1. Das Erkennen
§ 71
Das Erkennen ist die Beziehung des Begriffs und der Wirklichkeit. Das an sich nur mit sich erfüllte und insofern leere Denken wird dadurch mit besonderem Inhalt erfüllt, der aus dem Dasein zu allgemeiner Darstellung erhoben wird.
§ 72
Die Definition drückt von einem Gegenstande, der sich in ihr als ein Einzelnes oder Besonderes verhält, seine Gattung als sein allgemeines Wesen und die besondere Bestimmtheit dieses Allgemeinen, wodurch es dieser Gegenstand ist, aus.
§ 73
Die Einteilung drückt von einer Gattung oder einem Allgemeinen überhaupt, einem Geschlecht, einer Ordnung usf. die Besonderungen aus, in welchen sie als eine Mannigfaltigkeit von Arten existiert. Diese Besonderungen, die in einer Einheit enthalten sind, müssen aus einem gemeinschaftlichen Einteilungsgrunde fließen.
§ 74
Das Erkennen ist teils analytisch, teils synthetisch.
§ 75
Das analytische Erkennen geht von einem Begriffe oder einer konkreten Bestimmung aus und entwickelt nur die Mannigfaltigkeit der unmittelbaren oder identisch darinnen enthaltenen einfachen Bestimmungen.
§ 76
Das synthetische Erkennen entwickelt dagegen die Bestimmungen eines Ganzen, die nicht unmittelbar darin enthalten sind, noch identisch auseinander herfließen, sondern die Gestalt der Verschiedenheit gegeneinander haben, und zeigt die Notwendigkeit ihres bestimmten Verhältnisses zueinander auf.
§ 77
Dies geschieht durch Konstruktion und Beweis. Die Konstruktion stellt den Begriff oder Satz teils in seinen realen Bestimmungen, teils zum Behufe des Beweises diese seine Realität in ihrer Einteilung und Auflösung dar, wodurch ihr Übergang in den Begriff beginnt.
§ 78
Der Beweis faßt die aufgelösten Teile auf und bringt durch die Vergleichung ihrer Verhältnisse zueinander diejenige Verbindung derselben hervor, welche das im Lehrsatz ausgesprochene Verhältnis des Ganzen ausmacht; oder er zeigt von den realen Bestimmungen auf, wie sie Momente des Begriffs sind und ihr zusammengefaßtes Verhältnis den Begriff in seiner Totalität darstellt.
§ 79
In diesem Erkennen, welches in seiner strengsten Form das geometrische ist, geht 1. die Konstruktion nicht aus dem Begriff hervor, sondern ist eine erfundene Vorrichtung, die nur in Beziehung auf den Beweis sich als zweckmäßig zeigt, oder in anderen Fällen auch eine empirische Beschreibung. 2. In dem Beweise werden für die analytischen Bestimmungen sonst bekannte oder ausgemachte synthetische Sätze anderswo herbeigeholt, das Vorliegende darunter subsumiert und verbunden. Der Beweis erhält dadurch den Schein der Zufälligkeit, indem er für die Einsicht nur eine Notwendigkeit, nicht den eigenen Gang und die innere Notwendigkeit des Gegenstandes selbst darstellt.
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