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Erstes Kapitel: Das Recht
§ 2
Nach dem Recht soll bloß der allgemeine Wille geschehen, ohne Rücksicht auf die Absicht oder Überzeugung des Einzelnen, und das Recht hat den Menschen nur als freies Wesen überhaupt zum Gegenstande.
§ 3
Das Recht besteht darin, daß jeder Einzelne von dem anderen als ein freies Wesen respektiert und behandelt werde, denn nur insofern hat der freie Wille sich selbst im Anderen zum Gegenstand und Inhalt.
Dem Rechte liegt die Freiheit des Einzelnen zugrunde, und das Recht besteht darin, daß ich den Anderen als ein freies Wesen behandele. Die Vernunft fordert ein rechtliches Verhalten. Seinem Wesen nach ist jeder ein Freier. Durch ihre besonderen Zustände und Eigenheiten sind die Menschen unterschieden, aber dieser Unterschied geht den abstrakten Willen als solchen nichts an. Hierin sind sie dasselbe, und indem man den anderen respektiert, respektiert man sich selbst. Es folgt daraus, daß durch die Verletzung des Rechts eines Einzelnen alle in ihrem Recht verletzt werden. Es ist dies eine ganz andere Teilnahme, als wenn man nur an dem Schaden eines anderen teilnimmt. Denn 1. der Schaden oder Verlust, den jemand an Glücksgütern erleidet, deren guter Zustand zwar wünschenswert, aber nicht an sich notwendig ist, geht mich zwar an, allein ich kann nicht sagen, daß es schlechthin nicht hätte geschehen sollen; 2. gehören solche Zustände zur Besonderheit des Menschen. Bei aller Teilnahme trennen wir Unglücksfälle von uns selbst ab und sehen sie als etwas Fremdes an. Hingegen bei der Kränkung des Rechts eines anderen fühlt jeder sich unmittelbar getroffen, weil das Recht etwas Allgemeines ist. Also eine Rechtsverletzung können wir nicht als etwas Fremdes betrachten. Wir fühlen uns durch sie, weil das Recht notwendig ist, härter gekränkt.
§ 4
Insofern jeder als ein freies Wesen anerkannt wird, ist er eine Person. Der Satz des Rechts läßt sich daher auch so ausdrücken: es soll jeder von dem anderen als Person behandelt werden.
Der Begriff der Persönlichkeit schließt in sich die Ichheit oder Einzelheit, welche ein Freies oder Allgemeines ist. Die Menschen haben durch ihre geistige Natur Persönlichkeit.
§ 5
Es folgt hieraus, daß kein Mensch gezwungen werden kann als nur dazu, den Zwang, den er anderen angetan hat, aufzuheben.
Es gibt Beschränkungen der Freiheit und Gesetze, welche es gestatten, daß Menschen nicht als Personen, sondern als Sache behandelt werden, z. B. die Gesetze, welche die Sklaverei erlauben. Diese sind aber nur positive Gesetze, Rechte, und zwar die der Vernunft oder dem absoluten Recht entgegengesetzt sind.
§ 6
Diejenige Handlung, welche die Freiheit eines anderen beschränkt oder ihn nicht als freien Willen anerkennt und gelten läßt, ist widerrechtlich.
Im absoluten Sinne ist eigentlich kein Zwang gegen den Menschen möglich, weil jeder ein freies Wesen ist, weil er seinen Willen gegen die Notwendigkeit behaupten und alles, was zu seinem Dasein gehört, aufgeben kann. Der Zwang findet auf folgende Weise statt. An die Seite des Daseins des Menschen wird irgend etwas als Bedingung desselben angeknüpft, so daß, wenn er das erstere erhalten will, er sich auch das andere gefallen lassen muß. Weil das Dasein des Menschen von äußeren Gegenständen abhängig ist, so kann er an einer Seite seines Daseins gefaßt werden. Der Mensch wird nur gezwungen, wenn er etwas will, mit dem noch ein anderes verbunden ist, und es hängt von seinem Willen ab, ob er das eine und damit auch das andere oder auch keines von beiden will. Insofern er doch gezwungen wird, ist, wozu er bestimmt wird, auch in seinem Willen gelegen. Der Zwang ist insofern nur etwas Relatives. Rechtlich ist er, wenn er geübt wird, um das Recht gegen den Einzelnen geltend zu machen. Dieser Zwang hat eine Seite, nach welcher er kein Zwang ist und der Würde des freien Wesens nicht widerspricht, weil der Wille an und für sich auch der absolute Wille eines jeden ist. Die Freiheit findet überhaupt da statt, wo das Gesetz, nicht die Willkür eines Einzelnen herrscht.
§ 7
Erlaubt, jedoch darum nicht geboten, ist rechtlicherweise alles, was die Freiheit der anderen nicht beschränkt oder keinen Akt derselben aufhebt.
Das Recht enthält eigentlich nur Verbote, keine Gebote, und was nicht verboten ist, das ist erlaubt. Allerdings kann man die Rechtsverbote positiv als Gebote ausdrücken, z. B. "du sollst den Vertrag halten!" Der allgemeine Rechtsgrundsatz, von welchem die anderen nur besondere Anwendungen sind, heißt: "du sollst das Eigentum eines anderen ungekränkt lassen!" Dies heißt nicht: du sollst dem anderen etwas Positives erweisen oder eine Veränderung in Umständen hervorbringen, sondern enthält nur die Unterlassung der Verletzung des Eigentums. Wenn also das Recht als positives Gebot ausgedrückt wird, so ist dies nur eine Form des Ausdrucks, welchem dem Inhalt nach immer das Verbot zugrunde liegt.
§ 8
Der Wille, indem er eine Sache unter sich subsumiert, macht sie zu der seinigen. Der Besitz ist dies Subsumiertsein einer Sache unter meinen Willen.
Zum Subsumieren gehören zwei Stücke, etwas Allgemeines und etwas Einzelnes. Ich subsumiere etwas Einzelnes, wenn ich ihm eine allgemeine Bestimmung beilege. Dies Subsumieren kommt überhaupt im Urteilen vor. Das Subsumierende im Urteilen ist das Prädikat und das Subsumierte das Subjekt. Die Besitznahme ist das Ausprechen des Urteils, daß eine Sache die meinige wird. Mein Wille ist hier das Subsumierende. Ich gebe der Sache das Prädikat, die meinige zu sein. Der Wille ist das Subsumierende für alle äußerlichen Dinge, weil er an sich das allgemeine Wesen ist. Alle Dinge aber, die nicht selbst sich auf sich beziehen, sind nur notwendige, nicht freie. Dies Verhältnis macht also, daß der Mensch das Recht hat, alle äußerlichen Dinge in Besitz zu nehmen und aus ihnen ein Anderes, als sie selbst sind, zu machen. Er behandelt sie damit nur ihrem Wesen gemäß.
§ 9
Die erst in Besitz zu nehmende Sache muß 1. res nullius sein, d. h. nicht schon unter einen anderen Willen subsumiert sein.
Eine Sache, die schon eines anderen ist, darf ich nicht in Besitz nehmen, nicht, weil sie Sache, sondern weil sie seine Sache ist. Denn nehme ich die Sache in Besitz, so hebe ich an ihr das Prädikat, die seinige zu sein, auf und negiere damit seinen Willen. Der Wille ist etwas Absolutes, das ich nicht zu etwas Negativem machen kann.
§ 10
2. Der Besitz muß ergriffen werden, d. h. es muß für die anderen erkennbar gemacht werden, daß ich diesen Gegenstand unter meinen Willen subsumiert haben will, es sei durch körperliche Ergreifung oder durch Formierung oder wenigstens durch Bezeichnung des Gegenstandes.
Der äußerlichen Besitzergreifung muß der innerliche Willensakt vorangehen, welcher ausdrückt, daß die Sache mein sein soll. Die erste Art der Besitznahme ist die körperliche Ergreifung. Sie hat den Mangel, daß die zu ergreifenden Gegenstände so beschaffen sein müssen, daß ich sie unmittelbar mit der Hand ergreifen oder mit meinem Körper bedecken kann, und ferner, daß sie nicht fortdauernd ist. - Die zweite, vollkommenere Art ist die Formierung, daß ich einem Dinge eine Gestalt gebe, z. B. einen Acker bebaue, Gold zu einem Becher mache. Hier ist die Form des Meinigen unmittelbar mit dem Gegenstande verbunden und daher an und für sich ein Zeichen, daß auch die Materie mir gehöre. Zur Formierung gehört unter anderem auch das Pflanzen von Bäumen, das Zähmen und Füttern von Tieren. Eine unvollkommene Art des Landbesitzes ist die Benutzung eines Distriktes ohne seine Formierung, z. B. wenn nomadische Völker ein Gebiet zur Viehweide, Jägervölker zur Jagd, Fischervölker den Strand eines Meeres oder Flusses benutzen. Eine solche Besitznahme ist noch oberflächlich, weil die wirkliche Benutzung nur erst eine temporäre, noch nicht auf bleibende, an dem Gegenstand haftende Weise ist. - Die Besitznahme durch die bloße Bezeichnung des Gegenstandes ist unvollkommen. Das Zeichen, das nicht wie in der Formierung zugleich die Sache selbst ausmacht, ist ein Ding, das eine Bedeutung hat, die aber nicht sein eigenes Wesen ist und wogegen es sich also als ein fremdes verhält. Aber es hat auch sonst eine ihm eigene Bedeutung, welche nicht mit der Natur des durch es bezeichneten Dinges selbst zusammenhängt. Die Bezeichnung ist also willkürlich. Von was ein Ding Zeichen sein soll, ist mehr oder weniger die Sache der Konvenienz.
§ 11
Der Besitz wird zum Eigentum oder rechtlich, insofern von allen anderen anerkannt wird, daß die Sache, die ich zur meinigen gemacht habe, mein sei, wie ich ebenso den Besitz der anderen als den ihrigen anerkenne. Mein Besitz wird anerkannt, weil er ein Akt des freien Willens ist, der etwas Absolutes in sich selbst ist und worin das Allgemeine liegt, daß ich das Wollen anderer ebenso als etwas Absolutes betrachte.
Besitz und Eigentum sind zwei verschiedene Bestimmungen. Es ist nicht notwendig, daß Besitz und Eigentum immer verbunden sind. Es ist möglich, daß ich ein Eigentum habe, ohne davon in Besitz zu sein. Wenn ich z. B. einem anderen etwas leihe, so bleibt dies immer mein Eigentum, ob ich es gleich nicht besitze. Besitz und Eigentum sind in dem Begriff enthalten, daß ich ein Dominium über etwas habe. Das Eigentum ist die rechtliche Seite des Dominiums, und der Besitz ist nur die äußerliche Seite, daß etwas überhaupt in meiner Gewalt ist. Das Rechtliche ist die Seite meines absoluten freien Willens, der etwas für das Seinige erklärt hat. Dieser Wille muß von anderen anerkannt werden, weil er an und für sich ist und insofern die zuvor angegebenen Bedingungen beobachtet worden sind. - Das Eigentum hat also eine innerliche und eine äußerliche Seite. Diese für sich ist die Besitznahme, jene der Akt des Willens, der als solcher anerkannt werden muß. Es scheint zufällig oder willkürlich, ob zu einer Besitznahme auch das Anerkennen anderer hinzukomme. Es muß aber hinzukommen, weil es in der Natur der Sache liegt. Anerkennen hat nicht den Grund der Gegenseitigkeit. Ich anerkenne es nicht darum, weil du es anerkennst und umgekehrt, sondern Grund dieses gegenseitigen Anerkennens ist die Natur der Sache selbst. Ich anerkenne den Willen des anderen, weil er an und für sich anzuerkennen ist.
§ 12
Ich kann mich meines Eigentums entäußern, und dasselbe kann durch meinen freien Willen an andere übergehen.
Meine Kräfte und Geschicklichkeiten sind zwar mein eigenstes Eigentum, aber sie haben auch eine Äußerlichkeit. Nach der abstrakten Bestimmung sind sie schon insofern äußerlich, als ich sie von mir, dem einfachen Ich, unterscheiden kann. Aber auch an sich sind die Kräfte und Geschicklichkeiten einzelne und beschränkte, die nicht mein Wesen selbst ausmachen. Mein Wesen, das an sich Allgemeine, ist von diesen besonderen Bestimmungen unterschieden. Endlich sind sie in ihrem Gebrauch äußerlich. Eben indem ich sie gebrauche, mache ich sie zu einer äußerlichen Form, und das durch sie Hervorgebrachte ist irgendein äußerliches Dasein. Im Gebrauch liegt nicht die Kraft als solche, sondern sie erhält sich, ungeachtet sie sich geäußert und diese ihre Äußerung zu einem von ihr verschiedenen Dasein gemacht hat. Diese Äußerung der Kraft ist auch insofern etwas Äußerliches, als sie etwas Beschränktes und Endliches ist. - Insofern etwas mein Eigentum ist, habe ich es zwar mit meinem Willen verbunden, aber diese Verbindung ist keine absolute; denn wäre sie eine solche, so müßte mein Wille seinem Wesen nach in dieser Sache liegen. Sondern ich habe meinen Willen hier nur zu etwas Besonderem gemacht und kann, weil er frei ist, diese Besonderheit wieder aufheben.
§ 13
Unveräußerlich sind diejenigen Güter, die nicht sosehr mein Besitz oder Eigentum sind, als sie vielmehr meine eigenste Person ausmachen oder in meinem Wesen enthalten sind, als Freiheit des Willens, Sittlichkeit, Religion usf.
Nur diejenigen Güter sind veräußerlich, die schon ihrer Natur nach äußerlich sind. Die Persönlichkeit z. B. kann ich nicht als etwas mir Äußerliches ansehen, denn insofern einer seine Persönlichkeit aufgegeben hat, so hat er sich zur Sache gemacht. Aber eine solche Veräußerung wäre null und nichtig. - Seine Sittlichkeit würde einer veräußern, wenn er sich z. B. gegen einen anderen anheischig machte, auf seinen Befehl alle möglichen Handlungen, Verbrechen sogut als gleichgültige Handlungen, zu vollbringen. Eine solche Verbindlichkeit hätte keine Kraft, weil sie die Freiheit des Willens in sich schließt, worin jeder für sich selbst stehen muß. Sittliche oder unsittliche Taten sind die eigenen Handlungen dessen, der sie begeht, und weil sie so beschaffen sind, so kann ich sie nicht veräußern. - Auch meine Religion kann ich nicht veräußern. Wenn eine Gemeinde oder auch ein Einzelner es einem Dritten überlassen hätte, dasjenige zu bestimmen, was ihren Glauben ausmachen sollte, so wäre dies eine Verbindlichkeit, die jeder einseitig aufheben könnte. Dem anderen, gegen den ich diese Verbindlichkeit eingegangen habe, geschieht damit kein Unrecht, weil das, was ich ihm überlassen habe, nie sein Eigentum werden konnte.
§ 14
Dagegen kann ich den bestimmten Gebrauch von meinen geistigen und körperlichen Kräften und die Sache, die ich in Besitz habe, veräußern.
Nur einen beschränkten Gebrauch seiner Kräfte kann man veräußern, weil dieser Gebrauch oder die beschränkte Wirkung von der Kraft unterschieden ist. Aber der beständige Gebrauch oder die Wirkung in ihrem ganzen Umfange kann nicht von der Kraft an sich unterschieden werden. Die Kraft ist das Innere oder Allgemeine gegen ihre Äußerung. Die Äußerungen sind ein in Raum und Zeit beschränktes Dasein. Die Kraft an sich ist nicht erschöpft in einem einzelnen solchen Dasein und ist auch nicht an eine ihrer zufälligen Wirkungen gebunden. Aber zweitens, die Kraft muß wirken und sich äußern, sonst ist sie keine Kraft. Drittens macht der ganze Umfang ihrer Wirkungen die Kraft selbst aus, denn der ganze Umfang der Äußerung ist wieder selbst das Allgemeine, was die Kraft ist, und deswegen kann der Mensch nicht den ganzen Gebrauch seiner Kräfte veräußern; er würde sonst seine Persönlichkeit veräußern.
§ 15
Zu einer Veräußerung an einen anderen gehört meine Einwilligung, die Sache ihm zu überlassen, und seine Einwilligung, sie anzunehmen. Diese gedoppelte Einwilligung, insofern sie gegenseitig erklärt und als geltend ausgesprochen ist, heißt Vertrag (pactum).
Der Vertrag ist eine besondere Art, wie man Eigentümer einer Sache wird, die schon einem anderen gehört. Die früher auseinandergesetzte Art, Eigentümer zu werden, war die unmittelbare Besitznahme von einer Sache, die res nullius war. 1. Als die einfachste Art des Vertrages kann der Schenkungsvertrag angenommen werden, in welchem nur einer eine Sache an einen anderen überläßt, ohne den Wert derselben ersetzt zu erhalten. Eine gültige Schenkung ist ein Vertrag, weil der Wille beider dabei sein muß, des einen, dem anderen die Sache zu überlassen, ohne etwas dafür zurückzunehmen, des anderen, die Sache anzunehmen. - 2. Der Tauschvertrag besteht darin, daß ich von meinem Eigentum einem anderen etwas unter der Bedingung überlasse, daß er mir eine Sache von gleichem Wert dafür gibt. Dazu gehört die doppelte Einwilligung eines jeden, etwas wegzugeben und dagegen das vom anderen Gebotene anzunehmen. - 3. Kaufen und Verkaufen ist eine besondere Art von Tausch, von Waren gegen Geld. Geld ist die allgemeine Ware, die also, als der abstrakte Wert, nicht selbst gebraucht werden kann, um irgendein besonderes Bedürfnis damit zu befriedigen. Es ist nur das allgemeine Mittel, um die besonderen Bedürfnisse dafür zu erlangen. Der Gebrauch des Geldes ist nur ein mittelbarer. Eine Materie ist nicht an und für sich, als diese Qualitäten habend, Geld, sondern man läßt sie nur durch Konvention dafür gelten. - 4. Die Miete besteht darin, daß ich jemand meinen Besitz oder den Gebrauch meines Eigentums überlasse, mir aber das Eigentum selbst vorbehalte. Es kann dabei der Fall sein, daß derjenige, dem ich etwas geliehen habe, mir genau dieselbe Sache zurückgeben muß oder daß ich mir mein Eigentum vorbehalten habe an einer Sache von der nämlichen Art oder von dem nämlichen Werte.
§ 16
Die im Vertrag enthaltene Willenserklärung ist noch nicht die Verwirklichung und Ausführung des Übergehens meiner Sache oder Arbeit an den anderen. Dieser Übergang aus dem Grunde des Vertrages ist die Leistung
Mein Versprechen im Vertrag enthält, daß ich etwas durch meinen Willen aus der Sphäre des Meinigen ausgeschlossen habe, und zugleich habe ich anerkannt, daß es der andere in die seinige aufgenommen hat. Weil nun, daß etwas mein sei, soweit es von mir abhängt, in meinem Willen seinen Grund hat, so ist durch den Vertrag die Sache bereits Eigentum des anderen geworden. Insofern ich also das im Vertrag Bestimmte dem anderen nicht leistete oder ihn nicht in Besitz setzte, so würde ich sein Eigentum verletzen. Ich bin also durch den Vertrag selbst zur Haltung desselben verpflichtet (Erwerb durch Testament).
§ 17
Ein Eingriff in die Sphäre meiner Freiheit durch einen anderen kann entweder 1. So beschaffen sein, daß er mein Eigentum als das seinige in seinem Besitz hat oder anspricht in dem Sinne, daß er das Recht dazu habe und, wenn nicht er, sondern ich das Recht dazu hätte, er es mir überlassen würde. Er respektiert hierin das Recht überhaupt und behauptet nur, daß es in diesem besonderen Fall auf seiner Seite sei. Oder aber 2. es liegt in seiner Handlung, daß er meinen Willen überhaupt nicht anerkennt und somit das Recht als Recht verletzt.
Die bisherigen Begriffe enthalten die Natur des Rechts, seine Gesetze, seine Notwendigkeit. Aber das Recht ist nicht ein solches Notwendiges wie das Notwendige der physischen Natur, - z. B. die Sonne kann nicht aus ihrer Bahn treten. Eine Blume muß ganz ihrer Natur gemäß sein. Wenn sie z. B. ihre Gestaltung nicht erfüllt, so kommt dies von äußerlicher Einwirkung, nicht von ihr selbst her. Der Geist hingegen kann wegen seiner Freiheit gegen die Gesetze handeln. Es kann also gegen das Recht gehandelt werden. Hier ist zu unterscheiden 1. das allgemeine Recht, das Recht qua Recht, 2. das besondere Recht, wie es sich bloß auf das Recht einer einzelnen Person auf eine einzelne Sache bezieht. Das allgemeine Recht ist, daß überhaupt jeder, unabhängig von diesem Eigentum, eine rechtliche Person ist. Es kann also der Eingriff in das Recht so beschaffen sein, daß damit nur behauptet wird, dies besondere Recht, diese besondere Sache stehe einem nicht zu. Aber es wird dabei nicht das allgemeine Recht verletzt. Man verhält sich dabei gegen seinen Gegner als eine rechtliche Person. Ein solches Urteil kann überhaupt als ein bloß negatives betrachtet werden, worin im Prädikat das Besondere negiert wird; z. B. wenn ich urteile: "dieser Ofen ist nicht grün", so negiere ich bloß das Prädikat des so und so Gefärbtseins, nicht aber das Allgemeine. - Im zweiten Fall des Eingriffs in das Recht eines anderen behaupte ich nicht nur, daß eine besondere Sache nicht das Eigentum eines anderen ist, sondern ich negiere auch, daß er eine rechtliche Person ist. Ich behandle ihn nicht als Person. Ich mache auf etwas nicht Anspruch aus dem Grunde, daß ich das Recht dazu habe oder zu haben glaube. Ich verletze das Recht qua Recht. Ein solches Urteil gehört zu denen, welche unendliche genannt werden. Das unendliche Urteil negiert von dem Prädikat nicht nur das Besondere, vielmehr auch das Allgemeine; z. B. "dieser Ofen ist kein Walfisch" oder "er ist nicht das Gedächtnis". Weil nicht nur das Bestimmte, sondern auch das Allgemeine des Prädikats negiert wird, so bleibt dem Subjekt nichts übrig. Solche Urteile sind deswegen widersinnig, aber doch richtig. Auf dieselbe Weise ist die Verletzung des Rechts qua Recht etwas Mögliches, was auch geschieht, aber etwas Widersinniges, sich Widersprechendes. Die Fälle der ersten Art gehören zum Zivilrecht, die der zweiten zum Kriminalrecht. Das erste heißt auch bürgerliches, das zweite peinliches Recht.
§ 18
Im ersten Fall ist die bloße Auseinandersetzung der Rechtsgründe nötig, durch welche es sich ergibt, wem das streitige besondere Recht zukommt. Allein zu dieser Beurteilung der Ansichten der beiden Parteien ist ein Dritter nötig, der von ihrem Interesse, die Sache zu besitzen, frei ist, um bloß auf das Recht rein als solches zu sehen.
Im ersten Fall findet also der bürgerliche Rechtsstreit statt. Es wird in einem solchen das Recht eines anderen in Anspruch genommen, aber aus einem Rechtsgrunde. Es kommen beide streitende Parteien darin überein, daß sie das Recht als Recht anerkennen. Es soll nur derjenige in Besitz kommen, der Recht hat, und nicht etwa der, welcher Einfluß oder Gewalt und mehr Verdienst hat. Die Parteien weichen voneinander ab nur in Rücksicht der Subsumtion des Besonderen oder des Allgemeinen. Es folgt also daraus, daß keine persönliche Beleidigung zwischen dem Richter und den beiden Parteien stattfindet, insofern die eine mit seinem Spruch nicht zufrieden ist, noch des Richters gegen die Partei, der er das Recht abspricht. Weil also kein Angriff auf das Persönliche hierbei stattfindet, so folgt daraus, daß die Partei, die unrechtlicherweise das Eigentum des anderen angegriffen hat, nicht bestraft wird.
§ 19
Der andere Fall hingegen betrifft die Verletzung meiner persönlichen äußerlichen Freiheit, meines Leibes und Lebens oder auch meines Eigentums überhaupt durch Gewalttätigkeit.
Es gehört darunter erstens die widerrechtliche Beraubung meiner Freiheit durch Gefängnis oder Sklaverei. Es ist Beraubung der natürlichen äußerlichen Freiheit, sich nicht hinbegeben zu können, wohin man will, u. dgl. m. Es gehört ferner hierher eine Verletzung des Leibes und Lebens. Diese ist viel bedeutender als die Beraubung meines Eigentums. Obgleich Leben und Leib etwas Äußerliches ist, wie Eigentum, so ist meine Persönlichkeit doch darunter verletzt, weil in meinem Körper selbst mein unmittelbares Selbstgefühl ist.
§ 20
Der Zwang, der durch eine solche Handlung gesetzt worden, muß nicht nur aufgehoben, d. h. die innere Nichtigkeit einer solchen Handlung nicht nur negativerweise dargestellt werden, sondern es muß auch auf positive Weise die Wiedervergeltung eintreten. (Es muß gegen sie die Form der Vernünftigkeit überhaupt, die Allgemeinheit oder Gleichheit geltend gemacht werden.) Indem nämlich der Handelnde ein vernünftiges Wesen ist, so liegt in seiner Handlung, daß sie etwas Allgemeines sei. Beraubst du einen anderen, so beraubst du dich! Tötest du jemand, so tötest du alle und dich selbst! Die Handlung ist ein Gesetz, das du aufstellst und welches du eben durch dein Handeln an und für sich anerkannt hast. Der Handelnde darf daher für sich unter dieselbe Handlungsweise, die er aufgestellt hat, subsumiert und insofern die durch ihn verletzte Gleichheit wieder hergestellt werden: ius talionis.
Die Wiedervergeltung beruht überhaupt auf der vernünftigen Natur des Unrechthandelnden, oder sie besteht darin, daß das Unrechte sich in das Rechte verkehren muß. Die unrechte Handlung ist zwar eine einzelne unvernünftige Handlung. Weil sie aber von einem vernünftigen Wesen ausgeführt wird, so ist sie, zwar nicht ihrem Gehalt nach, aber doch der Form nach, ein Vernünftiges und Allgemeines. Ferner ist sie als ein Grundsatz oder Gesetz zu betrachten. Aber als solches gilt es zugleich nur für den Handelnden, weil nur er durch seine Handlung es anerkennt, nicht aber die anderen. Er selbst also gehört wesentlich unter diesen Grundsatz oder dies Gesetz, das an ihm ausgeführt werden muß. Das Unrecht, das er ausgeübt hat, an ihm vollführt, ist Recht, weil durch diese zweite Handlung, die er anerkannt hat, eine Wiederherstellung der Gleichheit aufgestellt wird. Dies ist nur formelles Recht.
§ 21
Die Wiedervergeltung aber soll nicht vom einzelnen Beleidigten oder von dessen Angehörigen ausgeübt werden, weil bei ihnen die allgemeine Rechtsrücksicht zugleich mit der Zufälligkeit der Leidenschaft verbunden ist. Sie muß die Handlung eines dritten Gewalthabenden sein, der bloß das Allgemeine geltend macht und vollführt. Insofern ist sie Strafe.
Rache und Strafe unterscheiden sich dadurch voneinander, daß die Rache eine Wiedervergeltung ist, insofern sie von der beleidigten Partei ausgeübt wird, Strafe aber, insofern sie vom Richter ausgeübt wird. Die Wiedervergeltung muß daher als Strafe geübt werden, weil bei der Rache die Leidenschaft Einfluß hat und das Recht dadurch getrübt wird. Ferner hat die Rache nicht die Form des Rechts, sondern die der Willkür, indem die beleidigte Partei immer aus Gefühl oder subjektiver Triebfeder handelt. Deswegen ist das Recht, als Rache ausgeübt, wieder eine neue Beleidigung, wird nur als einzelne Handlung empfunden und pflanzt sich also unversöhnt ins Unendliche fort.
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