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Georg
Wilhelm Friedrich
Hegel
Nürnberger und Heidelberger  Schriften
1808-1817


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- Rechts-, Pflichten- und Religionslehre für die Unterklasse -                                              Inhalt

IV. Pflichten gegen andere

§ 59

Die Pflichten gegen andere sind zuerst die Rechtspflichten,
welche mit der Gesinnung, das Recht um des Rechts willen zu tun, verknüpft sein müssen.
Die übrigen dieser Pflichten gründen sich auf die Gesinnung, die anderen nicht nur als abstrakte Person,
sondern auch in ihrer Besonderheit sich selbst gleich zu halten, ihr Wohl und Wehe als das seinige zu betrachten
und dies durch tätige Hilfe zu beweisen.

§ 60

Diese moralische Denk- und Handlungsweise geht über das Recht hinaus.
Die Rechtschaffenheit aber, die Beobachtung der strengen Pflichten gegen andere, ist die erste Pflicht, die zugrunde liegen muß.
Es kann edle und großmütige Handlungen geben, die ohne Rechtschaffenheit sind.
Sie haben alsdann ihren Grund in der Eigenliebe und in dem Bewußtsein, etwas Besonderes getan zu haben,
dahingegen das, was die Rechtschaffenheit verlangt, für alle geltende, nicht willkürliche Pflicht ist.

§ 61

Unter den besonderen Pflichten gegen die anderen ist die Wahrhaftigkeit im Reden und Handeln die erste.
Sie besteht in der Gleichheit dessen, was ist und dessen man sich bewußt ist,
mit demjenigen, was man gegen andere äußert und zeigt.
- Die Unwahrhaftigkeit ist die Ungleichheit und der Widerspruch des Bewußtseins und dessen, wie man für andere da ist,
somit seines Inneren und seiner Wirklichkeit und damit die Nichtigkeit an sich selbst.

§ 62

Zur Unwahrhaftigkeit gehört auch vorzüglich, wenn das, was man meint, eine gute Absicht oder Gesinnung sein soll,
dagegen, was man tut, etwas Böses ist.
(Diese Ungleichheit zwischen der Gesinnung und dem, was die Handlung an sich ist, wäre wenigstens eine Ungeschicklichkeit,
aber insofern der Handelnde überhaupt Schuld hat, ist ein solcher, der Böses tut, dafür anzusehen, daß er es auch böse meint.)

§ 63

Es setzt ein besonderes Verhältnis voraus, um das Recht zu haben, jemand die Wahrheit über sein Betragen zu sagen.
Wenn man dies tut, ohne das Recht dazu zu haben, so ist man insofern unwahr, daß man ein Verhältnis zu dem anderen aufstellt, welches nicht statthat.

Einesteils ist es das Erste, die Wahrheit zu sagen, insofern man weiß, daß es wahr ist.
Es ist unedel, die Wahrheit nicht zu sagen, wenn es an seinem rechten Orte ist,
sie zu sagen, weil man sich dadurch vor sich selbst und dem anderen erniedrigt.
Man soll aber auch die Wahrheit nicht sagen, wenn man keinen Beruf dazu hat oder auch nicht einmal ein Recht.
Wenn man die Wahrheit bloß sagt, um das Seinige getan zu haben, ohne weiteren Erfolg,
so ist es wenigstens etwas Überflüssiges, denn es ist nicht darum zu tun, daß ich die Sache gesagt habe,
sondern daß sie zustande kommt. Das Reden ist noch nicht die Tat oder Handlung, welche höher ist.
- Die Wahrheit wird dann am rechten Ort und zur rechten Zeit gesagt, wenn sie dient, die Sache zustande zu bringen.
Die Rede ist ein erstaunlich großes Mittel, aber es gehört großer Verstand dazu, dasselbe richtig zu gebrauchen.

§ 64 

Mit der Verleumdung, welche eine wirkliche Lüge ist, ist das üble Nachreden verwandt,
die Erzählung von solchen Dingen, die der Ehre eines Dritten nachteilig und den Erzählenden nicht an und für sich offenbar sind.
Es pflegt in mißbilligendem Eifer gegen unmoralische Handlungen zu geschehen,
auch mit dem Zusatz, man könne die Erzählungen nicht für gewiß versichern und wolle nichts gesagt haben.
Es ist aber in diesem Fall mit der Unredlichkeit verbunden, die Erzählungen, die man nicht verbreiten zu wollen vorgibt,
durch die Tat wirklich zu verbreiten, und in jenem mit der Heuchelei, moralisch sprechen zu wollen und wirklich böse zu handeln.

Heuchelei besteht darin, daß die Menschen böse handeln, sich aber gegen andere den Schein geben,
eine gute Absicht zu haben, etwas Gutes haben tun zu wollen.
Die äußerliche Handlung ist aber nicht von der inneren verschieden.
Bei einer bösen Tat ist auch die Absicht wesentlich böse und nicht gut gewesen.
Es kann dabei der Fall sein, daß der Mensch etwas Gutes oder wenigstens Erlaubtes hat erreichen wollen.
Man kann aber dabei nicht das, was an und für sich böse ist, zum Mittel von etwas Gutem machen wollen.
Der Zweck oder die Absicht heiligt nicht die Mittel.
Das moralische Prinzip geht vornehmlich auf die Gesinnung oder auf die Absicht.
Aber es ist ebenso wesentlich, daß nicht nur die Absicht, sondern auch die Handlung gut ist.
- Ebenso muß sich der Mensch nicht überreden, daß er bei dem gemeinen Handeln des individuellen Lebens
wichtige, vortreffliche Absichten habe.
Wie nun der Mensch einerseits seinen eigenen Handlungen gern gute Absichten unterlegt und seine an und für sich unwichtigen Handlungen durch Reflexionen groß zu machen sucht, so geschieht es umgekehrt gegen andere,
daß er großen oder wenigstens guten Handlungen anderer durch eine eigennützige Absicht etwas Böses beilegen will.

§ 65

Die Gesinnung, anderen mit Wissen und Willen zu schaden, ist böse.
Die Gesinnung, welche sich Pflichten gegen andere, auch gegen sich selbst zu verletzen erlaubt aus Schwäche gegen seine Neigung, ist schlecht.

Dem Guten steht das Böse, aber auch das Schlechte entgegen.
Das Böse enthält, daß es mit Entschluß des Willens geschieht.
Es hat also vor dem Schlechten das Formelle, eine Stärke des Willens, die auch Bedingung des Guten ist, voraus.
Das Schlechte hingegen ist etwas Willenloses. Der Schlechte geht seiner Neigung nach und versäumt dadurch Pflichten.
Dem Schlechten wäre es auch recht, wenn die Pflichten erfüllt würden, nur hat er den Willen nicht, seine Neigungen oder Gewohnheiten zu bemeistern.

§ 66

Welche Dienste wir anderen Menschen zu erweisen haben oder erweisen können, hängt von zufälligen Verhältnissen ab,
in denen wir mit ihnen stehen, und von den besonderen Umständen, in denen wir uns selbst befinden.
Sind wir imstande, einem anderen einen Dienst zu tun, so haben wir nur dies, daß er ein Mensch ist, und seine Not zu betrachten.

Die erste Bedingung, anderen Hilfe zu leisten, besteht darin, daß wir ein Recht dazu haben,
nämlich sie als Notleidende zu betrachten und gegen sie als solche zu handeln.
Es muß also die Hilfe mit ihrem Willen geschehen. Dies setzt eine gewisse Bekanntschaft oder Vertraulichkeit voraus.
Der Bedürftige ist als solcher dem Unbedürftigen ungleich.
Es hängt also von seinem Willen ab, ob er als Bedürftiger erscheinen will.
Er wird dies wollen, wenn er überzeugt ist, daß ich ihn, dieser Ungleichheit ungeachtet, als einen mir Gleichen behandle und betrachte.
- Zweitens muß ich die Mittel in Händen haben, ihm zu helfen.
- Endlich kann es auch Fälle geben, wo seine Not offenbar ist und darin gleichsam die Erklärung seines Willens liegt,
daß ihm geholfen werde.

§ 67

Die Pflicht der allgemeinen Menschenliebe erstreckt sich näher auf diejenigen, mit welchen wir im Verhältnis der Bekanntschaft und Freundschaft stehen. Die ursprüngliche Einheit der Menschen muß freiwillig zu solchen näheren Verbindungen
gemacht worden sein, durch welche bestimmtere Pflichten entstehen.

(Freundschaft beruht auf Gleichheit der Charaktere, besonders des Interesses, ein gemeinsames Werk miteinander zu tun,
nicht auf dem Vergnügen an der Person des anderen als solcher.
Man muß seinen Freunden sowenig als möglich beschwerlich fallen.
Von Freunden keine Dienstleistungen zu fordern, ist am delikatesten.
Man muß nicht sich die Sache ersparen, um sie anderen aufzulegen.)

§ 68

Die Pflicht der Klugheit erscheint zunächst als eine Pflicht gegen sich selbst in den Verhältnissen zu anderen,
insofern der Eigennutz Zweck ist.
- Der wahre eigene Nutzen wird aber wesentlich durch sittliches Verhalten erreicht, welches somit die wahre Klugheit ist.
Es ist darin zugleich enthalten, daß in Beziehung auf moralisches Betragen der eigene Nutzen zwar Folge sein kann,
aber nicht als Zweck anzusehen ist.

§ 69

Insofern der eigene Nutzen nicht unmittelbar im moralischen Betragen liegt und von dem besonderen, im Ganzen zufälligen Wohlwollen anderer abhängt, so befindet man sich hier in der Sphäre der bloßen Zuneigungen zueinander,
und die Klugheit besteht darin, die Neigungen der anderen nicht zu verletzen und sie für sich zu erhalten.
Aber auch in dieser Rücksicht ist das, was Nutzen bringt, eigentlich auch dasjenige, was sich an und für sich gehört,
nämlich andere darüber freizulassen, wo wir weder Pflicht noch Recht haben,
sie zu stören und durch unser Betragen ihre Zuneigung zu gewinnen.

§ 70

Die Höflichkeit ist die Bezeugung von wohlwollenden Gesinnungen, auch von Dienstleistungen, vornehmlich gegen solche,
mit denen wir noch nicht in einem näheren Verhältnisse der Bekanntschaft oder Freundschaft stehen.
Sie ist Falschheit, wenn diese Bezeugung mit den entgegengesetzten Gesinnungen verbunden ist.
Die wahre Höflichkeit aber ist als Pflicht anzusehen, weil wir wohlwollende Gesinnungen gegeneinander überhaupt haben sollen,
um durch Bezeugung derselben den Weg zu näheren Verbindungen mit ihnen zu öffnen.

(Einen Dienst, eine Gefälligkeit, etwas Angenehmes einem Fremden zu erweisen, ist Höflichkeit.
Dasselbe aber sollen wir auch einem Bekannten oder Freunde erweisen.
Gegen Fremde und solche, mit denen wir nicht in näherer Verbindung stehen, ist es um den Schein des Wohlwollens und um nichts als diesen Schein zu tun.
Feinheit, Delikatesse ist, nichts zu tun oder zu sagen, was nicht das Verhältnis erlaubt.
- Griechische Humanität und Urbanität bei Sokrates und Platon.)

 

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