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Georg
Wilhelm Friedrich
Hegel
Nürnberger und Heidelberger  Schriften
1808-1817


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- Rechts-, Pflichten- und Religionslehre für die Unterklasse -                                              Inhalt

Dritter Abschnitt: Religionslehre

§ 71

Das moralische Gesetz in uns ist das ewige Vernunftgesetz,
das wir unwiderstehlich achten müssen und durch das wir uns unauflöslich gebunden fühlen.
Wir sehen aber ebenso unmittelbar die Unangemessenheit unserer Individualität zu demselben ein,
erkennen es als Höheres als wir, als ein von uns unabhängiges, selbständiges, absolutes Wesen.

§ 72

Dies absolute Wesen ist gegenwärtig in unserem reinen Bewußtsein und offenbart sich uns darin.
Das Wissen von ihm ist, als durch es in uns vermittelt, für uns unmittelbar und kann insofern Glauben genannt werden.

§ 73

Die Erhebung über das Sinnliche und Endliche macht zwar negativ, von unserer Seite, die Vermittlung dieses Wissens aus,
aber nur insofern, als von Sinnlichem und Endlichem zwar ausgegangen,
es aber zugleich verlassen und in seiner Nichtigkeit erkannt wird.
Allein dies Wissen von dem Absoluten ist selbst ein absolutes und unmittelbares Wissen
und kann nicht etwas Endliches zu seinem positiven Grunde haben oder durch etwas,
das es nicht selbst ist, als einen Beweis vermittelt sein.

§ 74

Dies Wissen muß sich näher bestimmen und nicht inneres Gefühl, Glauben an das unbestimmte Wesen überhaupt bleiben,
sondern ein Erkennen desselben werden.
Die Erkenntnis Gottes ist nicht über die Vernunft
- denn diese ist nur Widerschein Gottes und ist wesentlich das Wissen vom Absoluten -,
sondern jene Erkenntnis ist nur über den Verstand, das Wissen vom Endlichen und Relativen.

§ 75

Die Religion selbst besteht in der Beschäftigung des Gefühls und Gedankens mit dem absoluten Wesen
und in der Vergegenwärtigung seiner Vorstellung,
womit die Selbstvergessenheit seiner Besonderheit in dieser Erhebung und das Handeln in diesem Sinn,
in Rücksicht auf das absolute Wesen notwendig verbunden ist.

§ 76

Gott ist der absolute Geist,
d. h. er ist das reine Wesen, das sich zum Gegenstande macht, aber darin nur sich selbst anschaut
oder in seinem Anderswerden schlechthin in sich selbst zurückkehrt und sich selbst gleich ist.

§ 77

Gott ist, nach den Momenten seines Wesens,
1. absolut heilig, insofern er das schlechthin in sich allgemeine Wesen ist. Er ist
2. absolute Macht, insofern er das Allgemeine verwirklicht und das Einzelne im Allgemeinen erhält,
oder ewiger Schöpfer des Universums. Er ist
3. Weisheit, insofern seine Macht nur heilige Macht ist,
4. Güte, insofern er das Einzelne in seiner Wirklichkeit gewähren läßt, und
5. Gerechtigkeit, insofern er es zum Allgemeinen ewig zurückbringt.

§ 78

Das Böse ist die Entfremdung von Gott,
insofern das Einzelne nach seiner Freiheit sich von dem Allgemeinen trennt
und in der Ausschließung von demselben absolut für sich zu sein strebt.
Insofern es die Natur des endlichen freien Wesens ist, in diese Einzelheit sich zu reflektieren, ist sie als böse zu betrachten.

§ 79

Aber die Freiheit des einzelnen Wesens ist zugleich an sich eine Gleichheit des Wesens mit sich selbst,
oder sie ist an sich göttlicher Natur.
Diese Erkenntnis, daß die menschliche Natur der göttlichen Natur nicht wahrhaft ein Fremdes ist,
vergewissert den Menschen der göttlichen Gnade und läßt ihn dieselbe ergreifen,
wodurch die Versöhnung Gottes mit der Welt oder das Entschwinden ihrer Entfremdung von Gott zustande kommt.

§ 80

Der Gottesdienst ist die bestimmte Beschäftigung des Gedankens und der Empfindung mit Gott,
wodurch das Individuum seine Einigkeit mit demselben zu bewirken
und sich das Bewußtsein und die Versicherung dieser Einigkeit zu geben strebt,
welche Übereinstimmung seines Willens mit dem göttlichen Willen
es durch die Gesinnung und Handlungsweise seines wirklichen Lebens beweisen soll.

 

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