiflich. Auffallender aber ist es, daß das Ministerium die Ausschließung von Staatsbeamten veranlaßt zu haben scheint.

Einen anderen nahe verwandten Kreis des öffentlichen Geschäfts gab die Verfassung des vormaligen Herzogtums an, nämlich Gericht und Rat der Städte, woraus die Landtagsdeputierten genommen werden sollten. Gewiß ist eine Magistratsstelle eine passende Vorbereitungsschule für landständische Funktionen; Magistratspersonen leben wie die Beamten in der täglichen Tätigkeit, die bürgerliche Ordnung handhaben zu helfen, und in der Erfahrung, wie Gesetze und Einrichtungen wirken, ebenso welche Gegenwirkungen der bösen Leidenschaften sie zu bekämpfen und auszuhalten haben. Magistratspersonen sind ferner selbst aus dem Bürgerstande, sie teilen dessen bestimmtere Interessen, so wie sie dessen näheres Zutrauen teilen können.
- Nur war freilich von einem Ende Deutschlands zum andern die Klage über Unfähigkeit, Trägheit und Gleichgültigkeit, - wenn nicht auch über weitere Verdorbenheit und Schlechtigkeit der Gemeindeverwaltungen so laut geworden, daß ihre Einrichtung vor allem eine Wiedergeburt schien nötig gehabt zu haben, ehe ihre Männer gebildet [werden] und aus ihr hervorgehen konnten, welche Fähigkeit und Zutrauen für einen größeren Wirkungskreis besäßen. Das Recht der Magistrate, die Wiederbesetzung der in ihnen ledig werdenden Stellen selbst vorzunehmen, wird wohl ein Hauptumstand gewesen sein, der sie so heruntergebracht hat.
Was man sonst wohl Despotismus nennen könnte, nämlich daß viele Regierungen den Städtemagistraten und sonstigen Gemeindevorständen die Verwaltung des Gemeindeeigentums und der übrigen, Kirchen, Schulen und der Armut gehörigen Stiftungen und Anstalten abgenommen haben, mag in jener Unfähigkeit nicht nur seine Rechtfertigung finden, sondern sich vielmehr als unumgängliche Pflicht haben zeigen können. Derselbe Grund der Unfähigkeit ist es, der auch von dem Anteil, den die Magistrate als Gerichte an der Rechtspflege haben sollten, häufig nicht mehr als die bloße Formalität übriggelassen, das Geschäft und die Entscheidung in die Hände der fürstlichen Gerichtsvorstände, der Oberamtleute gebracht oder zu Rechtsgutachten von Konsulenten und Advokaten die Zuflucht zu nehmen genötigt hatte; die Regierungen sahen sich ebenfalls hierdurch veranlaßt, auch den bisherigen Anteil an der Rechtspflege nicht länger in den Händen der Magistrate zu lassen.

Wenn nun auch die Städtemagistrate nach ihrer bisherigen Organisation und Beschaffenheit eben keine große Hoffnung für sich erwecken können, tüchtige Landtagsdeputierte zu liefern, so hätte diese Bestimmung doch verdient, nicht ganz vergessen zu werden; aber erweiternde Modifikationen müßten freilich dem Übertriebenen und Einseitigen jener Beschränkung abhelfen.
Das andere, ebenso zu weit gehende Extrem aber sehen wir in der königlichen Verfassung, daß fürs erste die Wahlfähigkeit zum Deputierten fast so gut als unbeschränkt, und dann fürs andere, daß die Bedingungen, um Wähler zu sein, ebenso unbedeutend sind; - außer einem Alter von 25 Jahren wird hierzu nur eine Vermögenssumme von 200 Fl. aus Liegenschaften erfordert.

Diese letztere Art von Bedingungen der Fähigkeit zu wählen ist den deutschen Institutionen bisher fremd gewesen und erst in neueren Zeiten diese Idee in Umlauf gekommen; wir wollen einiges darüber bemerken.
Das zunächst Auffallende dabei ist, daß nach solchen trockenen, abstrakten Bestimmungen, als die beiden angeführten sind, die Wähler sonst in keinem Verband und Beziehung auf die bürgerliche Ordnung und auf die Organisation des Staatsganzen auftreten. Die Bürger erscheinen als isolierte Atome und die Wahlversammlungen als ungeordnete, unorganische Aggregate, das Volk überhaupt in einen Haufen aufgelöst, - eine Gestalt, in welcher das Gemeinwesen, wo es eine Handlung vornimmt, nie sich zeigen sollte; sie ist die seiner unwürdigste und seinem Begriffe, geistige Ordnung zu sein, widersprechendste.
Denn das Alter, ingleichen das Vermögen sind Qualitäten, welche bloß den Einzelnen für sich betreffen, nicht Eigenschaften, welche sein Gelten in der bürgerlichen Ordnung ausmachen. Ein solches Gelten hat er allein kraft eines Amtes, Standes, einer bürgerlich anerkannten Gewerbsgeschicklichkeit und Berechtigung nach derselben, Meisterschaft, Titel usf.
- Die Volksvorstellung ist mit solchem Gelten so vertraut, daß man erst dann von einem Manne sagt, er ist etwas, wenn er ein Amt, Meisterschaft und sonst in einem bestimmten bürgerlichen Kreise die Aufnahme erlangt hat; von einem hingegen, der nur 25 Jahre alt und Besitzer einer Liegenschaft [ist], die ihm 200 Fl. und mehr jährlich abwirft, sagt man, er ist nichts.
Wenn eine Verfassung ihn doch zu etwas macht, zu einem Wähler, so räumt sie ihm ein hohes politisches Recht, ohne alle Verbindung mit den übrigen bürgerlichen Existenzen, ein und führt für eine der wichtigsten Angelegenheiten einen Zustand herbei, der mehr mit dem demokratischen, ja selbst anarchischen Prinzip der Vereinzelung zusammenhängt als mit dem Prinzip einer organischen Ordnung.

Die großen Anfänge zu inneren rechtlichen Verhältnissen in Deutschland, wodurch die förmliche Staatsbildung vorbereitet worden, sind in der Geschichte da zu suchen, wo, nachdem die alte königliche Regierungsgewalt im Mittelalter versunken und das Ganze sich in Atome aufgelöst hatte, nun die Ritter, die freien Leute, Klöster, die Herren wie die Handel- und Gewerbetreibenden sich gegen diesen Zustand der Zerrüttung in Genossenschaften und Korporationen bildeten, welche sich dann so lange aneinander abrieben, bis sie ein leidliches Nebeneinanderbestehen fanden. Weil dabei die oberste Staatsgewalt, in deren Ohnmacht gerade das Bedürfnis jener Korporationen lag, etwas so Loses war, so bildeten diese partiellen Gemeinwesen ihre Verbindungsweisen desto fester, genauer, ja selbst peinlich bis zu einem ganz einengenden Formalismus und Zunftgeist aus, der durch seinen Aristokratismus der Ausbildung der Staatsgewalt hinderlich und gefährlich wurde. Nachdem in den neuesten Zeiten die Ausbildung der oberen Staatsgewalten sich vervollkommnet hat, sind jene untergeordneten Zunftkreise und Gemeinheiten aufgelöst oder ihnen wenigstens ihre politische Stelle und Beziehung auf das innere Staatsrecht genommen worden.
Es wäre aber nun wohl wieder Zeit, wie man bisher vornehmlich in den Kreisen der höheren Staatsbehörden organisiert hat, auch die unteren Sphären wieder zu einer politischen Ordnung und Ehre zurückzubringen und sie, gereinigt von Privilegien und Unrechten, in den Staat als eine organische Bildung einzufügen. Ein lebendiger Zusammenhang ist nur in einem gegliederten Ganzen, dessen Teile selbst besondere, untergeordnete Kreise bilden. Um aber ein solches zu erhalten, müssen endlich die französischen Abstraktionen von bloßer Anzahl und Vermögensquantum verlassen, wenigstens nicht mehr zur Hauptbestimmung gemacht und vornehin als die einzigen Bedingungen einer der wichtigsten politischen Funktionen gestellt werden.
Solche atomistische Prinzipien sind wie in der Wissenschaft so im Politischen das Tötende für allen vernünftigen Begriff, Gliederung und Lebendigkeit.

Es kann noch daran zu erinnern sein, daß die Ausübung eines solchen ganz vereinzelten Berufs, wie der ist, ein Wähler zu sein, leicht in kurzem sein Interesse verliert, überhaupt von der zufälligen Gesinnung und augenblicklichem Belieben abhängt.
Dieser Beruf ist mit einer einzelnen Handlung abgelaufen, einer Handlung, die innerhalb mehrerer Jahre nur ein einziges Mal vorkommt; bei der großen Anzahl von Stimmgebenden kann von dem Einzelnen der Einfluß, den seine Stimme hat, für sehr unbedeutend angesehen werden, um so mehr, da der Deputierte, den er wählen hilft, selbst wieder nur ein Mitglied einer zahlreichen Versammlung ist, in welcher immer nur eine geringe Anzahl sich zur Evidenz einer bedeutenden Wichtigkeit bringen kann, sonst aber durch nur eine Stimme unter vielen einen ebensolchen unscheinbaren Beitrag liefert. Sosehr also psychologischerweise erwartet wird, daß das Interesse der Staatsbürger sie antreiben solle, die Stimmfähigkeit eifrigst zu suchen, für wichtig und für eine Ehre zu halten sowie sich zur Ausübung dieses Rechts zu drängen und es mit großer Umsicht wie ohne alles andere Interesse wirklich auszuüben, so zeigte dagegen auch die Erfahrung, daß der zu große Abstand zwischen der Wichtigkeit der Wirkung, die herauskommen soll, zu dem sich als äußerst geringfügig vorstehenden Einfluß des Einzelnen bald die Folge hat, daß die Stimmberechtigten gleichgültig gegen dies ihr Recht werden; und wenn die ersten Gesetze sich mit dem Ausschließen vieler Bürger vom Stimmgeben beschäftigen, werden bald gesetzliche Dispositionen nötig, die Berechtigten zu vermögen, sich zum Stimmgeben einzufinden. - Das so oft oberflächlich gebrauchte Beispiel von England von dem starken Umtrieb bei den Wahlen zum Parlament paßt auch hier nicht; denn in diesem Teile der englischen Verfassung sind gerade die Privilegien und Ungleichheiten der Berechtigung der einflußreichste Umstand, - wovon vielmehr das Gegenteil in jener atomistischen Methode liegt.

Übrigens versteht es sich von selbst, daß diese Bemerkungen gegen die abstrakten Prinzipien der Anzahl, des Vermögensquantums, des Alters nicht dahin gehen können, diesen Umständen ihre Bedeutung und ihren Einfluß benehmen zu wollen. Im Gegenteil, wenn die Berechtigung zum Stimmgeben bei den Wahlen und die Wählbarkeit selbst mit den anderen Institutionen des Staats zusammenhängt, so üben diese Umstände schon von selbst ihren Einfluß aus; und wenn dieser hier gesetzlich angeordnet und z. B. für die Fähigkeit, Mitglied eines Städtemagistrats, Gerichts, Vorstand und Mitglied einer Korporation, Zunft und dergleichen zu sein, ein gewisses Alter, Grundvermögen usf. gefordert wird, so steht dies bei weitem mehr im Verhältnis, als wenn solche trockenen, doch nur äußerlichen Bedingungen dem hohen Interesse der ständischen Mitgliedschaft so schroff gegenübergestellt werden.
- Die Garantie, welche durch dergleichen Bedingungen für die Tüchtigkeit der Wählenden und Gewählten gesucht wird, ist ohnehin teils negativer Art, teils eine bloße Präsumtion; da es hingegen eine ganz andere, positive Garantie gibt, durch das Zutrauen der Regierung zu Staatsdiensten oder durch das Zutrauen der Gemeinden und der Mitbürger zu Gemeindediensten, Ämtern erwählt und in Genossenschaften aufgenommen worden zu sein, ferner durch wirkliche Tätigkeit und Anteil am organischen Staats- und Volksleben die Geschicklichkeit sowie den Sinn desselben, den Sinn des Regierens und Gehorchens sich erworben und Gelegenheit gegeben zu haben, daß die Wähler die Gesinnungen und Befähigung kennenlernen und erproben konnten.

Bestimmungen jener Art, welche das Volk, statt als einen Staat, vielmehr als einen Haufen voraussetzen und diesen nun nach Anzahl in besondere Haufen und nach Alter und einer einzelnen Vermögensbestimmung in zwei Klassen überhaupt abteilen, können eigentlich nicht Staatseinrichtungen genannt werden. Sie reichen nicht hin, dem Anteil des Volkes an den allgemeinen Angelegenheiten seine demokratische Unförmlichkeit zu nehmen und näher den Zweck, tüchtige Deputierte für eine Landesversammlung zu erhalten, dem Zufall zu entziehen. Eine Staatseinrichtung kann nicht bloß bei der Forderung stehenbleiben, daß etwas geschehen solle, bei der Hoffnung, daß es geschehen werde, bei der Beschränkung einiger Umstände, welche es erschweren könnten, - sie verdient jenen Namen nur, wenn sie die Anordnung ist, daß geschieht, was geschehen soll.

Indem Referent über diesen Punkt so weitläufig geworden ist, müssen die Bemerkungen über die anderen kürzer gefaßt werden. - Den Ständen ist die Gerechtsame eingeräumt, daß ohne ihre Einwilligung keine neuen Steuern eingeführt und die bestehenden nicht erhöht werden sollen. Württemberg möchte wohl das erste deutsche Land gewesen sein, worin allgemeine Landstände so früh auf eine so offene und bestimmte Weise in den Besitz dieses Rechts gekommen sind; die Landstände, die wir anderwärts hatten hervorkommen oder wiederaufleben sehen, enthalten teils aus der Feudalverfassung sehr beschränkende Elemente, teils scheint ihre Bildung und die Bestimmung ihrer Wirksamkeit noch zu sehr in provisorischem und trübem Lichte, als daß sie mit der freien, freimütigen und klaren Form verglichen werden könnte, in welche der Monarch Württembergs die seinigen setzen wollte.
 - Der blutige Kampf der Tiroler gegen Staatsverwaltungsformen, die sie ihren alten angestammten Rechten zuwider glaubten,
hat allgemeines Interesse erweckt; bei der endlich erfolgten Wiedereinführung ihrer vormaligen Verfassung hat der Monarch die Bestimmung der Summe der Staatsabgaben sich vorbehalten und den Ständen nur die Repartition überlassen. Es läßt sich nun darüber streiten, ob die alten württembergischen Stände das ihnen durch die Verfassung des Königs zugestandene Recht schon gehabt oder nicht und ob sie früher nicht ein viel weitergreifendes besessen haben, - ein Streit, der ohne praktisches Interesse, übrigens auch darum um so mehr geeignet wäre, eine rechte querelle d'Allemand abzugeben.
Man kann wohl sagen, daß die württembergischen Stände durch die Bestimmung, daß die bestehenden Steuern belassen und nur eine Erhöhung nicht ohne ihre Bewilligung eintreten sollte, formell ungefähr auf den Standpunkt wieder versetzt wurden, auf welchem sich die vormalige württembergische Landschaft befand. Denn die direkten und indirekten Abgaben, die in die fürstliche Kammer vormals wie jetzt flossen und auf Bodenzinsen, Gilten, Zehnten, Leistungen von Arbeit usf. beruhen, sind Dominikalrenten und in privatrechtlichem Sinne Eigentum des Regenten oder des Staats; sie haben das Bestehende zu ihrer Basis und sind somit aller Einwilligung der Landstände entnommen. Der andere Teil der eigentlichen, direkten und indirekten Steuern, der Abgaben, die in staatsrechtlichem Sinne erhoben wurden, war sowohl dem Betrag als ihrer Verwendung zu Staatszwecken nach, nämlich zur Abtragung der Staatsschulden, zur Bezahlung des Kreis- und Hausmilitärs, durch Vertrag unter oberstrichterlicher Einwirkung und Bestätigung der Reichsbehörde festgesetzt, so daß die Landstände auch hierin an das Bestehende als an ein Gesetz gebunden waren.
Möchten nun aus allen Verklausulierungen und besonderen Verumständungen heraus, unter denen die vormaligen Landstände, außer im Falle einer Erhöhung, die Steuerbewilligung überhaupt ausübten, auch ein allgemeiner Gesichtspunkt und die Behauptung gezogen werden können, daß sie dieses Bewilligungsrecht in umfassendem Sinne besessen haben, so erhält doch solches Recht eine ganz neue Stellung und einen unvergleichbar größeren Umfang und Wichtigkeit durch die neue Stellung, daß das württembergische Land aus einem Reichslehen ein selbständiger Staat geworden ist. In jenem Zustande wurde Krieg und Frieden nicht vom einzelnen Reichsstand sondern von Kaiser und Reich gemacht; die Anstrengungen, welche ein Krieg erforderte, waren zum Teil ein für allemal durch eine Matrikel festgesetzt. Davon nicht zu sprechen, daß der formelle Eigensinn der deutschen Stände, ja nicht mehr zu leisten, als rechtlich oder unrechtlich nicht abzuwehren war, die Folge hatte, daß die passiven Anstrengungen um so größer wurden, - ein Aufwand, welcher ebenso unabwendbar auf die Landschaft zurückfiel. 

Gegen Weigerungen der Landstände hatte der Fürst überhaupt an den Reichsgerichten eine Stütze und Hilfe. Nachdem aber Württemberg ein selbständiger Staat geworden, erhält das Recht der Steuerbewilligung durch Stände eine ebensolche Selbständigkeit und damit einen ganz neuen Sinn, worüber sich auf den vorhergehenden Zustand gar nicht berufen läßt.
Hier bedarf denn auch der Staat ganz neuer Garantien gegen Privatsinn und gegen Anmaßlichkeit der Stände, da die vorigen Garantien, welche die Regierung an Kaiser und Reich hatte, nicht mehr vorhanden sind; es ist ein ganz neues Element, das politische, entstanden, in welches die Stände versetzt werden, dessen sie vorher entbehrten.
- Die deutsche Spezialgeschichte liefert Beispiele genug, daß der Trieb vormaliger Landstände in ihrer politischen Nullität auf die passive Neutralität ging, am liebsten das Eingreifen in Weltverhältnisse ganz von sich abzuhalten und mit Schande über sich ergehen zu lassen, was ergehen mochte, lieber als zu einem Selbstentschluß zum Handeln und zur Ehre zu greifen.
Mit solchem Triebe zur Ehr- und Tatlosigkeit nach außen hängt die Richtung zusammen, die Aktivität statt gegen die äußeren Feinde vielmehr gegen die Regierung zu kehren.
Nur zu oft haben die Landstände in kritischen Umständen nichts anderes als eine vorteilhafte Gelegenheit gesehen, die Regierung in Verlegenheit zu setzen und für die Anstrengungen, welche diese zu ihrer und ihres Volkes Ehre und Wohl verlangte, Bedingungen vorzuschreiben und sich Vergünstigungen an Rechten gegen sie zu erwerben.
Nur zu oft brachten sie es dahin, dadurch Unglück und Schimpf auf ein Land für den gegenwärtigen Augenblick zu bringen, für die Zukunft aber eine Beschränkung und Schwächung der Regierungskraft und damit eine fortdauernde Grundlage für innere und äußere Zerrüttung. Aus der politischen Nullität, zu welcher das deutsche Volk durch seine Verfassung herabgebracht war, aus der Unvermögendheit der vielen kleinen Ganzen, des größeren Teils der Reichsstände, einen eigenen Entschluß und Willen zu haben, mußte ein Geist der Versumpfung ins Privatinteresse und der Gleichgültigkeit, ja der Feindschaft gegen den Gedanken, eine Nationalehre zu haben und für sie Aufopferungen zu machen, hervorgehen.
- Wenn z. B. in der englischen Nation das Gefühl der Nationalehre die verschiedenen Volksklassen allgemeiner durchdrungen hat, so hat das Recht des Parlaments, die Abgaben jährlich zu verwilligen, einen ganz anderen Sinn, als dasselbe Recht in einem Volke haben würde, das in dem Privatsinne auferzogen und, weil es außerhalb des politischen Standpunkts gelegen, in dem Geiste der Beschränktheit und der Privateigensucht gehalten war. Schon gegen solchen Geist bedürften die Regierungen zur Erhaltung des Staats neuer Garantie, da sie die ohnehin wenig genügende von Kaiser und Reich verloren haben. Das Recht der Teilnahme an der Bestimmung der Staatsabgaben, wie es auch vormals beschaffen sein mochte, ist nunmehr, da die Stände keinen Oberen als ihre Staatsregierung über sich haben, der sie zugleich gegenübertreten, an und für sich eine unendlich höhere, unabhängigere Befugnis als vorher, so wie sie damit ein Verhältnis und Einfluß auf Krieg und Frieden, auf die äußere Politik überhaupt sowie auf das innere Staatsleben erhalten.

Durch den Umstand, daß die bestehenden Abgaben durch die königliche Verfassung für die Lebzeiten des regierenden Monarchen zur Grundlage genommen worden, wurde dem Recht der Besteuerung allerdings der Form nach eine Beschränkung gegeben; denn der Sache nach beschränkt es sich ohnehin durch die Notwendigkeit des Bedürfnisses.
Diese Notwendigkeit konnte nun in Ansehung der Größe der Abgaben sehr wohl vorhanden sein; - in allen Staaten hat das Bedürfnis der letzten Jahre - und in den reichsten, wie England, am meisten - die Auflagen zu einer vorhin nie geahnten Höhe getrieben, und Frankreich, Österreich und andere haben sich in diesen Finanzverlegenheiten nur durch eigenmächtige, gewaltsame Operationen geholfen. Abgesehen nun von dem Bedürfnisse, von dem man nirgend Erweise gesehen hat, daß es nicht vorhanden gewesen, abgesehen von der Unmöglichkeit, eine Finanzverfassung auf einmal auf andere Prinzipien zu basieren, konnten die württembergischen Landstände sich diesen Artikel aus Dankbarkeit gegen den Fürsten gefallen lassen, der der erste und bis jetzt, nach drittehalb Jahren, fast der einzige gewesen, der seinem Lande eine solche offene und liberale Verfassung gegeben, - gegen einen Fürsten, gegen den, wie Herr Graf von Waldek in der ersten Rede, die von seiten der Ständeversammlung die Sitzungen eröffnete, gleich zu Anfang (Verh. II. Abt., S. 3) sagt, alle Stände des Landes, alle Provinzen des Reichs in Gefühlen der Dankbarkeit über dessen Entschluß der Herstellung einer Konstitution wetteiferten, - gegen einen Fürsten, welchem Herr Graf von Waldek das Lob zu erteilen fortfährt (ebendaselbst):
"daß derselbe Württemberg in allen Stürmen der letzten Jahrzehnte mit seltener Stärke geleitet" ("seltene Eigenschaften", heißt es im Verfolg der Rede (Verh. II. Abt., S. 4), "haben von jeher die Regenten Württembergs ausgezeichnet";
für dieses unbestimmte Wort gibt die weitere historische Ausführung daselbst bei ihnen, außer bei Herzog Christoph, die nähere Bedeutung herrischer Willkür oder Schwäche des Charakters)
- das Lob, "daß derselbe Württemberg eine beträchtliche Ausdehnung gegeben" (nämlich durch die sogenannte Mediatisierung deutscher vorher reichsunmittelbarer Stände - eine Ausdehnung, welche Herr Graf von Waldek (VI. Abt., S. 93) als einen widerrechtlichen Zustand, eine Beeinträchtigung der Rechte der Standesherren und ihrer ihnen von Gott anvertrauten Untertanen, als eine Ausdehnung charakterisiert, welcher sich die, durch deren Einverleibung sie statthatte, nur deswegen nicht entziehen konnten, weil sie der Gewalt weichen mußten)
- das Lob, "daß derselbe nun keinen Augenblick verliere, um die seinem Willen fremden Folgen der Umstände des Jahres 1806, nämlich die Aufhebung der von Seinen Erlauchten Ahnherren für ewige Zeiten gegründeten Verfassung, wieder aufzuheben". (Der ganze Verfolg der Verhandlungen zeigt, daß die Widersetzung der Landstände den einzigen Punkt betraf, daß durch die gegebene königliche Verfassung die vormalige nicht wiederhergestellt, jene Folge nicht aufgehoben sei.)

Übrigens hat bekanntlich die Forderung der Landstände, daß auch noch bei Lebzeiten des Königs ihre Konkurrenz sich auf die schon bestehenden Steuern erstrecke, wegen des frühzeitigen Todes des Königs keinen Erfolg gehabt, so wie sie auch wegen ihrer Nichtannahme der königlichen Konstitution, welche ihnen neue Verhandlungen über die Steuern bei einer Regierungsveränderung einräumte, solche Verhandlungen abgeschnitten haben.

Um die geschichtliche Angabe der Hauptmomente der Verfassungsurkunde zu vollenden, wäre noch der zweite Teil derselben, die allgemeinen Bestimmungen in Beziehung auf die Verfassung des Königreichs und die Rechte und Verbindlichkeiten der königlichen Untertanen, anzuführen. Diese leiden aber weder einen Auszug noch eine Beurteilung, es sind einfache organische Bestimmungen, welche für sich selbst sprechen und die vernünftige Grundlage eines staatsrechtlichen Zustandes ausmachen.
Z. B. § 52. Alle Untertanen sind vor dem Gesetze gleich; sie haben zu allen Staatsämtern Zutritt;
weder Geburt noch eines der drei christlichen Religionsbekenntnisse schließt davon aus.
- § 53. Zu den öffentlichen Lasten und Abgaben haben nach den Gesetzen alle verhältnismäßig gleich beizutragen.
- § 55. Jeder Untertan hat, wenn er von der Militärpflichtigkeit frei ist oder ihr Genüge geleistet, das Recht der Auswanderung.
- § 56. Jedem Untertan steht es frei, seinen Stand und Gewerbe nach eigener freier Neigung zu wählen und sich dazu auszubilden
usf.
Diese Grundsätze lassen nur die Bemerkung zu, daß es Reichsständen nie wird einfallen können, sie zu verwerfen, und nur eine widrige Verkehrtheit, Verstocktheit, oder wie man es nennen wollte, eine solche Versammlung dahin bringen könnte, ihrer nicht zu erwähnen und dem Regenten nicht die Ehre zu geben, der sie ausdrücklich zu Grundbestimmungen der Rechte und Verbindlichkeiten seiner Untertanen macht. Wie auch ältere Verfassungen sich zu solchen Grundsätzen verhalten mögen, so sind diese darin an partikuläre und äußerliche Umstände geknüpft, in ihnen befangen, ja oft verdunkelt; es ist nicht um des Prinzips willen, d. i. um der Vernünftigkeit und eines absoluten Rechts willen, daß darin Rechte vorhanden erscheinen, sondern sie erscheinen als einzelne Erwerbungen, welche besonderen Umständen zu verdanken, auch nur auf diese und jene Fälle eingeschränkt sind, als ob sie durch unglückliche Umstände ebensogut auch verlorengehen könnten.
Es ist ein unendlich wichtiger Fortschritt der Bildung, daß sie zur Erkenntnis der einfachen Grundlagen der Staatseinrichtungen vorgedrungen ist und diese Grundlagen in einfache Sätze als einen elementarischen Katechismus zu fassen gewußt hat.
Wenn die Ständeversammlung veranlaßt hätte, daß die 20 §§, welche diese allgemeinen Bestimmungen enthalten, auf Tafeln in den Kirchen aufgehängt, der erwachsenen Jugend beigebracht und zu einem stehenden Artikel des Schul- und kirchlichen Unterrichts gemacht worden wären, so würde man sich weniger darüber verwundern können, als daß die Landesversammlung dieselben ignoriert und den Wert der öffentlichen Anerkennung durch die Regierung und der allgemeinen Kenntnis solcher Grundsätze nicht empfunden hat.

Aber um dieser Allgemeinheit willen machen sie nur erst den Grundriß für eine zu entwerfende Gesetzgebung aus, wie die mosaischen Gebote oder die berühmten Droits de l'homme et du citoyen der neueren Zeit. Für eine bestehende Gesetzgebung und schon vorhandene Regierung und Verwaltung sind sie die bleibenden Regulatoren, auf welche sich eine Revision sowie eine Erweiterung des bereits Bestehenden gründen muß, wenn die eine oder die andere nötig ist.
Die königliche Verfassungsurkunde bleibt bei diesen allgemeinen Grundlagen stehen und enthält die weitere Entwicklung derselben nicht, noch die Aufnahme näherer Bestimmungen, welche schon als Staatseinrichtungen vorhanden sein konnten.
Organische Verfassungsbestimmungen und eigentliche Gesetze grenzen überhaupt sehr nahe aneinander, und die weitere Arbeit der Entwicklung und Subsumtion der schon bestehenden Einrichtungen konnte vornehmlich einen Gegenstand der Tätigkeit der Ständeversammlung abgeben.

Dies sind nun die Hauptmomente der Art und Weise, wie der König die bisherige Staatsverfassung seines Reichs mit dem wichtigen Gliede einer Volksvertretung und mit der Anerkennung und Proklamation der allgemeinen Grundsätze der Gerechtigkeit im Staatsleben ergänzt zu haben meinte, die Einverleibung jenes Gliedes und damit die Herstellung der Grundlage für die weitere Ausbildung und Anwendung der Rechtsprinzipien durch die wirkliche, nach der Bestimmung der Verfassungsurkunde vorgenommene Einberufung von Landständen, durch seine eigene öffentliche Verpflichtung auf die Urkunde, deren feierliche Übergabe an seine Stände und Bekanntmachung, als der Instruktion, welche ihnen ihre Berechtigung erteilte, bewerkstelligt und vollendet zu haben glaubte. Man erwartete nun etwa, daß der weitere Verlauf der Geschichte darstellen werde, wie dies neue Geschöpf, die Landstände, sich in dem ihnen eingeräumten Kreise bewegt und dies wichtige, zum Organismus des Staats hinzugefügte Lebenselement in ihm gewirkt habe. Aber es ist nicht die Geschichte einer solchen assimilierenden und lebenstätigen Wirksamkeit, die sich vor unseren Augen entwickelt, sondern die dazu berufenen Mitglieder verweigern, sich als dieses Glied in den Staat aufnehmen zu lassen, erklären sich dennoch für Landstände, aber einer anderen Welt, einer vergangenen Zeit, und fordern, daß die Gegenwart zur Vergangenheit, die Wirklichkeit zur Unwirklichkeit umgeformt werden solle.

In derselben Sitzung, am 15. März, worin der König sein Reich vollends nach innen konstituiert zu haben glaubte, geschieht der Anfang, daß teils die vormals privilegierten Klassen, teils die, um Landstände zu sein, Einberufenen gemeinschaftlich erklärten, daß sie sich außerhalb der neuen Rechtsverfassung des Staates befinden und daß sie in die vom Könige gegebene Verfassung gar nicht eintreten.

Fürs erste erklären die Agnaten des königlichen Hauses (I. Abt., S. 26 ff.), daß sie sich und allen künftigen Agnaten, Erben und Erbes-Erben des königlichen Hauses die Rechte des vormaligen Zustandes ausdrücklich vorbehalten wollen.
- Alsdann erklärt eine Anzahl von Standesherren, daß sie von dem Kongreß der Monarchen in Wien die Bestimmung ihrer Rechte und Verhältnisse erwarten und sich daher einer partikulär-landständischen Verfassung nicht zum voraus untergeben können; sie sagten sich daher von einer Teilnahme an den Verhandlungen los.
- Überhaupt wurde in die erste Adresse der Stände die Erklärung eingeschaltet (ohne daß eben ersichtlich ist, aus welcher Bevollmächtigung), daß auch die übrigen Fürsten und Grafen und der Gesamtadel sich nur mit Vorbehalt ihrer Rechte und des Ausspruches des Kongresses einlassen können.
- Diesen vorbehaltenen Rechten wird insbesondere in einer an die Stände gerichteten Beschwerdeschrift des Herrn Grafen von Waldek im Namen des hochgräflich-limpurgischen Hauses (VI. Abt., S. 91 ff.) ein auffallend weiter Sinn gegeben.
Es heißt daselbst S. 93, daß dieses hochgräfliche Haus die Abdikation des römischen Kaisers nie angenommen habe
(eine Abdikation, welche sonst von allen Potentaten Europas angenommen worden ist) und (S. 97) nach Aufhebung des Rheinbundes in den rechtlichen Besitz aller seiner früheren Rechtszuständigkeiten getreten sei, und es fehle bis auf diesen Augenblick nur widerrechtlich der wirkliche Besitz derselben; - d. h. mit anderen Worten, es wird sich hiermit von der rechtlichen Einverleibung in den württembergischen Staat und von dem Untertänigkeitsverhältnis zu demselben förmlich losgesagt und sogar hinzugefügt, daß der Herr Graf bereit sei, seinerzeit, wenn erst ein konstitutioneller Zustand in Württemberg zustande gekommen, diejenigen Bestimmungen anzugeben, unter welchen die Grafschaft Limpurg durch einen Vertrag in ein Subjektionsverhältnis gegen Württemberg zu treten bereit sein werde.

Wie das königliche Ministerium dergleichen sogar ins Lächerliche, bis zur Nichtanerkennung der Abdikation des römischen Kaisers gehende Anmaßungen von Standesherren ansehen konnte, gehört hierher nicht; aber an einer Ständeversammlung kann es unbegreiflich scheinen, die Teilnahme und Stimmgebung bei ihren Beratschlagungen und Beschlüssen solchen Mitgliedern zuzugestehen, welche förmlich erklären, daß sie rechtlich dem Königreich Württemberg noch gar nicht angehören, daß sie wohl daran teilnehmen wollen, für das württembergische Volk verbindliche Beschlüsse zu fassen, daß aber diese für solche Helfer noch nicht verbindlich seien, sondern erst, wenn ein konstitutioneller Zustand mit ihrer Hilfe zustande gekommen, wollen sie sich erklären, auf welche Bedingungen sie sich daran anzuschließen belieben wollen.
- Wenn auch sonst das Phänomen der Anmaßung, Gesetze für andere zu machen, sich selbst aber für denselben nicht unterworfen zu erklären, näher bei der Hand liegen mag, so wird es dagegen schwerer sein, Beispiele von einem solchen Grade der Schlaffheit an Landständen zu finden, dergleichen sich gefallen zu lassen und auf solche gegen den König ebenso eigenmächtige Bedingung einen Anteil an den Beratschlagungen und Beschlüssen zuzugestehen.

Noch ein Stand, die Prälaten nämlich, machten nach etlichen Tagen den unbedeutenden Schritt, in einer Adresse, doch nur als Wunsch vorzutragen, daß sie als ein besonderer Stand in der Ständeversammlung repräsentiert1) und ihnen die vormaligen Rechte eingeräumt werden möchten. - Von den beiden Prälaten, welche bereits Mitglied der Ständeversammlung waren, erklärte der eine, der als Kanzler der Universität Tübingen berufene, daß er nicht wisse, ob er die Universität oder die Kirche oder den gelehrten Stand repräsentiere; der andere, der als evangelischer Generalsuperintendent berufene, machte die naive Äußerung, daß ihm ein guter Freund geraten, jene Eingabe der anderen Prälaten nicht zu unterschreiben, um als impartiell zu erscheinen und desto mehr ihre Sache unterstützen zu können (II. Abt., S. 64 ff.).

Die gesamte Ständeversammlung selbst stellt sich ebenso auf einen den wirklichen Weltverhältnissen entgegengesetzten Standpunkt. Sie verwirft die vom Könige gegebene Verfassung und damit die Instruktion, kraft der sie versammelt ist, nimmt sich einen eigenen Beruf heraus und beschließt die Nichtannahme jener Verfassung in einem Sinne, welcher der allgemeinen, soeben von sämtlichen europäischen Mächten neu begründeten Verfassung Europas und Deutschlands widersprach.
- Die Ständeversammlung verwarf die königliche Verfassung nicht deswegen, weil sie dem Rechte, welches Untertanen aus dem ewigen Rechte der Vernunft für sich in der Staatsverfassung fordern können, entgegen sei.
Was man erwarten mußte, das sie ihrer Verwerfung vorausgehen lassen würde, eine Untersuchung jener Urkunde, darauf ließ sie sich gar nicht ein und hätte wohl die allgemeinen Grundsätze derselben anerkennen müssen, sondern sie verwarf dieselbe deswegen, weil sie nicht die altwürttembergische Verfassung sei, - auch nicht bloß insofern, als sie von dieser verschieden wäre, auch diese Untersuchung schickte sie nicht voran, sondern trocken und ausdrücklich, weil es nicht namentlich diese vormalige Verfassung sei, weil der Akt, wodurch sie eintreten sollte, nicht das bloße Wiederherstellen und Wiederaufleben des Alten sei.
- Das Tote kann aber nicht wieder aufleben; die Ständeversammlung bewies in ihrer Forderung, daß sie von der Natur der Aufgabe, welche zu lösen war, nicht nur keinen Begriff, sondern auch keine Ahnung hatte.
Sie zeigte, daß sie das Notwendige der Aufgabe als ein Belieben und Privatwillkür des Königs oder seines Ministeriums betrachtete und es mit einer Zufälligkeit, nicht mit der Natur der Sache zu tun zu haben glaubte. Sie gab zwar zu, daß einige Umstände neu [seien] und in Ansehung derselben Modifikationen einzutreten hätten.
Für diese neuen Umstände galten ihr bloß ein paar Äußerlichkeiten, welche das Wesen in dem Unterschiede des alten und neuen Verhältnisses so gut als gar nicht betrafen, - nämlich das Hinzukommen eines Adelsstandes, welcher, wie oben bemerkt worden, sich dafür ansehen wollte, daß er rechtlich, somit in Beziehung auf Verfassung, wo allein vom Rechtszustande die Rede war, eigentlich noch gar nicht einen Teil der Untertanen ausmache, ja der die Bestimmung einer staats- und privatrechtlichen Stellung im Reiche vom Staate mit Konkurrenz der Ständeversammlung zu erhalten ausschlug.
Der andere Umstand war die Aufnahme der einer anderen christlichen Konfession angehörigen Untertanen in die gleichen Staatsbürgerrechte mit den Lutheranern, ein Umstand, der ohnehin die Natur der Verfassung nicht betraf, wie der erstere noch kein Gegenstand derselben sein sollte. Als eine weitere Veranlassung zu Modifikationen wurde die Vergrößerung des Landes um mehr als die Hälfte gegen seinen vorherigen Bestand betrachtet. In der Tat konnte dieser Umstand einen sehr wichtigen Grund gegen die trockene Einführung der vormaligen Verfassung Altwürttembergs abgeben, wogegen die Ständeversammlung mit Advokatengründen aus vormaligen Fällen, dem alten positiven Staatsrecht, dem formellen Begriffe der Inkorporation, zu erweisen suchte, daß der neu hinzugekommene Teil ein Recht an die Wohltat der Verfassung des anderen Teils habe.
Im Grunde besehen aber war für die Hauptsache die ganze Betrachtung dieser Rücksicht und vollends die Advokatenbeweise etwas sehr Müßiges, nahezu eine querelle d'Allemand; denn wenn Württemberg auch gar keine Erweiterung erhalten hätte und ganz nur in seinem vorigen Gebiete, das die alte Verfassung hatte, geblieben wäre, so wäre die Veränderung der Stellung für dasselbe, das Bedürfnis und die Notwendigkeit einer neuen Verfassung die nämliche geblieben.

Für die nähere Beleuchtung dieser Notwendigkeit ließen sich nun nach sehr vielen Seiten hin die nachteiligen Folgen entwickeln, welche die Wiedereinführung der altwürttembergischen Verfassung unter den ganz anders verschiedenen Umständen als nur den eben erwähnten gehabt haben würde.
Die Bildung der Zeit forderte schon wenigstens eine Zusammenstellung und Sichtung der gleich der deutschen Reichsverfassung zu einem unförmlichen Gebäude ausgelaufenen Konstruktionen und Konstitutionen.
Man braucht nur die verdienstliche, von unserem Herrn Geh. Kirchenrat Paulus veranstaltete Sammlung der Haupturkunden der württembergischen Landesgrundverfassung zu betrachten, um zu sehen, daß ein solcher Zustand der Verfassungsgrundlagen eine unerschöpfliche Rüstkammer für Advokaten und Konsulenten zu Deduktionen, aber zugleich eine Fassung ist, wodurch die Verfassungskenntnis und damit mehr oder weniger die Sache selbst dem Volke entzogen wird, eine Fassung, mit der sich die Zeit nicht mehr begnügen kann.
Daß in Ansehung dieser Förmlichkeit etwas zustande gekommen und daß ein bloß die Form zu betreffen scheinendes Geschäft auch auf die Materie Einfluß haben mußte, davon wird unten noch die Rede sein.
- Was aber die nachteiligen Folgen betrifft, so können ihnen die sogenannten wohltätigen Folgen, vornehmlich aber das Recht, welches nicht von Folgen abhängig gemacht werden soll, entgegengestellt werden; in Ansehung des letzteren insbesondere ist dies auch von den Ständen zur Genüge und zum Überdruß geschehen.

Es entsteht mit solcher Auseinandersetzung das gewöhnliche endlose Hin- und Herreden, weil solche Gründe und Gegengründe keine letzte Entscheidung in sich haben, wenn der Prätor fehlt, der diese Entscheidung geben müßte.
Worauf es ankommt, ist allein die Natur der Sache, und diese ist im vorliegenden Falle sehr einfach.
Die Veränderung, die sich seit Jahrhunderten vorbereitet und spät genug vollendet hat, ist der schon genannte Übergang der beträchtlicheren deutschen Länder aus dem Verhältnis von Reichslehen in das Verhältnis von souveränen Ländern,
d. i. von Staaten. In jenen konnten einerseits der Fürst, andererseits Land und Leute - obgleich die letzteren als Untertanen (selbst oft bis zum Grade der Leibeigenschaft) - mit einer Unabhängigkeit einander gegenüberstehen, welche von beiden Seiten sich fast Souveränitätsrechten nähern konnte.
Denn zwischen beiden stand Kaiser und Reich als ein äußerliches Band, welches beide in dieser Selbständigkeit hielt und auch notdürftig zusammenhielt, - wie der Privatmann gegen den Privatmann eine unabhängige Person ist.
In den Verhältnissen, die sie miteinander knüpfen, gehen sie von dem subjektiven Bedürfnis und der Willkür aus;
aber allein, weil sie zugleich in einem Staate sind, eine Obrigkeit und Gerichte über sich haben, werden Verhältnisse zu Verträgen, hat es einen vollständigen wirklichen Sinn, Verträge zu schließen, und werden die Einzelnen in ihrer Selbständigkeit und in ihren Verhältnissen aufrechterhalten.
Je ohnmächtiger aber jene Zwischen- und Obermacht sich bewies, desto schlimmer mußten beide Teile in ihren Kollisionen daran sein, weil sie, bei ihrer Unabhängigkeit zugleich als Regierung und Untertanen aneinander gebunden, nicht auseinanderkommen konnten.

Ein solcher Zustand, in welchem Fürst und Volk durch eine so äußerliche Macht verknüpft waren, führte es mit sich, daß eigentliche Staatsrechte sich auf seiten der Untertanen befanden. Zu Rechten dieser Art gehören die meisten derjenigen, welche aus dem Lehensverhältnisse flossen; doch wäre es überflüssig, hier solche zu berühren, weil sich in Altwürttemberg nur ein unbedeutender Adel vorfand, dessen Rechte überhaupt von keiner großen Konsequenz für das Staatsverhältnis waren.
Eine wesentliche Erwähnung aber verdient das Recht der vormaligen württembergischen Landstände, die Steuerkasse in Händen zu haben. Es war damit das Recht für sie verbunden, nicht nur selbst Diäten zu genießen, sondern auch Beamte, Konsulenten und vornehmlich einen Ausschuß zu ernennen und dessen Mitgliedern sowie jenen Beamten Besoldungen aus der Steuerkasse anzuweisen. Ja, dieser Ausschuß hatte selbst die Verwaltung der Kasse, aus der er seine im ganzen von den Ständen bestimmte Besoldung bezog; aber außerdem erstreckte sich sein Verwaltungsrecht so weit, daß er sich sogar auch Besoldungszuschüsse und Remunerationen dekretierte, ferner seinen Mitgliedern sowie anderen Individuen für wirkliche oder eingebildete Dienste Belohnungen und Pensionen dekretierte und ausbezahlte;
ja gerade diese Verwendung der Landesgelder fürs Persönliche, für sich selbst, welche geheim zu halten die Ehre am allermeisten verschmähen wird, war aller Kontrolle entzogen.

Der inneren Zerrüttung und sittlichen Versumpfung, die in einer solchen Privatplünderung und einem solchen Zustande überhaupt liegt, ist die förmliche Staatszerrüttung ganz nahe verwandt, daß Landstände durch die Kasse, welche sie in Händen haben, sich für sich als eine Art von souveräner Macht für ihre Zwecke mit äußeren Mächten in Verbindung setzen.
Von der eigenen Kasse ist kein großer Schritt zur Unterhaltung eigener Truppen, und es würde nur lächerlich sein, das letztere Ständen gesetzlich zu verbieten, durch die erstere ihnen aber die Macht und die Mittel dazu in die Hände zu geben.
Wenn die vorgenannte Zwischen- und Obermacht des Kaisers und Reichs noch vorhanden war, dann konnte eine solche Folge in einzelnen Fällen verhütet werden,
- wo nämlich jene Macht wirksam war, sowie auch im Fall es ihr beliebte; aber es blieb eine Zufälligkeit, ob diese Folge verhütet wurde oder nicht. Doch fehlte es im Deutschen Reiche auch nicht an Fällen, wo Stände zur Haltung eigener Truppen berechtigt waren, wie z. B. in Ostfriesland die Stadt Emden, ebensowenig daran, daß in eben diesem Lande, das entfernter von der Einwirkung des Reichs lag, die Stände selbst Truppen gegen ihren Fürsten warben, mit ausländischen Mächten Traktate schlossen und deren Armeen ins Land riefen und sie besoldeten.
Es gibt in dieser Rücksicht nicht leicht eine lehrreichere Geschichte als die vortreffliche von Wiarda verfaßte
Geschichte von Ostfriesland2) ; wir sehen darin ein zusammenhängendes Gemälde der schmählichsten, widrigsten und zerstörendsten Zerrüttung, die aus dem Verhältnisse vom Fürsten und von Landständen hervorging, in deren Händen sich Rechte befanden, die der Souveränität zustehen. In größeren Zügen ist dergleichen übrigens z. B. in Frankreichs, Englands Geschichte vorhanden, ehe diese Länder ihre Bildung zu Staaten vollendet hatten, um Polens nicht zu erwähnen, nur daß diese Geschichten auch von der ekelhaften Seite, nämlich dem vollständigen Rechts- und Papierformalismus des deutschen Landes, mehr befreit sind.

Dem genannten Geschichtsschreiber waren die Archive der ostfriesischen Landstände, bei denen er selbst in Diensten steht und auf deren Auftrag er sein Werk schrieb, geöffnet. Die württembergischen Landstände haben eine solche Geschichte nicht veranlaßt; den berühmten Moser3) , der dazu befähigt, der auch ihr Konsulent war, haben sie aus ihrer Mitte vertrieben.
Doch unter anderen Einzelheiten, die dem Publikum vorliegen, zeichnet sich eine Broschüre aus, die in eine Seite des berührten Gegenstandes, in die unabhängige ständische Kassenverwaltung während einer Periode wenigstens Blicke tun läßt und unter dem Titel erschienen ist: Die Verwaltung der württembergischen Landeskasse durch die vormaligen, nun kassierten Ausschüsse der württembergischen Landstandschaft; aus landschaftlichen Rechnungen, Akten und Urkunden gezogen (ohne Druckort) 1799.
Die Landesversammlung, welche im Jahre 1796 nach etwa 25 Jahren wieder einmal zusammenberufen wurde, untersuchte die Rechnungen der von ihr vorgefundenen Ausschüsse; die genannte Broschüre liefert wenigstens einen Teil der Resultate dieser Untersuchung. Die Vorrede sagt darüber sommarisch:
"Die Resultate dieser Rechnungen enthalten nicht nur etliche Tonnen Goldes, welche gesetzwidrig verwendet worden sind,
sondern sie laufen in Millionen und betragen von dem letzteren Landtage 1771 bis zu Anfange des gegenwärtigen, im März 1797, wo dem Unwesen ein Ende gemacht wurde, die enorme Summe von 4 238 000 Fl., sage: vier Millionen zweihundertachtunddreißigtausend Gulden Staatsvermögen, über deren treue Verwaltung und Verwendung die Ausschüsse Eid und Pflicht hatten."

Dies Resultat mag hinreichend sein zu erwähnen; ein detailliertes Gemälde, wie tief die Unabhängigkeit diese ständische Verwaltung hat sinken lassen, daraus auszuziehen, gehört nicht hierher. Es wären insbesondere die vielfachen Remunerationen auszuheben, welche die Ausschußmitglieder für jedes bedeutende und unbedeutende Geschäft außer ihrem ordentlichen Gehalt
(z. B. einem Kanzlisten dafür, daß er sich nach dem Befinden des Herzogs erkundigte) sich selbst zuteilten, und so manches, was eine förmliche Prellerei scheint genannt werden zu können, wobei dieselben Familiennamen besonders häufig vorkommen.
Alsdann wären auch die sauberen Proben diplomatischer Versuche und Sendungen und vornehmlich deren Belohnungen merkwürdig; in der Rechnung von 1778 bis 1781 kommt eine Summe von 5000 Fl. vor, die einem auswärtigen Hofrat im Jahre 1770 zu einer Reise nach Petersburg übermacht wurden, um die dort verlegenen (??) Landesangelegenheiten zu betreiben; eine Reise nach München in Kommerzangelegenheiten á 8700 Fl. usw.
- Es hilft nichts zu sagen, daß Vergeudungen und Plünderungen der Staatskasse Mißbräuche und Gesetzwidrigkeiten gewesen seien; wenn in 26 Jahren die Summe von gesetzwidrig verwendetem Landesgelde sich auf vier Millionen belaufen kann, so taugen gewiß die Gesetze nichts, bei welchen dergleichen Gesetzwidrigkeit möglich ist;
eine gute Verfassung ist ja wohl nur dann eine solche, wenn durch sie Gesetzwidrigkeiten bestraft und noch mehr verhütet werden. - Wenn solches geschah am grünen Holze, möchte man fragen, was soll's am dürren werden?
Wenn Plünderung und Vergeudung geschah zu einer Zeit, wo Kaiser und Reichsgerichte noch über den Landständen standen,
wo die Stände selbst einen langwierigen, höchst kostspieligen Prozeß gegen ihren Fürsten wegen Erpressungen und Gesetzwidrigkeiten beendigt und eine große Schuldenmasse - deren Abtragung seit bald 50 Jahren bis diese Stunde noch nicht vollendet sein mag - übernommen hatten; - zu einer Zeit, die man als eine Zeit deutscher Redlichkeit, landständischer Würdigkeit, einer durch die Verfassung erschaffenen Glückseligkeit im Gegensatze gegen das Verderben, den Luxus und das Unrecht neuerer Zeit lobpreisen hört!

Das Übel aber, daß die Selbständigkeit der Landstände es ihnen möglich machte, die Staatskasse zu plündern, sei nun eine notwendige Folge, oder es könne ihm durch Gesetze und veränderte Einrichtungen gesteuert werden, so bleibt immer der weit größere Übelstand im Verhältnis zum Staat, daß die Selbständigkeit der Landstände in der Disposition und Verwaltung einer Staatskasse es ihnen möglich macht, den Gang des Staates zu erschweren, ja zu hemmen, teils nach der Seite der inneren Angelegenheiten, teils insbesondere nach der Seite des politischen Verhältnisses zu anderen Staaten, welches den Landständen ohnehin entfernter liegt, ja oft verhaßt ist, den deutschen aber überhaupt bisher fremd war.
Der Einfall, Landständen, oder welcher Korporation im Staate es sei, eine von der Regierung unabhängige Militärmacht und Armee in die Hände geben zu wollen, würde allgemein als eine den Staat zertrümmernde Maßregel angesehen werden;
aber es wäre kein großer Unterschied, wenn die Disposition der ganzen oder eines Teils der Staatskasse und die Befugnis, daraus Besoldungen und Pensionen zu erteilen, einer solchen Korporation zustehen sollte.
Es kann scheinen, daß Stände eines vormaligen deutschen Landes, welche eine solche Disposition hatten, wenn ihnen diese nicht mehr zugestanden wird, an Befugnis und Macht sehr viel verlieren. Allein es ist schon bemerkt worden, daß durch die Veränderung eines Landes aus einem Reichslehen in einen souveränen Staat die Stände unendlich an Befugnis und Macht gewonnen und nur um dieses neuen Zuwachses willen mit demselben jene frühere Befugnis nicht vereinigt bleiben kann.
Der Staat würde mit solchen Bestimmungen aufhören, ein Staat zu sein, und durch die zwei souveränen Gewalten, die sich in ihm befänden, zertrümmert werden; - oder vielmehr die Einheit würde sich herstellen, entweder, daß die sogenannten Stände, wie wir dies in der neueren Geschichte gesehen, die bisherige Regierung stürzten und an sich rissen,
oder, was wir gleichfalls gesehen, daß die Regierungen solche Landstände fortjagten und Staat und Volk dadurch retteten.
Die größte Garantie und Sicherheit der Landstände ist gerade dies, daß sie eine der Natur der Sache widersprechende Macht nicht besitzen, - das Törichtste dagegen, in einer solchen Macht für sich und für das Volk einen Schutz zu suchen;
denn eine solche Macht macht es zum Recht oder früher oder später zur Notwendigkeit, solche Landstände aufzuheben.

Es ist noch hinzuzufügen, daß mit der qualitativen Verschiedenheit eines Lehens und eines Staates auch die nähere Förmlichkeit ganz verändert ist, die in jenem das Verhältnis zwischen Fürst und Untertanen hatte.
Indem Fürst und Land als Eigentümer und Inhaber von besonderen Gerechtsamen in der Weise von Privatberechtigten einander gegenüber und so unter einem Dritten, der Gewalt von Kaiser und Reich standen, waren sie wie unter einem Prätor im Falle, Verträge miteinander schließen und sich nach der Weise des Privatrechts gegeneinander verhalten zu können.
Auch in neuerer Zeit, wo wahrhaftere Begriffe an die Stelle der vormals gedanken- und vernunftlos genommenen Vorstellung, daß die Regierungen und die Fürsten auf göttlicher Autorität beruhen, getreten sind, hat der Ausdruck Staatsvertrag noch immer den falschen Gedanken zu enthalten geschienen, als ob im Staate auf das Verhältnis von Fürst und Untertanen, von Regierung und Volk der Begriff vom Vertrag wahrhaft passen und die gesetzlichen Bestimmungen des Privatrechts, welche aus der Natur eines Vertrags folgen, hier ihre Anwendung finden könnten, ja sollten.
Ein geringes Nachdenken läßt erkennen, daß der Zusammenhang von Fürst und Untertan, von Regierung und Volk eine ursprüngliche, substantielle Einheit zur Grundlage ihrer Verhältnisse hat, da im Vertrage hingegen vielmehr vom Gegenteil, nämlich der gleichen Unabhängigkeit und Gleichgültigkeit beider Teile gegeneinander ausgegangen wird;
eine Vereinbarung, die sie miteinander über etwas eingehen, ist ein zufälliges Verhältnis, das aus dem subjektiven Bedürfnis und der Willkür beider herkommt.
Von einem solchen Vertrage unterscheidet sich der Zusammenhang im Staate wesentlich, der ein objektives, notwendiges, von der Willkür und dem Belieben unabhängiges Verhältnis ist; es ist an und für sich eine Pflicht, von der die Rechte abhängen;
im Vertrag dagegen räumt die Willkür gegenseitig Rechte ein, aus denen dann erst Pflichten fließen.
- Mit dem Übergange eines Landes aus seiner Reichslehenschaft in einen Staat ist die vorherige, durch eine dritte Zwischen- und Obergewalt vermittelte Selbständigkeit der beiden Seiten und damit auch das ganze Vertragsverhältnis hinweggefallen.

Der Grundirrtum der Stellung, die sich die württembergischen Landstände gaben, liegt hierin, daß sie von einem positiven Rechte ausgehen, sich ganz nur ansahen, als ob sie noch auf diesem Standpunkte ständen, und das Recht nur fordern aus dem Grunde,
weil sie es vormals besessen haben. Sie handelten, wie ein Kaufmann handeln würde, der auf ein Schiff hin, das sein Vermögen enthielt, das aber durch Sturm zugrunde gegangen ist, noch dieselbe Lebensart fortsetzen und denselben Kredit von anderen darauf fordern wollte, - oder wie ein Gutsbesitzer, dem eine wohltätige Überschwemmung den Sandboden, den er besaß, mit fruchtbarer Dammerde überzogen hätte und der sein Feld auf dieselbe Weise beackern und bewirtschaften wollte wie vorher.

Man sieht in der Art, wie sich die in Württemberg berufenen Landstände gehalten, gerade das Widerspiel von dem, was vor 25 Jahren in einem benachbarten Reiche begann und was damals in allen Geistern wiedergeklungen hat, daß nämlich in einer Staatsverfassung nichts als gültig anerkannt werden solle, als was nach dem Recht der Vernunft anzuerkennen sei.
Man konnte die Besorgnis haben, daß der Sauerteig der revolutionären Grundsätze jener Zeit, der abstrakten Gedanken von Freiheit, in Deutschland noch nicht ausgegoren und verdaut sei und Ständeversammlungen sich die Gelegenheit nehmen würden, ähnliche Versuche zu machen und Verwirrungen und Gefahren herbeizuführen.
Württemberg hat das allerdings auch bis auf diesen Grad tröstliche Beispiel gegeben, daß solcher böse Geist nicht mehr spuke, zugleich aber auch, daß die ungeheure Erfahrung, die in Frankreich und außer Frankreich, in Deutschland so gut als dort gemacht worden ist, für diese Landstände verloren war, - die Erfahrung nämlich, daß das Extrem des steifen Beharrens auf dem positiven Staatsrechte eines verschwundenen Zustandes und das entgegengesetzte Extrem einer abstrakten Theorie und eines seichten Geschwätzes gleichmäßig die Verschanzungen der Eigensucht und die Quellen des Unglücks in jenem Lande und außer demselben gewesen sind.
- Die württembergischen Landstände haben auf dem Standpunkte wieder anfangen wollen, worauf die vormaligen Landstände sich befanden; sie haben sich auf den Inhalt der königlichen Verfassungsurkunde nicht eingelassen und nicht gefragt und zu beweisen gesucht, was und daß etwas vernünftiges Recht sei, sondern sind schlechthin bei dem Formalismus beharrt, ein altes positives Recht zu fordern auf dem Grund, daß es positiv und vertragsmäßig gewesen sei.
Man mußte den Beginn der Französischen Revolution als den Kampf betrachten, den das vernünftige Staatsrecht mit der Masse des positiven Rechts und der Privilegien, wodurch jenes unterdrückt worden war, einging; in den Verhandlungen der württembergischen Landstände sehen wir denselben Kampf dieser Prinzipien, nur daß die Stellen verwechselt sind.
Wenn damals die Majorität der französischen Reichsstände und die Volkspartei die Rechte der Vernunft behauptete und zurückforderte und die Regierung auf der Seite der Privilegien war, so stellte in Württemberg vielmehr der König seine Verfassung in das Gebiet des vernünftigen Staatsrechts; die Landstände werfen sich dagegen zu Verteidigern des Positiven und der Privilegien auf; ja, sie geben das verkehrte Schauspiel, daß sie dieses im Namen des Volkes tun, gegen dessen Interesse noch mehr als gegen das des Fürsten jene Privilegien gerichtet sind.

Man konnte von den württembergischen Landständen sagen, was von den französischen Remigranten gesagt worden ist:
sie haben nichts vergessen und nichts gelernt; sie scheinen diese letzten 25 Jahre, die reichsten, welche die Weltgeschichte wohl gehabt hat, und die für uns lehrreichsten, weil ihnen unsere Welt und unsere Vorstellungen angehören, verschlafen zu haben.
Es konnte kaum einen furchtbareren Mörser geben, um die falschen Rechtsbegriffe und Vorurteile über Staatsverfassungen zu zerstampfen, als das Gericht dieser 25 Jahre; aber diese Landstände sind unversehrt daraus hervorgegangen, wie sie vorher waren. - Altes Recht und alte Verfassung sind ebenso schöne, große Worte, als es frevelhaft klingt, einem Volke seine Rechte zu rauben. Allein ob das, was altes Recht und Verfassung heißt, recht oder schlecht ist, kann nicht aufs Alter ankommen;
auch die Abschaffung des Menschenopfers, der Sklaverei, des Feudaldespotismus und unzähliger Infamien war immer ein Aufheben von etwas, das ein altes Recht war.
Man hat oft wiederholt, daß Rechte nicht verlorengehen können, daß hundert Jahre Unrecht kein Recht machen können, - man hätte hinzusetzen sollen: wenn auch das hundertjährige Unrecht diese hundert Jahre lang Recht geheißen hätte;
ferner, daß hundertjähriges und wirkliches positives Recht mit Recht zugrunde geht, wenn die Basis wegfällt, welche die Bedingung seiner Existenz ist. Wenn man das Belieben hat, leeres Stroh zu dreschen, so mag man behaupten, daß dem einen Ehegatten auch noch nach dem Tode des anderen sein Recht auf den anderen, dem Kaufmann, dessen Schiff von der See verschlungen worden, noch sein Recht auf dasselbe verbleibe.
Es ist von jeher die Krankheit der Deutschen gewesen, sich an solchen Formalismus zu hängen und damit herumzutreiben.
So ist denn auch noch bei dieser württembergischen Ständeversammlung beinahe der ganze Inhalt ihrer Tätigkeit auf die unfruchtbare Behauptung eines formellen Rechts mit Advokateneigensinn beschränkt.
Vergebens versuchten einige wenige Stimmen, sie auf die Sache selbst zu führen, unter anderen der Präsident der Versammlung, der Herr Fürst zu Hohenlohe-Öhringen, sie gelegentlich von dem prozessualischen Gange abzubringen,
- hatte ja der Mörser, in welchem die Zeit 25 Jahre lang zerstoßen worden, nichts auf sie vermocht.

Aus diesem Verhalten der Landstände, sich in dem Formalismus des positiven Rechts und dem Standpunkt des Privatrechts zu halten, wo es sich vom vernünftigen und vom Staatsrecht handelte, folgt für die Geschichte ihrer anderthalbjährigen Verhandlungen, daß sie höchst leer an Gedanken sind und für einen so großen Gegenstand als der ihnen vorgelegte, die freie Verfassung eines deutschen Staats jetziger Zeit, wenig oder fast nichts Lehrreiches enthalten.
Statt einer fruchtbaren Arbeit bietet sich daher fast nur eine äußerliche Geschichte dar, von der jetzt der Hauptgang anzugeben ist.

Es ist schon angeführt worden, daß, nachdem der König am 15. März 1815 die Ständeversammlung feierlich eröffnet und nach Übergabe der Konstitutionsurkunde jene sich selbst überlassen hatte, Herr Graf von Waldek, kein Altwürttemberger, auch nicht für sich ein Virilstimmführer, sondern ein Substitut einer solchen, mit einer Rede auftrat, welche mit dem vorhin erwähnten Lobe des Königs begann, des "erhabenen Monarchen, der seltene Stärke bewiesen, Württemberg beträchtlich ausgedehnt und nun die von seinen Erlauchten Ahnherren, lauter Fürsten von seltenen Eigenschaften, auf ewig gegründete Verfassung herstellt".
- Es konnte nicht wohl anders gemacht werden, als daß die erste Äußerung von seiten der Ständeversammlung, wenn nicht eine Anerkennung der soeben vollzogenen königlichen Handlung, seinem Reiche eine Verfassung zu geben, doch eine sich als schicklich zeigende Lobpreisung ins Allgemeine enthielt. Diese Lobpreisung ist nun, wie die ganze Rede, so geschraubt und zweideutig gehalten, jedem Worte so der Stempel der Feinheit aufgedrückt, daß die Ständeversammlung sich darin der Geschicklichkeit ihres Redners, nach außen die schuldige Devotion bewiesen, nach innen aber alles vorbehalten zu haben, erfreuen konnte;
- der König dagegen und das Ministerium konnten diese verdrehten und versteckten Ausdrücke als Hohn aufnehmen, um so mehr, als jenem ausdrücklich der Entschluß zugeschrieben wird, das seit Jahrhunderten als wohltätig anerkannte Band zwischen dem Regenten und allen Ständen des Staates und eine alle Teile zufriedenstellende Konstitution herzustellen und die seit neun Jahren geschehene Aufhebung der von den Erlauchten Ahnen für ewige Zeiten gegründeten Verfassung wieder aufzuheben.
Man konnte diese Versicherung für eine kecke Voraussetzung nehmen, wenn sogleich und nur in ihrem Sinne gehandelt worden; aber sie mochte, wie gesagt, mehr nur höhnisch und hämisch erscheinen, da die Beschwernis der Ständeversammlung gleich von dieser ersten Sitzung an nur den Inhalt hatte, daß im Gegenteil der König eben jene alte Verfassung nicht habe wiederherstellen wollen, daß mit der von ihm herrührenden Verfassung vielmehr kein einziger der Stände seines Staates, kein Teil desselben
(außer dem Könige selbst und seinen Ministern) zufrieden sei.

Der weitere Verfolg dieser Rede ist eine historische Zusammenstellung der Schicksale Württembergs unter seiner Verfassung;
als allgemeines Resultat erscheint, daß der Zustand des Landes zu allen Zeiten, während es jene Verfassung hatte, elend, niedergedrückt, unglücklich war. Hieraus wird der mit solcher Prämisse kontrastierende Schluß gemacht, "daß die alte württembergische Verfassung das Land seit Jahrhunderten beglückt, daß sie die entschiedensten Vorzüge vor allen Verfassungen anderer Länder habe, ohne Zweifel von jeher die beste Verfassung eines deutschen Landes, der Gegenstand nicht allein der Bewunderung Deutschlands, sondern sogar wiederholt der Aufmerksamkeit Englands gewesen sei".
Hiermit und weil in ihr alles vertragsmäßig bestimmt und nichts Zweifelhaftes, weil sie garantiert, von allen Regenten beschworen sei, das Volk nicht auf sie Verzicht geleistet habe usf., sei sie ganz allein als Grundgesetz und Grundvertrag anzuerkennen. Einige Modifikationen, welche durch die veränderten Umstände notwendig geworden, die oben erwähnten, seien nur auf sie zu gründen. Die hiernach vom Redner vorgeschlagene und von der Versammlung angenommene Adresse drückt diese Gedanken nicht in direktem Stile aus, sondern bringt sie schieferweise in die Form von indirekten Hypothesen auf folgende Weise:
Wenn das Volk Repräsentanten nur gewählt habe in der Voraussetzung, daß die alte vererbte, Württemberg seit Jahrhunderten beglückt habende, bestätigte usf. Verfassung allen Modifikationen zugrunde gelegt werden müsse, wenn ferner die Mehrzahl der Standesherren sich ihre Rechte und den Ausspruch des Kongresses vorbehalten müssen, so erkennen die Stände mit alleruntertänigstem Danke, daß der König in der Eröffnung von diesem Tage ihnen eine Veranlassung zur Beratung über die Anwendung der neueren Verhältnisse auf die alten Verhältnisse des Landes an die Hand gegeben habe. So wie daher die Versammlung sich vorbehalten müsse, den Erfolg ihrer Beratung dem Könige vorzutragen, so zweifeln sie nicht usf.

Ganz anders, als dieser hypothetische versteckende Stil lautet, ganz anders, als daß nur eine Beratung vorbehalten,
daß ein Erfolg der Beratung erst künftig und, wenn ein solcher erhalten werde, alsdann dem Könige vorgetragen werden sollte, spricht die Versammlung gleich in ihrer nächsten Sitzung die Meinung ihrer Adresse ausdrücklich dahin aus, daß sie damit erklärt habe, nur auf die Basis der altwürttembergischen Verfassung könne über die neueren, durch besondere Umstände herbeigeführten Modifikationen unterhandelt werden.

Auf die Rede des Herrn Grafen von Waldek und die Ablesung seiner vorbereiteten Adresse erfolgte, nachdem nur noch ein Deputierter einige auffordernde Bemerkungen zur Unterzeichnung der Adresse gemacht, die stumme einmütige Annahme derselben von der Versammlung.

Der abgewogene, einerseits mit Keckheit, die man sogar Hohn nennen konnte, durchwobene und andererseits geschrobene, versteckte, steife Berichtsstil und Inhalt der Rede und Adresse ist schon bemerklich gemacht worden.
Die diplomatischen Verhandlungen neuerer Zeit zeigen bei aller Vorsicht, Besonnenheit und Abgewogenheit der Ausdrücke eine offene, direkte, würdige Haltung und bei der größten Klugheit am wenigsten eine selbstgefällige Pfiffigkeit.
Wieviel mehr hätte man von einer deutschen Ständeversammlung Freimütigkeit, Lebendigkeit und würdige Offenheit in ihrer ersten Erklärung erwarten sollen, statt der anwidernden Geschrobenheit und Verstecktheit und dann der Stummheit, womit sich die übrige Versammlung hinter jene Geschrobenheit steckte!

Aber worauf sie sich hierbei nachher immer sehr viel zugute tat, ist die Einmütigkeit, womit der Beschluß, die Adresse anzunehmen, gefaßt worden sei. Welche Bewandtnis es hiermit und mit der äußeren Manier, die Adresse in der Sitzung durchzusetzen, gehabt habe, zeigt die folgende Sitzung und der fernere Verlauf der Verhandlungen. In dieser Sitzung (vom 17. März) verwahren sich sechs Herren von Adel gegen die in der Adresse enthaltene Angabe, daß der anwesende Gesamtadel sich seine Rechte vorbehalten habe. Ihre hierüber abgegebene Erklärung führt an, daß die Reden der zwei Mitglieder, wovon die Adresse die Folge gewesen, teils so schnell, teils mit so schwacher Stimme vorgetragen worden, daß sie nicht vernommen werden konnten;
ferner ist bemerkt, daß das Aufstehen von den Sitzen die Stelle einer förmlichen Abstimmung habe vertreten sollen, die Veranlassung und der Zweck dieses Aufstehens sei aber nicht allgemein bekannt gewesen.
- Die Förmlichkeit des Abstimmens mußte in einer Versammlung vor allem bestimmt und den Mitgliedern bekannt sein;
wenn auch für den ersten Augenblick eine Art und Weise zu erfinden war, mußte sie von einer Äußerung und Erklärung begleitet werden, daß ihre Bedeutung keinem Zweifel unterliegen konnte.
Das Bild der Stummheit macht sich durch die Erwähnung des schnellen Ablesens der Vorträge und der leisen Stimme dabei vollständig. Ist dies ein Bild, des ersten Auftretens einer Ständeversammlung würdig, eines Auftretens, womit sie den entscheidenden, ja ihren einzigen Beschluß für immer faßte?
- Jene sechs Mitglieder gaben die unumwundene Erklärung, daß sie die vom Könige gegebene Konstitution dankbarlich annehmen. Diese Ausdrücklichkeit sticht sehr mit den Wendungen der Adresse ab, auf deren Sinn man sonst vorbereitet und unterrichtet sein mußte, um zu wissen, daß er die Nichtannahme der Konstitution sein sollte. Offener und einer Versammlung von deutschen Männern und Volksrepräsentanten würdiger hätte es gelassen, wenn sie ihre Nichtannahme der königlichen Verfassung ebenso unumwunden erklärt hätte als jene sechs Adeligen ihre Annahme.
Es wird im folgenden zuweilen der gegen den König zu beobachtenden Delikatesse erwähnt;
die echte Delikatesse liegt aber ohne Zweifel in einer gebildeten Freimütigkeit, und das gegen den König und gegen sich selbst undelikateste Benehmen und Ton ist wohl die oben erwähnte Geschrobenheit und Haltung.

Wichtiger ist jedoch, daß einem Hauptbeschlusse nicht bloß zwei, die Materie beinahe nicht berührende Vorträge hätten vorangehen müssen, daß überhaupt die Einmütigkeit des Beschlusses, statt für einen Vorzug gelten zu können, vielmehr der Versammlung zum größten Vorwurf und Tadel gereichen mußte. Man sieht eine Ständeversammlung wohl der großen Mehrheit nach über ihren Beschluß schon zum voraus einverstanden und die Sache im stillen abgemacht.
Ein anderer Teil zeigt späterhin wohl zum Teil eine Opposition, vornehmlich aber zeigt er gänzliche Gleichgültigkeit gegen den Nerv des Beschlusses, nämlich gegen die alte Verfassung; dieser Teil macht für sich weder einen Anspruch auf das formelle Recht noch auf den Inhalt derselben, sondern will nur eine gute und daher vielmehr eine bessere Verfassung als die altwürttembergische.
- Man sieht daher eine in ihrem Verhältnisse noch neue Versammlung, welche von der Unkenntnis ihrer Bestandteile,
der Ungewißheit dessen, was werden soll, der Ungewohntheit und Ungeübtheit zur Zurückhaltung und Stummheit gebracht ist
und welcher die Geschrobenheit und versteckende Entschiedenheit einiger Mitglieder imponiert.
Wenn die Versammlung ihre Stellung und Begriff klarer und mutiger erfaßt hätte, so hätte sie vielmehr die größte Offenheit und Ausführlichkeit zu ihrem Gesetze machen und, statt stumm zu sein, es für das Größte halten müssen, da es ihr eingeräumt worden, das Wort zu haben. Wäre die Einmütigkeit auch der wirklichen Intention nach vorhanden gewesen oder aus Einschüchterung und Mangel an Selbstzutrauen hervorgegangen, so mußte sie in allen Fällen es sich selbst zur Pflicht machen, wenn man es so nennen will, einen Advocatum Diaboli zu erwählen - und dieser Name scheint nicht zu unpassend in Betracht der bewiesenen Animosität gegen die königliche Konstitution -, sie mußte von amtswegen alle Gründe, welche sich für die Annahme der königlichen Verfassung ergeben konnten, selbst entwickeln und ins hellste Licht setzen lassen und dann ebenso eine unumwundene Angabe ihrer wirklichen Meinung und eine ausführliche Auseinandersetzung ihrer Beweggründe ihren Beschlüssen vorangehen lassen.
Aber eine solche Beratung ist weder dem Beschlusse vorangegangen noch nachgefolgt; dazu ist aber eine Ständeversammlung vorhanden, nicht nur daß sie nicht unberaten handle, sondern daß sie vor dem Volke und der Welt ihre Beratungen über die Interessen des Staats anstelle.

Als etliche Monate später Herr Gleich, Repräsentant von Aalen, einen Vortrag hielt, der den bisher unberatenen Voraussetzungen der Versammlung ganz entgegengesetzt war, so führte das Komitee, welches einen Bericht darüber abzustatten hatte, demselben zu Gemüt, daß eine solche Erscheinung befremden und allgemeine Mißbilligung erregen müsse in einer Versammlung, wo Eintracht und patriotische Redlichkeit bisher jeden fremden unlauteren Einfluß entfernt gehalten habe. Wie? ein Deputierter, der den Mut faßt, seine dissentierende Meinung gegen diese stumme und tote Unanimität endlich laut werden zu lassen, muß sich damit der Anspielung auf fremden unlauteren Einfluß aussetzen?
Ohnehin wäre die direkte Bezichtigung der Unlauterkeit oder die gänzliche Enthaltung von bloßer Insinuation würdiger gewesen. - Dem Vortrag des Herrn Gleich wird übrigens sogleich im Anfang des Berichts vom Komitee der Zweck beigelegt
- oder vielmehr gesagt, daß er den Zweck zu haben scheine -, eine Oppositionspartei zu bilden in der durch Eintracht bisher so rühmlichst charakterisierten Versammlung. Wer nur etwas über die Natur einer Ständeversammlung nachgedacht hat und mit ihren Erscheinungen bekannt ist, dem kann es nicht entgehen, daß ohne Opposition eine solche Versammlung ohne äußere und innere Lebendigkeit ist, daß gerade ein solcher Gegensatz in ihr zu ihrem Wesen, zu ihrer Rechtfertigung gehört
und daß sie nur erst, wenn eine Opposition sich in ihr hervortut, eigentlich konstituiert ist;
ohne eine solche hat sie die Gestalt nur einer Partei oder gar eines Klumpens.

Der Referent hat sich mit der Art und Weise, wie die Ständeversammlung aufgetreten ist, so lange aufgehalten, weil sie nicht nur für sich merkwürdig, sondern auch für die ganze Folge charakteristisch ist.
In Ansehung der Förmlichkeit des Ganges, mit der die Versammlung ihr Geschäft betrieb, verdienen noch zwei Umstände bemerklich gemacht zu werden.
- Der Gang ihrer Verhandlungen innerhalb ihrer selbst war im allgemeinen dieser, daß von ihr für einen vorkommenden Gegenstand ein Komitee ernannt, von diesem ein Bericht erstattet, dann debattiert und hierauf der Beschluß gefaßt werden sollte.
- Bei der Wahl des Komitees war es am häufigsten, besonders anfangs, wo es am meisten darauf ankam, sich in Besitz zu setzen und zu imponieren, durchgängig der Vizepräsident, welcher namentlich die Mitglieder vorschlug.
Dieser von der Versammlung gewählte Vorstand schlug in die ersten Komitees, nachdem sich nur erst zwei Mitglieder in der Versammlung öffentlich gezeigt hatten, gleich die Mitglieder vor, welche sich für immer als Häupter der altwürttembergischen Partei auszeichneten. Es erfolgte daraus, daß das Wort vollständig in ihre Hände kam, um so mehr, wenn man die sonstige Delikatesse der Mitglieder der Ständeversammlung gegeneinander sieht. Diese ging so weit, daß in einem Fall, wo die Versammlung beschlossen hatte, ein Komitee von zwölf Mitgliedern zu ernennen, und elf die Majorität erhielten, für die zwölfte Stelle aber vier Mitglieder gleiche Stimmen hatten, sie nun nicht aus diesen vier einen dazuwählte, womit drei davon ausgeschlossen worden wären, sondern vielmehr gegen ihren Beschluß alle fünfzehn in ihr Komitee von zwölf Mitgliedern ernannte.
- Gleich bei dem zweiten Komitee, das zu ernennen war, kommt dann eine auffallende Geschrobenheit vor, um es zustande zu bringen, daß die vier in das erste ernannten Häupter auch nicht ermangelten, Mitglieder des zweiten zu werden.
Es ist für die Freiheit einer Versammlung sehr wesentlich bei dem großen Einfluß eines Komitees überhaupt, daß nicht dieselben Individuen alle Komitees besetzen, wenn jedes vorkommende Geschäft durch ein solches vorbereitet werden muß, damit nicht diese Vorbereitung für alles in denselben Händen bleibt. Dieser Einfluß ist vollends beinahe unbedingt in einer Versammlung,
wo fast der einzige, wenigstens der Hauptvortrag in einer Sache vom Komitee ausgeht und sozusagen eigentlich gar nicht diskutiert wird.

Das andere Bemerkenswerte ist nämlich die Art und Weise der Vorträge.
Man findet in den Verhandlungen nicht frei gehaltene Reden, sondern am allermeisten nur abgelesene Vorträge, wenigere und nur kurze mündliche Äußerungen, überhaupt keine lebendige Rede und Gegenrede, nur gegen das Ende der Versammlung einmal, als statt der Sache die Persönlichkeit eines dissentierenden Mitglieds, des Herrn Dr. Cotta, zum Gegenstande gemacht wurde, fielen die Äußerungen, und darunter ziemlich unanständige Persönlichkeiten, nicht wie sonst gewöhnlich als vota scripta, sondern diesmal ohne Vorbereitung Schlag auf Schlag; es zeigte sich die natürliche Beredsamkeit, die sich auf unseren Märkten auch noch für solche Fälle erhalten hat; die Beredsamkeit aber, die auf einem römischen Forum herrschend war, hat man nicht zum Vorschein kommen sehen.
- Daß die Berichte der Komitees schriftlich verfaßt und abgelesen wurden, versteht sich auch sonst von selbst.
Was aber das etwa hierauf folgende Debattieren hieß, bestand meist darin, daß, und dies zuweilen mehrere Tage und Wochen nachher, ein oder einige Mitglieder ein mitgebrachtes votum scriptum ablasen, und wieder vielleicht Tage und Wochen später ein anderes Mitglied ein ebensolches Votum produzierte. In einer und derselben Sitzung konnte daher ein Ablesen mehrerer Aufsätze aufeinander folgen, deren jeder sich auf einen ganz verschiedenen Gegenstand bezog, auch sehr häufig eben keine weitere Folge hatte, als daß er eben abgelesen war. Gerade das Belebende, welches daraus hervorgeht, daß eine Versammlung von Männern sich gegenübergestellt wird, um von Angesicht zu Angesicht, von Mund zu Mund mit lebendiger Gegenwart des Geistes zu behaupten, zu beweisen, zu widerlegen, zu bewegen, fällt durch jene schriftliche Methode so gut als ganz hinweg.
- Diskutieren kann man ein Ablesen von vielerlei Abhandlungen nacheinander nicht nennen. Mit Recht ist es im englischen Parlament Gesetz, daß das Ablesen schriftlicher Vorträge nicht gestattet wird, teils weil ein solcher Aufsatz sehr leicht die Arbeit eines anderen sein kann, teils aber vorzüglich, weil die ganze Natur einer solchen Versammlung dadurch geändert wird.
Außer wenigeren, mit lebendigem Sinne verfaßten, jedoch gleichfalls abgelesenen Reden machen die vorliegenden Hefte der Verhandlungen vornehmlich eine Sammlung von rechtlichen Bedenken, mit Zitationen nicht bloß aus der Litanei von Landtagsabschieden, Erbvergleichen, fürstlichen Testamenten usf.,
sondern auch z. B. aus dem Corpus Iuris, Montesquieu, Zonaras4) ,
[J. U. v.] Cramer in der Abhandlung De tacente dissentiente (in Opuscula T. II, und im Usus philosophiae Wolfianae in iure, spec. XII [1740]) und dergleichen stattlichen Gelehrsamkeiten gespickten Deduktionen und totgeborenen Advokatenschriften aus.

Wenn eine Ständeversammlung das Volk vorstellt, ist ein solches Verhandeln die Art, wie ein Volk sich äußert, wie auf eine solche Versammlung und auf ein Volk selbst gewirkt wird? Abhandlungen, in jener Weise auf der Studierstube verfaßt, sind auch nur an Studierstuben adressiert oder zu Akten für Geschäftsmänner bestimmt.
Ständeversammlungen aber haben ihr wesentliches Publikum an dem Volke; wie kann dieses an dergleichen Papierverhandlungen und pedantischen Deduktionen Interesse nehmen und damit fortgehen? Vielmehr isolieren sich seine Repräsentanten auf solche Art voneinander und noch mehr vom Volke selbst und treiben die Angelegenheiten des Volkes vielmehr mit Ausschließung desselben, wenn auch die Sitzungen öffentlich wären. Die Physiognomie der Verhandlungen der württembergischen Versammlung ist auf solche Weise nicht viel von der der Tätigkeit einer Gesellschaft junger Leute verschieden, die sich verbindet, zu ihrer Übung zum Fortschreiten ihrer Bildung Aufsätze zu verfertigen, und sich gegenseitig dazu herleiht, sie ablesen zu hören.

Von dem Materiellen abgesehen war diese schriftliche Manier mit den Folgen, die sie auf den ganzen Gang der Geschäftsbehandlung haben mußte, wohl auch ein Grund zu der Abteilung VIII, S. 20 angeführten, freilich für unziemlich erklärten Äußerung eines Repräsentanten, "daß, wenn die eingekommenen Petitionen nicht Stoff zur Unterhaltung gewährt hätten, man sich der Langeweile nicht zu erwehren gewußt hätte".
- Ohnehin, wenn die Debatten von Landständen vornehmlich in einer Mitteilung von schriftlichen Deduktionen bestehen sollten,
so wäre ihr persönlicher Zusammentritt ziemlich überflüssig und viele Kosten erspart; das Ganze ließe sich durch Zirkulation der Aufsätze abtun. Wer das Lesen gewohnt ist, zieht ohnehin vor, solche Aufsätze selbst zu lesen, als sich zum Anhören herzugeben; jeder hätte aber auch die Wahl, sie sich von seiner Frau oder einem guten Freunde ablesen zu lassen, und die Vota ließen sich dann ebenso schriftlich einschicken.

Um nun aber das Geschichtliche weiter zu verfolgen, so erfolgte gleich im Anfange der Sitzungen der Ständeversammlung das große politische Ereignis, die Ankunft Bonapartes in Frankreich aus der Insel Elba.
Der König setzte schon zwei Tage nach der Eröffnung der Stände sie von den in Wien getroffenen Maßregeln in Kenntnis.
Eine Begebenheit dieser Art war geeignet, die Gesinnung und den ganzen Charakter einer deutschen Ständeversammlung, durch ihr Benehmen und Haltung dabei, ins Licht zu setzen. Wenn es möglich gewesen wäre, daß ein deutsches Volk dieses Ereignis mit Freude und Hoffnung hätte aufnehmen können, so konnte es gefährlich scheinen, daß Landstände, die in den schon angegebenen, dem Willen ihres Königs entgegengesetzten Absichten waren, in diesem Zeitpunkte sich beisammen befinden.
Da aber jenes unmöglich war, so mußte eine solche Versammlung um so erwünschter scheinen, um mit vereinter Energie Mittel aufbieten zu können, welche eine so weitaussehende, die Ruhe Europas aufs neue zu bedrohen scheinende Begebenheit besonders in den Frankreich nahe liegenden Ländern erforderte.

Es ist nur allzuhäufig der verderbliche, unpatriotische, ja in höherem Sinne oft verbrecherische Kunstgriff von Landständen gewesen, den Drang politischer Umstände, in den ihre Regierung versetzt war, statt mit ihr offen gemeinschaftliche Sache zur Abwehrung der Not des Staates zu machen, vielmehr dazu benutzen zu wollen, Vorteile für sich der Regierung abzudringen und zugleich mit der äußeren eine Verlegenheit nach innen hervorzubringen, womit die Kraft der Regierung nach außen, statt vermehrt zu werden, geschwächt und dem Wesen und der Tat nach mit dem Feinde gemeinschaftliche Sache gemacht wurde.
- Am 28. März trug ein Mitglied im ganzen Gefühle der Wichtigkeit der Umstände darauf an (II. Abt., S. 41), daß die Versammlung ihrerseits dem Könige erklären solle, daß der letzte Tropfen Bluts, die letzte Gabe ihres Guts für Ihn und die gute Sache bereit sei, - wie die Versammlung dies durch allgemeine Bewaffnung, durch ein zu eröffnendes Darlehen bezwecken wolle, wie sie dies aber nur im altkonstitutionellen Wege auszuführen sich imstande sehe.
- Ein Teil des Adels erkannte in einer Adresse an die Stände (II. Abt., S. 14), daß die höchste Gefahr die höchste Anstrengung erfordere, und bat, ohne Bedingungen hinzuzufügen, die Versammlung um Einleitung dahin, daß der König eine allgemeine Landesbewaffnung und Waffenübung anordnen möge. Adressen von vielen Oberämtern liefen in ähnlichem Sinne ein.
Eine von Eßlingen am 29. März (II. Abt., S. 48, die anderen sind ungedruckt geblieben) drückte bei der vom Könige bereits getroffenen Verfügung der Aufstellung eines Landbataillons in jedem Oberamte von 500 Mann die Besorgnis aus, daß zu viele schonende Rücksichten vorgeschrieben seien und die Verteidigungsanstalten dadurch Schwierigkeiten und Aufschub leiden könnten; sie wünschte ein allgemeines Aufgebot. Ein beigelegter Bericht des Schultheißen Reinhard von Obereßlingen ist als eine "kräftige Erklärung" gleichfalls (II. Abt., S. 50) abgedruckt; er besagt:
"Der Versuch, Freiwillige zu Feldwebeln zu erhalten, scheint vergebens zu sein bei den ausgedienten Soldaten.
Die Menschen haben, so wie viele oder die meisten vom Volk, ein zu stumpfes Gefühl für Vaterlandsliebe und Verteidigung. Alles soll die Waffen ergreifen, was gesund ist, vom 18. bis 40. Jahr. Wenn die Schwaben in Masse aufgeboten werden, so gehen sie und schlagen mit Kraft, wenn sie aber freien Willen haben, so geschieht nichts!!"
- Diesem Schultheißen, indem er so von seinem Volke, unter dem er mitten drinnen steht, spricht, hat die Ständeversammlung wohl nicht den Vorwurf von Volksverleumdung - ein in unseren Tagen beliebt gewordener Ausdruck - machen wollen, als sie seinem Berichte die Auszeichnung, ihn abdrucken zu lassen, und den Titel einer kräftigen Erklärung gab.

Die Ständeversammlung hatte sich nun aber für diese wie für ihre anderen Angelegenheiten bereits dadurch Fesseln angelegt, daß sie annahm, Anträge und Vorschläge, die sie mache, könnten ihr für eine Ausübung des in der königlichen Konstitution ihr zugestandenen Petitionsrechts und, als Konsequenz hiervon, für eine faktische Anerkennung dieser Konstitution ausgelegt werden. Als ob das Beisammensein der Ständeversammlung auf den Grund dieser Verfassung nicht schon ein ganz förmliches Faktum gewesen wäre und als ob die Repräsentanten eines Volks, die unter solchen Umständen, unter welchem Titel, Form und Bevollmächtigung es sei, versammelt sind, nicht alle anderen Rücksichten, insbesondere die Furcht vor Konsequenzenmacherei verbannen und allein kräftig für die Rettung ihres Volkes denken und handeln mußten!

Die Versammlung ließ anfangs jene eingelaufenen Adressen ablesen und legte sie ad acta.
Von der allgemeinen Landesbewaffnung wurde wohl ziemlich unzeitig als ein Verdienst der Stadt Tübingen bemerkt, daß diese bereits den Antrag dazu gemacht, wo die Verhältnisse in Frankreich noch nicht bekannt waren.
Wenn der bloße Patriotismus bei einer auswärtigen Gefahr so leicht auf den Einfall einer allgemeinen Volksbewaffnung geraten kann, so war einer Ständeversammlung eine reifere, bessere Einsicht auch in die militärische, vornehmlich aber in die politische Ratsamkeit einer solchen Maßregel zuzutrauen, - zu einer Zeit, wo das neue Beisammensein der Stände selbst die mannigfaltigsten Umtriebe und innere Spannung veranlaßte. In welches Licht aber konnte der Vorschlag einer solchen Bewaffnung gestellt werden, wenn er noch früher erschien, ehe das Ereignis in Frankreich eine solche Maßregel äußerlich motivierte!
Ohnehin hatte die Erfahrung gelehrt, daß eine solche verfassungsmäßige Bewaffnung in den vielen Fällen seit 25 Jahren, wo Württemberg insbesondere mit Krieg überzogen war, nicht die geringste Wirksamkeit, ja sich überhaupt nicht gezeigt hatte, wie es nach ihrer ganzen Absicht und Zustand nicht wohl anders sein konnte; es kann insofern fast lächerlich scheinen, an eine solche Landesbewaffnung unter der damaligen Gefahr nur zu erinnern. Wenn die Landstände einen Vorschlag vorbrachten, von dem sie die große Wahrscheinlichkeit haben mußten, daß ihm vom König keine Folge gegeben würde, so wurde der Glaube an ihren Ernst und guten Willen noch zweifelhafter, wenn sie dann zu den militärischen Maßregeln, welche der König für zweckmäßig erkannte und anordnete, von ihrer Seite mitzuwirken unterließen.

Zu den Mitteln gehörte insbesondere die Aufbringung des außerordentlichen Kriegsaufwands, worüber der König den Ständen unter dem 17. April die Berechnung vorlegen ließ. Nach derselben überstiegen allein die Kosten der Ausrüstung und der Unterhaltung einer Armee von 20 000 Mann, zu deren Stellung sich der König gegen seine Alliierten verbindlich gemacht hatte,
den Friedensetat um 3 1/2 Millionen; dazu kamen die Lasten der Durchzüge der alliierten Heere, worüber gleichfalls eine Konvention abgeschlossen worden war. Der König verlangte von den Ständen eine Beratung und in kurzmöglichster Zeit eine Erklärung, wie diese außerordentlichen Hilfsmittel aufzubringen seien.
- Die Antwort auf die Frage, was die württembergischen Stände, von ihrem König sowie von ihren Kommittenten ausdrücklich zur Mitwirkung aufgefordert und zur Unterstützung der Sache Europas berechtigt, für die Abwendung jener Gefahr von einziger Art und von ganz außerordentlichem Charakter getan, fällt dahin aus, daß sie gar nichts getan haben.
Das ganze Verdienst, wie Württemberg in der Reihe sämtlicher europäischer Mächte damals aufgetreten ist, haben sie vielmehr dem König, dem damaligen Kronprinzen, dem Ministerium und der Armee überlassen.
- Die Regierung hat zur Erfüllung ihrer allgemeinen, moralischen und positiven Verbindlichkeiten für sich ihren Gang mit Ehre und Ruhm verfolgt und, wie es scheint, durch die Verweigerung der ständischen Mitwirkung sich im geringsten nicht aufgehalten gefunden. Die Stände dagegen haben nichts erlangt, als nur ihren üblen Willen, das Verkennen ihrer schönen Position und die Entbehrlichkeit ihrer Mitwirkung gezeigt zu haben.

Weiterhin wurden von ihnen noch einige diesen Gegenstand direkt betreffende Adressen an das Ministerium eingegeben, welche nicht mehr von der Bereitwilligkeit zu Aufopferungen sprachen, sondern für die Erleichterung des freilich erschöpften Landes dadurch sorgen sollten, daß sie die Konkurrenz der königlichen Domänenkammer, des Kirchenguts usf. zu den Kriegslasten forderten. Für jenen Zweck hatte der König bereits mit seinen Alliierten und den treffenden Armeekommandos wirksam unterhandeln lassen; die Antwort, welche die Stände auf ihre Forderung erhielten, war einfach diese, daß, soviel aus besonderen Staatseinkünften beigeschossen würde, dem Finanzetat wieder aus anderen Quellen ersetzt werden müßte und hier gerade von außerordentlichen Hilfsmitteln die Rede sei.
- Im Sinne des früheren Verhältnisses, wo Fürst und Land jedes gleichsam seine Privatkasse hatte, mußte das Bestreben beider Teile dahin gehen, dem anderen soviel als möglich von den Lasten zuzuwälzen. Da es für die Stände überhaupt von dem bestehenden Verhältnisse eines Staats noch gar nichts Anerkanntes gab und insbesondere die Ausscheidung einer Zivilliste,
zu der sich der König schon in der Konstitution willfährig erklärt hatte, noch nicht reguliert, ja noch nicht zur Sprache gekommen war, so konnten die aus vergangenen Verhältnissen genommenen, in der veränderten Zeit um so mehr verworrenen Vorstellungen von Entgegensetzung des Landesinteresses und Staatsinteresses, einer Landeskasse und der Staatskasse keine Bedeutung,
viel weniger Anwendung und Wirksamkeit haben.

Die Haupterwiderung aber, welche die Stände auf die Aufforderung des Königs zur Mitwirkung in den außerordentlichen Verhältnissen des Vaterlands gaben, war, daß sie eine solche von der Gewährung ihrer Forderung, der Zurücknahme der königlichen Konstitution und der Wiedereinführung der altwürttembergischen abhängig machten.
Derjenige Adel, welcher den 4. April für sich und, da er auch für den Gesamtadel des Reichs in dieser Rücksicht gutstehen zu können glaubte, auch für diesen in einer Adresse an die Stände als seine Pflicht zu erkennen erklärte, in den Reihen der allgemeinen Landesbewaffnung zu streiten und mit den übrigen Ständen Gut und Blut für das Vaterland zu opfern, erläuterte dies den folgenden Tag dahin, daß sich die eingereichte Erklärung bloß für die Ständeversammlung eigne, keineswegs für das königliche Staatsministerium, da Aufsätze, die aus dem Herzen fließen, so mannigfaltiger Erklärungen ausgesetzt seien.
- In der Tat war diese Erläuterung das unmittelbarste Beispiel von solcher mannigfaltigen Erklärungsfähigkeit.
- Er unterwarf daher seine Bereitwilligkeit, mit Gut und Blut der Verteidigung des Vaterlandes beizutreten, der von der Ständeversammlung zu treffenden Einleitung.

Diese Einleitung aber bestand darin, daß die Versammlung in einer Adresse an den König von demselben Datum beides,
die Verfassungsangelegenheit und die Maßregeln, welche die gegenwärtige Lage erforderte, zusammenbrachte,
obgleich der König ihr soeben hatte eröffnen lassen, daß er für eine definitive Entschließung über den ersteren Gegenstand die Rückkehr des Kronprinzen erwarte.
Dieser für den Augenblick ausbeugende Grund war an die Stände ein argumentum ad hominem, da diese in weitläufigen staatsrechtlichen Deduktionen bewiesen, den Agnaten komme das Recht zu, daß über Verfassungsangelegenheiten ihre Genehmigung erhalten werde; die Stände konnten aus der Zuziehung des Kronprinzen die Konsequenz einer faktischen Anerkennung dieses Rechts ziehen.
- Die Stände erklärten sich in ihrer Adresse näher dahin, daß nichts dringender sei, als das Volk durch vereinte Leitung des Monarchen und der Stände in die Lage zu setzen, das Vaterland zu verteidigen, und daß der Wille des biederen Volkes zu allem seinem Eifer nötig Scheinenden sich erbiete; sie könnten ihre Handlungen aber nur auf die Grundlagen der erbländischen Verfassung bauen, und die Wiederherstellung des Staatskredits sei nur durch ein konstitutionell garantiertes Anlehen möglich, - d. h. indem den Ständen die Einziehung der Steuern und die Disposition über diesen Teil der Staatskasse übergeben würde.
Ein Gleiches geschah in einer Adresse vom 18. April, worin sie angeben,
"daß für alle Untertanen, für die neuen wie für die alten, der Name alte Verfassung eine magische Kraft habe".
Es hatte sich aber aus den eingegangenen Petitionen und Adressen gezeigt, daß der allgemeine Unwille gegen die Wiedererscheinung Bonapartes, das Gefühl der daraus dem Vaterlande drohenden Gefahr für sich eine magische Kraft bewiesen, wie ein elektrischer Schlag gewirkt hatte. Wenn in der Adresse unmittelbar vorher angeführt wird, daß die Obst- und Weinernte erfroren sei und daher ein großer Teil der Untertanen buchstäblich mit der Verzweiflung ringe, so ist nicht einzusehen, wie die alte Verfassung hier ihre magische Kraft hätte beweisen können, wie die Stände sich enthalten konnten, unter so harten äußeren und inneren Umständen mit der Tat vereinte Hilfe zu bewerkstelligen.
- Gleichfalls hat sich ferner zur Genüge gezeigt, daß die altwürttembergische Verfassung auf die neueren Untertanen
- mehr als die Hälfte des Landes - ganz und gar keine magische Kraft ausübte, daß sie das, was sie von derselben zu genießen bekommen hatten, vielmehr für eine Art von Pest, für die ärgste Landplage ansahen, - wie weiterhin angeführt werden wird.
Sonst aber läßt sich der ganze Verlauf der ständischen Verhandlungen wohl als eine Geschichte der magischen Kraft jenes Namens ansehen, der sich die Versammlung gleich von Anfang an ergeben hatte, ohne in die Sache einzugehen;
- oder vielmehr ist oben schon bei Erwähnung der ständischen Kassehaushaltung berührt worden, was ehemals unter jenem Namen für eine Sache steckte, und die noch zu machende Anführung der niederdrückenden Landplage wird noch anderes ergeben.
Im vorliegenden Falle ist es die schwarze Magie des Wortes, welches die Worte, für die gute Sache Gut und Blut aufzuopfern bereitwillig zu sein, zu weiter nichts gedeihen ließ, als Worte zu bleiben.
- Von dieser magischen Kraft geben die Stände näher an, daß nichts das Vaterland gegen das Gift der gefährlichen Grundsätze, welche jetzt wieder wie vor 25 Jahren von Frankreich verbreitet werden, so gewiß sicherstelle;
- es ist oben schon bemerkt worden, daß jene Kraft die Stände nicht nur vor dem Gifte der verflossenen 25 Jahre, sondern auch, sozusagen, noch viel mehr vor den vernünftigen Begriffen derselben bewahrt hat.

Was nun die näheren Seiten der Stellung betrifft, welche sich die Stände gaben, so waren sie, indem sie die königliche Konstitution verwarfen, auf deren Grund sie sich zusammenbefanden, in Ungewißheit, ob sie überhaupt existierten oder nicht.
  
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1) *Da in der Landesversammlung des vormaligen Herzogtums Württemberg die sämtlichen vierzehn Prälaten Sitz und Stimme hatten, so waren sie somit darin nicht repräsentiert, sondern traten als Virilstimmen, als Pairs auf.

2) Tilemann Dothias Wiarda, Ostfriesische Geschichte, 10 Bde., Aurich 1791-1814

3) Johann Jakob Moser, 1701-1785, Staatsrechtler

4) Johannes Zonaras, byzantinischer Schriftsteller, erste Hälfte des 12. Jahrhunderts


 

             Textvorlage (A): Heidelbergische Jahrbücher der Literatur, 1817, Nr. 66-68 u. 73-77 (in Werke Bd. XVI, S. 219 ff.

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