§ [81]
III. Antinomie [über den Gegensatz der Kausalität nach Naturgesetzen und der Freiheit] [am Rand:] Nicht seine Zuflucht zu einem Freien in der Erklärung nehmen.
[Thesis: Die Kausalität nach Gesetzen der Natur ist nicht die einzige, aus welcher die Erscheinungen der Welt abgeleitet werden können. Es ist zur Erklärung derselben noch eine Kausalität durch Freiheit anzunehmen notwendig.
Beweis: Man nehme an, es gebe keine andere Kausalität als nach Gesetzen der Natur; so setzt alles, was geschieht, einen vorigen Zustand voraus, auf den es unausbleiblich nach einer Regel folgt. Nun muß aber der vorige Zustand selbst etwas sein, was geschehen ist, weil, wenn es jederzeit gewesen wäre, seine Folge auch nicht erst entstanden, sondern immer gewesen sein würde. Indem also die Kausalität der Ursache selbst etwas Geschehenes ist, so ergibt sich ein unendlicher Progreß der Reihe von Ursache und Wirkung, d. h. eine nur unvollständige Reihe, somit nur eine nicht hinreichend bestimmte und begründende Ursache.
Es muß daher eine Kausalität angenommen werden, welche absolute Spontaneität ist, d. h. freie Ursache, die eine Reihe von Erscheinungen, die nach Naturgesetzen läuft, von selbst anfängt.]
§ [82]
[Antithesis: Es ist keine Kausalität durch Freiheit, sondern alles in der Welt geschieht lediglich nach Gesetzen der Natur.
Beweis: Setzet, es gebe eine Kausalität nach Freiheit, nämlich ein Vermögen, einen Zustand, mithin auch eine Reihe von Folgen desselben, schlechthin anzufangen; so wird auch die Bestimmung der Spontaneität schlechthin anfangen, so daß nichts vorhergeht, wodurch die Handlung der Freiheit bestimmt wäre. Es setzt aber jeder Anfang zu handeln einen Zustand der noch nicht handelnden Ursache voraus und ein schlechthin erster Anfang der Handlung einen Zustand voraus, der mit dem vorhergehenden Zustand derselben Ursache gar keinen Zusammenhang der Kausalität hat, d. h. auf keine Weise darauf erfolgt. Also ist die absolute Freiheit dem Kausalgesetze entgegen.]
§ 87 [83]
Diese Antinomie beruht im allgemeinen auf dem Gegensatze, den das Kausalitätsverhältnis in sich hat; nämlich die Ursache ist α) eine ursprüngliche Sache und erstes sich selbst Bewegendes; β) aber ist sie ein Bedingtes durch etwas, auf welches sie wirkt, und dann geht ihre Tätigkeit in die Wirkung über. Somit ist sie nichts wahrhaft Ursprüngliches, sondern selbst wieder als ein Gesetztes anzusehen. Nach der ersten Seite wird eine absolute Kausalität, die durch Freiheit, angenommen; nach der zweiten Seite aber wird die Ursache selbst zu einem Geschehenen, wodurch der Progreß ins Unendliche hervorgeht.
§ 88 [84]
Die wahrhafte Auflösung dieser Antinomie ist die Wechselwirkung, daß die Ursache, welche in Wirkung übergeht, an dieser wieder eine ursächliche Rückwirkung hat, wodurch die erste Ursache zur Wirkung, zum Gesetzten wird; in dieser Wechselseitigkeit ist somit enthalten, daß keines der beiden Momente der Kausalität ein für sich absolutes, sondern nur dieser ganze in sich beschlossene Kreis der Totalität, der an und für sich ist.
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